Zu Besuch bei Zdenka Braunerova in Roztoky bei Prag
Als Frau und Künstlerin gehörte sie zu den vielseitigsten Persönlichkeiten der bildenden Kunst - nicht nur im tschechischen, sondern auch im europäischen Maßstab. Sie war Malerin, Graphikerin, illustrierte viele Bücher, befasste sich mit Glasmalerei und unterstützte junge talentierte Künstler. Die Rede ist von der 1934 verstorbenen Zdenka Braunerova. Ihr Atelier in Roztoky bei Prag war eine Art Salon, in dem tschechische sowie ausländische Schriftsteller und Künstler zusammentrafen. Dieses Atelier, das seit dem Tod der Künstlerin nicht mehr seinem ursprünglichen Zweck gedient hat, wurde dank Mitarbeitern des Museums in Roztoky gründlich renoviert und im vergangenen Jahr für die Öffentlichkeit geöffnet. In das malerische Landhaus laden Sie Martina Schneibergova und Thomas Kirschner im folgenden "Reiseland Tschechien" ein.
Die nördlich von Prag im Moldau-Tal liegende Stadt Roztoky war schon immer ein beliebtes Ausflugsziel der Prager. Im 19. Jahrhundert hatten einige Prager Familien in dieser Villengemeinde auch ihren Sommersitz. Zu ihnen gehörte auch die Familie des namhaften tschechischen Politikers und Anwalts Frantisek August Brauner. Da er aus einer Müllerfamilie aus Litomysl stammte, kaufte er 1861 in Roztoky eine kleine Mühle, die seine Familie später in ein Sommerhaus umbauen ließ. Seine Tochter Zdenka ist seit ihrer Kindheit immer wieder nach Roztoky gefahren, sagt Miloslav Vlk vom Mittelböhmischen Museum in Roztoky:
"Hier begann Zdenka Braunerova auch zu malen. Hier malte sie mit ihrer ersten Liebe, dem tschechischen Maler Antonin Chitussi. Im Jahre 1903 fing sie an, ihr eigenes Atelier hier zu bauen. Das Haus war ein Jahr später fertig. Interessant ist, dass die Künstlerin beim Entwurf für ihr Atelier in England nach Inspirationen suchte. Was die Farben anbelangt, die sie für dieses Landhaus gewählt hat, spielten wiederum mehr ihre Erinnerungen an Frankreich eine Rolle. Braunerova hat in Frankreich studiert und weilte dort mehrmals zu längeren Besuchen. Dort fand sie Inspiration."
Lange bevor sie in Frankreich studiert hat, lernte Braunerova beim damals bekannten tschechischen Maler Sobeslav Pinkas in Prag malen. Die überhaupt ersten Ratschläge auf ihrem künstlerischen Weg erhielt sie von ihrer Mutter Anna, die in der Jugend ebenfalls gemalt hatte. Der junge tschechische Maler Antonin Chitussi orientierte sich unter Braunerovas Einfluss in seinem Schaffen an den französischen Landschaftsmalern der Schule von Barbizon. Braunerova besuchte Paris und Italien, wo sie ihre Maltechnik verbesserte, bis sie sich entschied, professionelle Künstlerin zu werden. In einer Zeit, wo sich die gesellschaftliche Aufgabe einer gut erzogenen und aus guten Verhältnissen stammenden Frau auf die Ehefrau- und Mutterrolle beschränkte, war eine solche Entscheidung wenn nicht gerade unerhört, dann wenigstens ungewöhnlich. Die Familie hat diese für die damalige Zeit extravagante Berufswahl nie vollständig akzeptiert.
