Trainer Draisaitl: NHL-Cracks machen jetzt in der Extraliga mächtig Alarm

Peter Draisaitl (Foto: ČTK)

In der tschechischen Eishockey-Extraliga sind erst acht von insgesamt 52 Spieltagen der neuen Saison gespielt, doch schon seit 14 Tagen erlebt die Liga einen regelrechten Boom. Der Grund dafür ist der Lookout in der besten Eishockeyliga der Welt, der nordamerikanischen NHL. Der dort zwischen den Clubbesitzern und den Eishockeyprofis schwelende Streit um das liebe Geld, macht den Punktspielbeginn in dieser Liga derzeit noch nicht möglich. Das führte dazu, dass zahlreiche NHL-Spieler gegenwärtig in Europa spielen, darunter Superstars wie Jaromír Jágr und weitere tschechische Top-Cracks in ihren Stammvereinen in der heimischen Extraliga. Über diese Situation, aber auch über die Beweggründe seines Engagements als Chefcoach des Eishockeyclubs Mountfield Budweis hat Radio Prag mit dem 46-jährigen deutschen Trainer Peter Draisaitl gesprochen.

Peter Draisaitl  (rechts). Foto: ČTK
Herr Draisaitl, wie ist es eigentlich zu dem Engagement hier in Budweis gekommen?

„Eigentlich aus heiterem Himmel. Ich hatte zwar Beziehungen hierhin und habe mich letztes Jahr hier auch schon ein bisschen umgeguckt. Nachdem ich zum Saisonende in Nürnberg aufgehört habe, verspürte ich den Wunsch, mal was Anderes auszuprobieren. Tschechien bietet sich an, weil ich die Sprache noch beherrsche. Ich war in Prag und habe zu Agenten gewechselt, die in Mittel- und Osteuropa im Geschäft sind. Dann ging alles ganz schnell: Es kam ein Anruf seitens Mountfield und ich habe dann den Zuschlag bekommen. Das freut mich sehr.“

Die Verantwortlichen von Mountfield haben ja keinen Hehl daraus gemacht, dass Sie ihr Wunschtrainer sind. Sie erfüllen das Anforderungsprofil, das sie an den Trainer haben, der diese Mannschaft trainieren muss. Hat man Ihnen auch gesagt, was man von Ihnen erwartet?

„Eigentlich sollte hier alles geändert werden. Man trug mir als Trainer auf, die Mannschaft in Richtung einfaches, hartes Eishockey umzuerziehen. Und das gelingt uns im Moment ganz gut.“

Die Südböhmen sind ja bekannt dafür, dass sie sehr introvertiert sind und wenig Siegeswillen haben. Jetzt kommt ein deutscher Trainer mit Disziplin, mit Härte. Sollten Sie der Mannschaft gerade diese Tugenden beibringen, die den Südböhmen ein bisschen abgehen?

„Man bemüht diese Einschätzung immer wieder gerne. Fakt ist, dass ich mich im Sommer, als ich den Zuschlag für den Trainerposten bekommen habe, logischerweise auch mit der Vergangenheit beschäftigt habe. Ich habe mir deshalb fast alle Spiele der letzten Saison von Budweis per Video angeschaut. Tatsächlich entsprach das, was die Besitzer dieses Clubs geändert haben wollten, zu hundert Prozent meinen Vorstellungen vom Eishockey. Deswegen passt das auch.“

Aleš Kotalík  (links). Foto: ČTK
Was haben Sie vorgefunden, als Sie hierher gekommen sind? Hatten Sie Einfluss auf die Auswahl der Spieler, die neu dazugekommen sind? Konnten Sie da mitreden?

„Nein, die Mannschaft stand weitestgehend fest. Wir haben hinten heraus aber noch die wichtige Personalie Aleš Kotalík diskutiert und dann auch zu Ende gebracht, aber die Truppe an sich war schon komplett.“

Wie sind Sie mit dem Kader insgesamt zufrieden? Wo liegen die Stärken des Teams, gibt es noch Schwachpunkte?

