Verehrt, verspottet, vergessen: Ausstellung über First Ladies in Roztoky bei Prag
Schicksal oder Mission? Diese Frage wird im Untertitel einer Ausstellung gestellt, die vor kurzem im Mittelböhmischen Museum in Roztoky bei Prag eröffnet wurde. Thema der Ausstellung ist das Leben und die Rolle der Ehefrauen der tschechoslowakischen und tschechischen Präsidenten. Einige von ihnen wurden von der Öffentlichkeit geliebt, andere wurden eher verspottet. Von einigen der First Ladies wusste man nur noch, dass es sie gab.
„Ich war zuerst erstaunt, dass bislang noch niemand versucht hatte, eine Ausstellung über die First Ladies zu machen. Als ich mit den Vorbereitungen begann, wurde mir aber klar warum: Ich habe fast drei Jahre lang daran gearbeitet, die Suche nach den Exponaten war wirklich oft anspruchsvoll. Ich nahm Kontakt mit dem Bühnenbildner Jan Růžička auf, der den Inhalt der Ausstellung ergänzte und für ihre künstlerische Gestaltung sorgte. Das, was hier im Schloss zu sehen ist, ist eigentlich sein Werk.“
Beim Betreten der Ausstellungssäle hat man den Eindruck, dass es fast unmöglich ist, wirklich alle ausgestellten Dokumente durchzulesen und sämtliche Fotos anzuschauen. Zudem sind da noch viele historische Gegenstände ausgestellt, darunter auch Möbel und Kleider.„Die Ausstellung konzentriert sich vor allem auf Bildmaterial. Der Besucher kann sich eine Vorstellung der Frauen der tschechoslowakischen und tschechischen Staatspräsidenten während fast eines Jahrhunderts machen. Wir stellen aber nicht nur die Ehegattinnen der Präsidenten vor, sondern in einigen Fällen auch deren Töchter. Die Frau des ersten tschechoslowakischen Staatspräsidenten, Charlotta Masaryková, starb schon 1923, und ihre Rolle übernahm zuerst ihre Tochter Olga und danach ihre Tochter Alice, die nicht verheiratet war und Jahre lang an der Seite ihre Vaters stand. Sie hat sich um alle Angelegenheiten gekümmert, die mit dem Präsidentenamt zusammenhingen. Zudem war sie unter anderem Vorsitzende des Tschechoslowakischen Roten Kreuzes. Ein weiteres Beispiel einer Tochter, die die offiziellen Pflichten der First Lady übernahm, war Milada Háchová-Rádlová, die Tochter von Präsident Emil Hácha.“
Die Porträts der First Ladies wurden durch Fotos von anderen zur der Zeit bekannten Frauenpersönlichkeiten ergänzt. Viele der Exponate werden zum ersten Mal überhaupt ausgestellt. Dazu gehörten mehrere Dokumente vom Masaryk-Institut, erzählt die Kuratorin.
„Für den Bereich über das Ehepaar Beneš gelang es uns mehrere Gegenstände aus der Villa im südböhmischen Sezimovo Ústí auszuleihen. In der Villa verbrachte Hana Benešová die Jahre nach dem Tod ihres Mannes. Zu sehen sind hier ganze Möbelgarnituren eben aus der Villa des Ehepaars Beneš. Bei der Suche nach Dokumenten zu den Frauen der kommunistischen Präsidenten stießen wir auf ein umfangreiches Fotoarchiv. Der zweite kommunistische Präsident Zápotocký war offensichtlich ein passionierter Fotograf und hatte vor allem seine Familie fotografiert. Die Besucher sind oft überrascht, was für Fotos hier zu sehen sind.“
Die Frau des ersten kommunistischen Präsidenten der Tschechoslowakei, des Stalinisten Klement Gottwald, wirkt auf den Fotos fast wie eine Karikatur ihrer selbst. Marta Gottwaldová kam aus sehr einfachen Verhältnissen, versuchte aber das zu überspielen. Sie trug auch bei Hitze Pelzkragen und ließ sich mit „gnädige Frau“ ansprechen. Ihren ursprünglichen Namen Marie ließ sie in Marta ändern, der ihrer Meinung nach edler klang. Marcela Šášinková:„Die Dokumente über sie stammen zum größten Teil aus dem Archiv der Präsidialkanzlei. Es gibt hier kuriose Materialien wie beispielsweise eine Urkunde über die Benennung eines Wanderwegs sowie einer Kinderkrippe nach Marta Gottwaldová. Es gibt hier auch Briefe, deren Verfasser um die Benennung einiger Obstbäume nach ihr bitten. Dazu ist es wahrscheinlich aber nicht gekommen, was auch beachtenswert ist.“
