Sport und Politik – eine Scheinehe, die aber Zeug zu mehr hätte

Der tschechische Premir Jan Fischer mit seiner Frau bei den Winterspielen (Foto: ČTK)

Die tschechischen Politiker haben den Sport für sich entdeckt. Einerseits präsentieren sie seit kurzem Vorschläge, wie die Finanzierung des Sports künftig sichergestellt werden könnte. Dieses Thema haben wir bereits im Sportreport aufgegriffen. Im heutigen Schauplatz geht es nun aber um die Frage, wie die tschechischen Politiker versuchen, den Sport als Mittel einzusetzen, um politikverdrossene Bürger an die Wahlurnen zu bringen.

Die Olympischen Winterspiele im kanadischen Vancouver haben den tschechischen Fernseh- und Rundfunkanstalten traumhafte Einschaltquoten beschert. So manche Tschechen haben an ihren Geräten mitgefiebert, als ihre beliebten Sportler um gute Platzierungen, wenn nicht sogar um Medaillen kämpften. Der Sport war für gut zwei Wochen vielerorts beherrschendes Thema in der öffentlichen Debatte. Die in Vancouver erfolgreichen Sportler wurden bei ihrer Ankunft in der Heimat euphorisch als Helden gefeiert.

Jiří Paroubek mit der Olympiasiegerin Martina Sáblíková und ihrem Trainer Petr Novák  (Foto: ČTK)
Kein Wunder, dass auch die tschechischen Politiker, die sich in weniger als drei Monaten in Wahlen zu schlagen haben, mit ihren Sympathiebekundungen für die Sportler nicht fehlen durften. Einige gingen sogar so weit, dass sie auch gleich weitreichende Pläne bekannt gaben, wie dem Sport in Tschechien am besten zu helfen ist und wie man sicherstellen kann, dass auch bei künftigen sportlichen Großveranstaltungen tschechische Teilnehmer nicht leer ausgehen.

Beispiel Eisschnelllauf. Doppel-Olympiasiegerin Martina Sáblíková hat sich bisher im Ausland auf ihre Wettkämpfe vorbereiten müssen, denn in Tschechien fehlt eine entsprechende Trainingshalle. Von vielen Seiten wurde ihr nach den Erfolgen in Vancouver zugesichert, dass der Staat Geld für den Bau einer solchen Sportstätte locker machen will. Auf der anderen Seite haben sich aber auch die bei Olympia nicht gerade erfolgreichen tschechischen Eishockeyspieler von Politikern einige Ratschläge anhören müssen. Dies wurde mit der Ansage verbunden, man werde einiges ändern, wenn man erst einmal an der Macht ist.

Politikwissenschaftler Jan Kubáček
Kurz und gut, die tschechischen Politiker haben ihr Faible für den Sport entdeckt. Kann man mit diesem Thema bei den Wählern punkten und lässt sich der Sport als Träger von politischen Botschaften einsetzen? War das auch in der Vergangenheit vor Wahlen der Fall? Jan Kubáček ist Politikwissenschaftler, unterrichtet an mehreren Prager Hochschulen und war zudem auch einige Zeit lang als Politikberater tätig:

„Wir haben das hier in Tschechien schon mehrmals erlebt, weil die Politiker sich allgemein jedes Themas annehmen, das gesellschaftlich relevant ist und bei dem sie sich profilieren können. Dabei zeigt sich allerdings oft, dass die Politiker diesen Themen nur oberflächlich nachgehen und daher auch vor peinlichen Fehlern nicht gefeit sind. So geschehen, als Sozialdemokratenchef Jiří Paroubek irrtümlich die Eisschnellläuferin Martina Sáblíková als Eiskunstläuferin bezeichnet hat. Das zeigt ziemlich gut, wie die politische Klasse mit gesellschaftlichen Themen umgeht. Man hebt sie vom Boden auf, befasst sich mit ihnen öffentlich einige Tage und lässt sie dann wieder in Vergessenheit geraten oder lässt sie wieder fallen - ganz ohne jegliches Verantwortungsbewusstsein.“

Jiří Paroubek mit Jiří Šlégr
Der bereits erwähnte Vorsitzende der tschechischen Sozialdemokraten, Jiří Paroubek, scheint in den letzten Jahren überhaupt eine starke Beziehung zur Eisfläche entwickelt zu haben. So soll sich zum Beispiel ein Teil des sozialdemokratischen Wahlkampfes rund ums Eishockey drehen. Zudem hat Paroubek mit dem früheren Verteidiger des Nationalteams und heutigen Spieler-Trainer beim nordböhmischen Erstliga-Klub Litvínov, Jiří Šlégr, einen früheren aktiven Eishockeyspieler politisch ins Boot geholt. Šlégr kandidiert nämlich bei den Wahlen an zweiter Stelle der Kandidatenliste im Wahlkreis Nordböhmen.