Foto: Petr Kraus,  Archiv HC Mountfield České Budějovice
„Es ist vielleicht noch zu früh, um das endgültig beurteilen zu können. Uns fehlen im Moment vier sehr gute, erfahrene Spieler und wir spielen mit sieben bis acht U22-Akteuren. Deswegen ist es wahnsinnig schwer einzuschätzen über die lange Distanz von 52 Spieltagen, wofür der Kader letztendlich gut sein wird. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, was derzeit und in den nächsten Wochen hier in der Extraliga gerade los ist. Durch den Lookout in der NHL kommen in der Liga einige Granaten zum Zug, und demzufolge wird sich hier einiges rühren.“

Jaromír Jágr  (rechts). Foto: ČTK
Wie bewerten Sie den Lookout? Hebt er die Attraktivität und Wertigkeit der Liga? Man sieht es ja bereits: Wenn Jaromír Jágr mit seinem Team aus Kladno antritt, dann sind die Hallen voll…

„Also hier in der Extraliga steigert sich die Attraktivität auf jeden Fall. Die Extraliga hat einen gewaltigen Aufschwung, und die Spieler, die jetzt von Übersee hierher kommen, die sorgen für mächtig Alarm – egal ob das nun in der Öffentlichkeit, in der Presse oder sonst wo ist. Also, es rührt sich richtig was hier in Tschechien. Zum Lookout selbst aber muss ich sagen: Den halte ich für einen absoluten Witz!“

Foto: Petr Kraus,  Archiv HC Mountfield České Budějovice
Nun, es heißt ja auch, dass sich in der NHL jetzt Millionäre mit Millionären streiten…

„Das ist aus meiner Sicht alles in Ordnung, aber von Seiten der Clubbesitzer finde ich diesen Lookout vollkommen unnötig.“

Jetzt kommen viele NHL-Spieler in die tschechische Extraliga. Freuen Sie sich schon, wenn am Wochenende Kladno mit Superstar Jágr und weiteren Top-Cracks hier in Budweis antritt?

Radek Martínek  (Foto: ČTK)
„Nun, wir werden sehen, ob wir hier dann auch die Hütte einigermaßen vollbekommen. Denn es wird ein Highlight werden, sowohl für die Fans und das Umfeld als auch für meine größtenteils jungen Spieler. Es wird interessant!“

Apropos junge Spieler, Sie bekommen ja jetzt mit Radek Martínek endlich auch einen erfahrenen Haudegen dazu. Was erhoffen Sie sich von ihm? Und rechnen Sie außerdem noch mit weiteren Verstärkungen?

Radek Martínek  (rechts). Foto: ČTK
„Es ist alles noch ein bisschen in der Schwebe. Aber Radek Martínek ist bereits da und er wird uns sehr wohl weiterhelfen. Er ist ein Superjunge und ein Weltklassespieler sowieso. Er ist seit zirka einer Woche in Budweis, hat zuvor aber lange Zeit nicht gespielt. In der vergangenen Saison hat er, so glaube ich, nur sieben Spiele bestritten und musste viele Nachwehen seiner Verletzungen überwinden. Ich denke, er wird uns deutlich mehr Stabilität geben und vielleicht hilft er uns sogar bei unserem Powerplay. Das wäre wünschenswert.

Martin Hanzal  (Foto: Archiv HC Mountfield České Budějovice)
Was aber weitere NHL-Spieler betrifft, da ist alles noch ein bisschen unklar. Klar ist nur, dass Andrew Ference kommen soll. Aber auch da ist im Moment nicht hundertprozentig klar, wann er hier eintreffen wird. Und vor allem in welcher Verfassung er dann sein wird. Alles andere sind derzeit lediglich viele Unbekannte. Die Michálek-Brüder sind verletzt. Martin Hanzal hat den ganzen Sommer über zwar in Budweis trainiert, aber ist jetzt auch in Amerika wegen einer Handverletzung. Also auch hier ist alles in der Schwebe.“

Lukáš Sáblík  (Foto: ČTK)
Apropos Verletzung: Nationaltorwart Jakub Kovář hat sich heute Vormittag im Training verletzt. Ist das eine längere, weil schwierige Verletzung?

