Zu Besuch bei Zdenka Braunerova in Roztoky bei Prag (II)
Zdenka Braunerova gehörte zu den vielseitigsten Persönlichkeiten der Bildenden Kunst - nicht nur im tschechischen, sondern auch im europäischen Maßstab. Die 1934 verstorbene Künstlerin war Malerin, Graphikerin, illustrierte viele Bücher, befasste sich mit Glasmalerei und unterstützte junge talentierte Künstler. Braunerovas Atelier in Roztoky bei Prag, das vom dortigen Mittelböhmischen Museum sorgfältig renoviert wurde, haben wir Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, in der Sendereihe "Reiseland Tschechien" vor vier Wochen vorgestellt. Dabei haben wir versprochen, die Führung durch das beachtenswerte Landhaus, das voriges Jahr für die Öffentlichkeit eröffnet wurde, fortzusetzen. Nach Roztoky lädt Sie in den folgenden Minuten Martina Schneibergova ein.
Das Atelier ließ Zdenka Braunerova in der Nähe der Sommervilla erbauen, die ihre Familie in Roztoky bei Prag besaß. Vor vier Wochen haben wir Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, Braunerova als Künstlerin vorgestellt. Das Atelier in Roztoky war nicht nur eine künstlerische Werkstatt, sondern auch ein Treffpunkt für viele Künstler und Politiker. Zu Besuch kamen Braunerovas Freunde - die Schriftsteller und Kritiker Milos Marten, F.X. Salda, Ruzena Jesenska, der Verlagsbesitzer Josef Portman, die Bildhauer Frantisek Bilek und Jan Stursa sowie die Maler Milos Jiranek, Jan Zrzavy oder T. F. Simon. Andenken an diese Besucher finden sich schon im ersten Raum des Landhauses - dem so genannten "Salon". Zu sehen sind hier Porträts des Schriftstellers Milos Marten sowie eine Büste des Dichters Julius Zeyer, die von Frantisek Bilek stammt. Ein Gemälde des mährischen Malers Joza Uprka erinnert an Braunerovas tiefe Beziehung zur mährischen Volkskunst. Von dem mit weißen Möbeln eingerichteten kleinen Salon kommt der Besucher in den Atelierraum. Der Kunsthistoriker Miloslav Vlk, der die Ausstellung im Atelier gestaltet hat, sagt:
"Wenn man von dem verhältnismäßig kleinen Salon in das Atelier kommt, wird man von dem großen Raum überrascht, der praktisch bis zum Dach reicht. Dieser Raum diente auch als ein Gesellschaftszentrum. Das Klavier, das hier steht, ist das ursprüngliche Musikinstrument, das hier zu Braunerovas Zeiten schon stand. Wir versuchten die Atmosphäre möglichst originalgetreu wieder zu beleben. Man kann die heutige Gestaltung mit der damaligen Einrichtung des Ateliers vergleichen. Denn es gibt hier einige Fotos sowie Gemälde, auf denen das Atelier zu sehen ist. Hier wurde die Tradition der Kultursalons des 19. Jahrhunderts aufrechterhalten, in der Zdenka Braunerova aufgewachsen ist."
Auf den Wänden des Ateliers kann man zahlreiche Werke der Malerin bewundern, die ihre künstlerische Entwicklung dokumentieren, sagt der Kunsthistoriker:
"Hier gibt es Beispiele aus der Anfangsphase der Landschaftsmalerei von Braunerova, aber auch Gemälde aus Frankreich sowie Werke, die nach ihrer Rückkehr entstanden sind. Seit 1881 studierte die Künstlerin in Frankreich, und sie blieb dort bis auf einige kurze Unterbrechungen bis 1894. Dann kehrte sie nach Prag zurück. Noch in Paris studierte sie das Werk des namhaften englischen Landschaftsmalers John Constable. Sie besuchte danach London. Im Atelier kann man auch ein Gemälde besichtigen, das den Londoner Hafen darstellt, der sie sehr fasziniert hat. In Frankreich bewunderte die Malerin sehr stark die Künstler von Barbizon. Außerdem liebte sie Landschaften mit Windmühlen, die sie auch in Mähren gemalt hat."
Zdenka Braunerova interessierte sich seit ihrer Jugend auch für die Volkskunst. Die 1895 in Prag veranstaltete große Ethnografische Ausstellung hat zur allgemeinen Beliebtheit der Volkskunst bedeutend beigetragen. Ein Album mit Bildern von dieser Ausstellung kann man auch in Braunerovas Atelier durchblättern. Zu sehen sind im Atelier außerdem mehrere Gemälde mit Volksarchitektur aus Mähren, Nordböhmen sowie aus Frankreich.
Eine Treppe führt von dem Atelier ins Dachzimmer, das die Künstlerin "palanda", zu Deutsch also "Stockbett" genannt hat. Neben einer Dokumentarausstellung über die wichtigsten Lebensetappen der Malerin können hier die Besucher ihre zahlreichen Werke aus anderen Bereichen als der Malerei bewundern. Radierungen mit Bildern aus inzwischen verschwundenen Prager Winkeln XX stellen Braunerova als Begründerin der modernen tschechische Graphik vor. Bücher von Vilem Mrstik und Milos Marten wurden von Braunerova illustriert. Die Volkskunst inspirierte sie zu Möbel- und vor allem zu Glasentwürfen. Die Glasentwürfe wurden zu Braunerovas Zeiten vor allem im Ausland als ein Ausdruck tschechischer Tradition gewürdigt.
In dem neu eröffneten Atelier von Zdenka Braunerova können die Kunstliebhaber auf ihre Kosten kommen.