Erst mit Irena Svobodová, der Frau von Ludvík Svoboda, der Staatspräsident in den Jahren 1968 bis 1975 war, wurde wieder eine Frau First Lady, die es verstand an der Seite ihres Mannes repräsentative Aufgaben zu erfüllen. Die ausgestellten Gegenstände und Dokumente stammen aus dem Nachlass von Irena Svobodová und wurden von ihrer Familie für die Ausstellung zur Verfügung gestellt.„Zu sehen sind hier auch einige Beispiele aus der Garderobe von Irena Svobodová, einschließlich ihrer Schuhe, Handtaschen und Reisesouvenirs. Sie war die erste Frau eines Präsidenten in der kommunistischen Zeit, die dafür sorgte, dass ihre Ausgaben nicht von der Präsidialkanzlei, sondern vom Gehalt des Präsidenten bezahlt wurden. Sie war seit den Zeiten von Hana Benešová die erste Präsidentengattin, die sich auf eine gewisse Weise wohltätig engagierte. Damals durfte man nicht von einer Caritas sprechen, denn Caritas wurde in der kommunistischen Tschechoslowakei für kapitalistisch gehalten. Irena Svobodová setzte sich gemeinsam mit dem Kinderarzt, Professor Dunovský, für die Errichtung des ersten SOS-Kinderdorfs in der Tschechoslowakei ein. Als Vorbild diente ihnen damals Österreich. Bis zu der Zeit war es in der kommunistischen Tschechoslowakei unvorstellbar, dass sich die Frau eines Staatspräsidenten für so etwas interessieren könnte. Die Caritas gab es einfach nicht.“
Mit den Dokumenten über die erste und die zweite Ehefrau des letzten kommunistischen Staatsoberhauptes der Tschechoslowakei ist der Teil der Ausstellung über die Zeitepoche des Kommunismus beendet. Überraschend ist für die Besucher oft, dass die erste Frau von Präsident Husák, Magda Lokvencová, eine der ersten slowakischen Theaterregisseurinnen war. Präsident Husák ist in Tschechien ein Symbol für die so genannte „Normalisierung“ nach dem Prager Frühling.Die in Tschechien wohl bis heute populärste Präsidentengattin war die Frau von Präsident Václav Havel, Olga Havlová. Einige der Dokumente zu Frau Olga stammen aus dem Prager Museum fürs Schrifttum, einige wurden von Privatpersonen zur Verfügung gestellt.
„Es geht um einen Teil von Václav Havels Korrespondenz, die wir als ´Briefe an Olga´ kennen. Hier sind einige der Originalbriefe zu sehen, die Václav Havel seiner Frau aus dem Gefängnis schrieb. Er hat uns diese geliehen. Wir stellen hier aber auch ein paar persönliche Gegenstände aus, die uns das Komitee des guten Willens zur Verfügung gestellt hat. Die Mitarbeiter waren sehr entgegenkommend und haben uns praktisch alles, was an Olga erinnerte, geliehen – einschließlich ihres Sessels. Das Komitee wurde von Olga Havlová gegründet und trägt ihren Namen. Ähnlich wie einst Masaryks Tochter Alice zusammen mit dem Architekten Plecnik am Umbau der Prager Burg arbeitete, haben Olga und ihr Mann gemeinsam mit dem Architekten und Designer Bořek Šípek an der Neugestaltung der Räumlichkeiten der Prager Burg geplant. Šípek entwarf beispielsweise die Stühle für den Spanischen Saal. Zwei dieser Stühle, die ´Olga´ heißen, stellen wir hier aus. Architekt Šípek hat speziell für diese Ausstellung eine Skizze gezeichnet, es handelt sich um den Entwurf für eine Trauerlampe für Olga. In der Präsidialkanzlei war der Entwurf nicht mehr zu finden, darum hat er für uns eine neue Skizze gemalt.“ Olga Havlová und dem Komitee des guten Willens, das sie 1990 stiftete, ist zudem eine selbständige Fotoausstellung gewidmet, die sich im Eingangsbereich zum Schlossgelände von Roztoky befindet. Die zweite Frau von Präsident Havel, Dagmar Havlová, wollte der Kuratorin zufolge ursprünglich an der Ausstellung mitarbeiten. Aus zeitlichen Gründen war es ihr dann nicht mehr möglich. Dagmar Havlová, die Schauspielerin ist, ist mit einigen Fotos, mit Dokumenten zu ihrer karitativen Stiftung Vize sowie mit Theaterkostümen vertreten, die aus dem Prager Theater in den Weinbergen stammen.Die Ausstellung mit dem Titel „První dámy – First Ladies“ ist im Mittelböhmischen Museum in Roztoky bei Prag bis zum 29. Februar nächsten Jahres zu sehen. Das Museum ist von Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Marcela Šášinková denkt darüber nach, die Ausstellung in eine Wanderausstellung zu umzuwandeln. Interesse für die Ausstellung zeigte bereits Bratislava.