Zdenka Braunerova hat in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts an der Collarossi-Akademie in Paris studiert. Den dort herrschenden Akademismus lehnte sie jedoch ab. Sie war aber auch mit dem damals in Paris verbreiteten Impressionismus nicht einverstanden. Sehr bewunderte sie hingegen den Bildhauer Auguste Rodin, den sie im Jahre 1902 während seines Besuches in der Mährischen Slowakei begleitet hatte. 1894 ist Braunerova für immer nach Böhmen zurückgekehrt, wo sie sich an den Vorbereitungen der Tschechisch-Slawischen Ethnografischen Ausstellung beteiligte, die 1895 in Prag stattfand. Um die Jahrhundertwende gehörte Braunerova zu den tschechischen Intellektuellen, die gegen die Vernichtung der Prager historischen Denkmäler protestierten, zu der es damals während der so genannten "Stadtsanierung" kam. Seit 1904 arbeitete sie in dem erwähnten Atelier, das sie in der Nachbarschaft des Sommersitzes erbauen ließ, der ihrer Familie gehörte.
Das Atelier wurde nach einer umfangreichen Renovierung voriges Jahr vom Mittelböhmischen Museum in Roztoky wieder geöffnet. Aufgrund der erhaltenen schriftlichen Dokumentation versuchten die Mitarbeiter des Museums, das Atelier möglichst originalgetreu und mit möglichst authentischen Gegenständen aus dem Nachlass der Künstlerin einzurichten. Durch das Haus begleitete mich Miloslav Vlk, der die dortige Ausstellung gestaltet hat. Man geht einige Treppen hinauf und durch die Tür gelangt man plötzlich in einen Künstlerhaushalt von der Jahrhundertwende:
"Wir befinden uns hier im Salon des Ateliers, wo sich die Ausstellung auf die Eltern sowie die Freunde der Malerin konzentriert. Unter den Freunden waren vor allem Schriftsteller und Künstler. Braunerova selbst unterstützte materiell auch junge bildende Künstler und war eine bedeutende Organisatorin des künstlerischen Lebens. Im Salon kann man Bilder sehen, mach denen man beurteilen kann, wie es hier damals aussah. Das Atelier war eigentlich ein leerer Bau, den Zdenka Braunerova einerseits mit eigenen Werken und andererseits mit einer Sammlung von Antiquitäten und verschiedenen Volkskunstgegenständen füllte. Sie sammelte auch Keramik und erbte von der Mutter einen Teil einer großen Porzellansammlung. Das alles versuchten wir in diesem Raum zu zeigen."
Der Salon sowie der eigentliche Atelierraum machen den Eindruck, als ob die Malerin vor einem Moment noch hier gesessen hätte. Dies ist an dem altneu eingerichteten Haus das Bewundernswerte: Alles sieht sehr natürlich und lebendig aus. Es handelt sich auf keinen Fall um eine klassische Ausstellung, sondern einfach um ein entsprechend eingerichtetes Haus, in dem viele Kunstgegenstände zu sehen sind, die bislang nicht ausgestellt wurden. Von der Einzigartigkeit des Projektes zeugt auch der Preis, mit dem die Museumsmitarbeiter vor kurzem ausgezeichnet wurden. Der vom Kulturministerium und der Vereinigung der tschechischen Museen und Galerien alljährlich verliehene Preis "Gloria musaealis" wird für außerordentlich gelungene Projekte beziehungsweise Publikationen verliehen. Die Auszeichnung gehört auch Miloslav Vlk:
"Im Unterschied zu anderen Ausstellungen, die in verschiedenen Gedenkstätten installiert werden, wo die Exponate neu sind, ist hier schon der Bau selbst authentisch. Diesen versuchten wir in den Zustand zu versetzen, wie er zu Braunerovas Zeiten aussah. Denn sie hat das Haus selbst entworfen."
Die Führung durch das neu eröffnete Atelier von Zdenka Braunerova werden wir in einer der nächsten Ausgaben des "Reiselands" fortsetzen. Für diejenigen, die das malerische Landhaus unweit von Prag besuchen möchten, ist der folgende Hinweis bestimmt: Das Atelier von Zdenka Braunerova kann von April bis Oktober täglich von 10-18 Uhr außer montags besichtigt werden. Die Eintrittskarten sind im Museum in Roztoky bei Prag erhältlich.