„Wir wussten logischerweise von seiner Handverletzung, die er im Sommer auskurieren wollte. Am 3. Spieltag gegen Liberec stand er erstmals wieder im Tor und alles deutete darauf hin, dass er bald der Alte wird. Aber es ist dumm gelaufen. Es war wohl zu früh, dass er wieder eingestiegen ist. Beim heutigen Training hat er sich erneut an der Hand verletzt und jetzt wird er uns wohl einige Wochen fehlen. Das ist für uns ein herber Verlust.“

Jakub Kovář  (Foto: Archiv HC Mountfield České Budějovice)
Wollen Sie deshalb auf der Torwartposition noch einmal nachrüsten?

„Nein, das auf gar keinen Fall, denn wir haben eine ganz klare Hierarchie: Torhüter Nummer eins ist Kovář. Hinter ihm steht Pavel Kantor, der ein viel versprechendes Talent ist. Er soll als Nachfolger von Kovář aufgebaut werden. Und wir haben mit Lukáš Sáblík einen sehr erfahrenen Back-Up-Goalie. Wir sind also auf dieser Position ganz gut aufgestellt.“

Sie haben mit Kantor schon den Kovář-Nachfolger im Team. In weiser Voraussicht, weil nicht klar ist, ob Kovář in der nächsten Saison nicht schon woanders spielen wird?

„Man muss realistisch einfach davon ausgehen, dass er nicht sein ganzes Leben lang hier in Budweis spielen wird. Von daher tun wir gut daran, hier vorzusorgen.“

Peter Draisaitl  (rechts). Foto: ČTK
Sie stammen aus Tschechien, sind aber noch in jungen Jahren mit der Familie nach Deutschland gegangen. Haben Sie eigentlich vom tschechischen Eishockey noch etwas mitbekommen oder was haben Sie davon noch in Erinnerung? Mussten Sie sich neu einarbeiten und was sind die Unterschiede zum deutschen Eishockey?

„Einarbeiten musste ich mich natürlich schon, aber das ist überall das Gleiche. Ich muss jetzt sehr schnell die Strukturen und die Spieler der Mannschaft kennen lernen, aber da hilft die Videoarbeit sehr. Da sieht man alles, was man sehen muss. Ansonsten spielte sich mein Leben 30 Jahre lang in Deutschland ab. Die Beziehungen zu Tschechien beschränkten sich mehr auf die Familie sowie auf einige Bekanntschaften und Verwandtschaften. Eishockey verfolgt man als Trainer eigentlich überall gleich, egal ob das in Tschechien ist, in Russland, Finnland oder Schweden: Man informiert sich, man möchte gerne am Ball bleiben. Aber ich bin früh genug hier gewesen und ich habe das ganze Sommertraining schon mit der Mannschaft zusammen gemacht. Ich hatte also genug Zeit, um mich einzuarbeiten. Das war nicht so wie letztes Jahr in Nürnberg, wo du über Nacht irgendwo abhaust, irgendwo ankommst und sofort loslegen musst. Dieses Mal hatte ich genügend Zeit, meine Spieler und das Umfeld kennen zu lernen, und deswegen bin ich da schon ziemlich weit.“

Sind Sie auch sonst vom Sportlichen her zufrieden mit dem Umfeld?

„Das unterscheidet sich nur in Details von den Strukturen, die in Deutschland herrschen. Die Clubs nehmen sich da nicht viel. Auch in Deutschland gibt es die großen Clubs und die eher kleineren. So ist es letzten Endes hier auch.“


Budweis hat in der Extraliga das Top-Spiel gegen Club Rytíři Kladno verloren  (Foto: ČTK)
Anmerkung:

Das Gespräch mit dem tschechisch-deutschen Eishockeytrainer Peter Draisaitl hat Lothar Martin am Dienstag vergangener Woche geführt. Seitdem hat Budweis in der Extraliga dreimal verloren, darunter auch das Top-Spiel gegen Jaromír Jágrs Club Rytíři Kladno. Der langjährige NHL-Verteidiger Radek Martínek spielt inzwischen für Budweis.

Autor: Lothar Martin
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