Lassen sich auf diese Weise Wähler an die Wahlurnen bringen - und zwar insbesondere in wirtschaftlichen und sozialen Krisengebieten, zu denen auch Nordböhmen gehört? Dazu meint Jan Kubáček:

Mirek Topolánek,  der Ex-Premier mit dem Fahrrad
„Es ist sicher ein Thema, das die Öffentlichkeit anziehen und auch ihr Interesse wecken kann, vor allem da ein Großteil der Bürger der Politik den Rücken zukehrt. Das ist auch das Attraktive am Sport, weil er zumindest für eine kurze Zeit die Probleme des wirklichen Lebens vergessen lässt. Sportlicher Erfolg kann auch auf die Politik abfärben - jedenfalls dann, wenn man es geschickt anstellt. Wenn man allerdings in diesem Zusammenhang nicht auch gleich ein positives Programm präsentiert, kann das alles ziemlich schief gehen. Die enttäuschte Öffentlichkeit könnte dann in ihrer früheren Meinung bestärkt werden, dass den Politikern jedes Mittel recht ist, um im wahrsten Sinn des Wortes auf Umwegen in die Haushalte der Wähler zu treten.“

Über viele Jahrzehnte hielt sich nicht nur in Tschechien hartnäckig das Klischee, wonach es typische „linke“ und typische „bürgerliche“ Sportarten gebe. Zu den ersteren wurden die beliebtesten Mannschaftssportarten gezählt: Fußball, Eishockey oder Basketball. Der Grund: Sie waren auch Angehörigen niedrigerer sozialer Schichten zugänglich und zudem ein wichtiger Faktor bei der Sozialisierung. Zu den bürgerlichen Sportarten wurden wiederum jene mit einer gewissen Exklusivität gerechnet wie zum Beispiel Tennis oder Golf.

Der tschechische Premir Jan Fischer mit seiner Frau bei den Winterspielen  (Foto: ČTK)
Welche sportlichen Erfolge lassen sich aus der Sicht eines Politikberaters politisch besser nutzen - jene in Einzel- oder in Mannschaftssportarten? Jan Kubáček:

„Politiker lieben im Allgemeinen alle Mannschaftssportarten mit großem öffentlichem Interesse, die die Möglichkeit bieten, eine große Zahl von Menschen zu erreichen. In diesem Sinne wäre natürlich ein Erfolg zum Beispiel der Eishockey-Nationalmannschaft bei den Winterspielen in Vancouver sicher ausgenutzt worden. Da aber der Erfolg ausblieb, müssen sich nun die Politiker mit anderen Sportarten begnügen. Dazu gehört auch der Eisschnelllauf. Sehr typisch haben die Sozialdemokraten diese Wende vollzogen, die von ihrer Veranlagung her Mannschaftssportarten bevorzugen müssten, sich aber nun auf Nischensportarten wie Eisschnelllauf beschränken müssen. Aber es zählt jede Stimme; und jeder Sportler, der zusätzliche Stimmen bringen könnte, ist den Politikern willkommen. Je mehr Menschen also eine Sportart bewegt, umso attraktiver ist sie für Politiker, weil man dadurch Hunderte und Tausende potentielle Wähler erreichen kann.“

Wie glaubwürdig muss eigentlich ein Politiker sein, der verspricht sich des Sports anzunehmen? Kann zum Beispiel die eigene Vergangenheit als aktiver Sportler hilfreich sein, um sich bei diesem Thema zu profilieren? Der Politikwissenschaftler und Politikberater Kubáček glaubt durchaus, dass dies eine Rolle spielen kann:

„Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man sich mit dem Thema Sport nicht profilieren kann. Wenn jemand diesen Bereich langfristig und glaubwürdig bearbeiten würde, wäre es gut möglich, dass ihm das hoch angerechnet wird. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, dass Sport nicht immer nur gleich Leistungssport bedeuten muss. Sport kann auch bei anderen empfindlichen Themen eine Rolle spielen - zum Beispiel bei der Gesundheit, einer sinnvollen Freizeitgestaltung, und nicht zuletzt kann der Sport auch als Mittel gegen soziale Ausgrenzung herangezogen werden. Das alles sind hochpolitische und sensible Themen. Sport ist also sowohl ein stark gesellschaftliches, als auch hochpolitisches Thema und deshalb wurde er in der Vergangenheit leider auch für politische Ziele missbraucht.“