Sprachen öffnen Grenzen

Logo des Europäischen Jahres der Sprachen

Wenn von dem künftigen gemeinsamen Europa die Rede ist, so ist damit nicht nur ein politischer und wirtschaftlicher Staatenverbund gemeint. Insbesondere in Hinblick auf die EU-Erweiterung hat längst auch das Wort von der Überwindung der inneren - kulturellen wie mentalitätsbedingten - Grenzen die Runde gemacht. Unter dem Motto "Sprachen öffnen Türen" haben am 18. Februar der Europarat und die Europäische Union das "Europäische Jahr der Sprachen" eröffnet. Die zugrundeliegende Idee ist schnell auf den Punkt gebracht: ohne gegenseitige Sprachkenntnisse gibt es auf längere Sicht keine funktionierende Verständigung im gemeinsamen Europa, die Devise lautet daher: Mehrsprachigkeit. Bemerkenswert vor dem Hintergrund einer immer weiter um sich greifenden Globalisierung ist dabei das Anliegen des Sprachenjahres, allen europäischen Sprachen - auch den weniger verbreiteten - den gleichen kulturellen Wert und die gleiche Würde beizumessen und sich für ihre Verbreitung einzusetzen. Am "Sprachenjahr" sowie insgesamt an der europäischen Diskussion um das Fremdsprachenlernen beteiligt sich auch die Tschechische Republik. Wie es gegenwärtig mit dem Fremdsprachenunterricht in Tschechien bestellt ist und welche Tendenzen es hier zu verzeichnen gibt, darüber erfahren Sie mehr im heutigen Themenkaleidoskop. Am Mikrophon begrüßt Sie Silja Schultheis.

Logo des Europäischen Jahres der Sprachen
Die Präsenz von Sprachschulen in Tschechien ist unübersehbar - Tendenz eindeutig steigend. Ob es um Sprachkurse im In- und Ausland oder um Studien- und Aupair-Aufenthalte geht: das Angebot vor allem privater Anbieter ist groß und lässt auf eine entsprechende Nachfrage schließen. Und hier lässt sich seit einigen Jahren ein Wandel verzeichnen, wie mir die Leiterin der Staatlichen Sprachenschule im ostmährischen Zlin, Libuse Cervinkova, erklärte:

"Unser Angebot hat sich natürlich geändert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich sagen, dass 2/3 des Angebots aus Englischkursen besteht. Das ist durch die Nachfrage bedingt. Die Nachfrage nach Deutsch ist nach 1990 gesunken. Vor der Revolution machte Deutschunterricht die Hälfte bis zwei Drittel aller Kurse aus. Nach der Revolution hat sich diese Situation umgekehrt, und Deutsch wurde durch Englisch ersetzt. Ich bin froh, dass der Verfall des Deutschen in letzter Zeit wieder nachlässt.

Vera Hoffmanová vom Institut für Sprachausbildung an der Prager Karlsuniversität beobachtete hinsichtlich der Nachfrage nach Fremdsprachen während der vergangenen fünf Jahre folgende Tendenz:

"Nach dem Boom des Englischen wächst jetzt hier in Prag das Interesse an Spanisch und Französisch. Und in letzter Zeit auch an Russisch und Arabisch. Das ist ein neues Phänomen. Ich würde sagen, die jüngeren Menschen können größtenteils schon Englisch, so dass sie jetzt Interesse haben, eine weitere he zu lernen. Was regionale Unterschiede anbelangt, so wird in den Gegenden, die an Deutschland oder Österreich grenzen, mehr Deutsch als Englisch gelernt"

Gehen wir von der Universität einen Schritt zurück. Am Anfang eines jeden Sprachenstudiums steht auch in Tschechien der schulische Fremdsprachenunterricht. Und der ist in Tschechien seit der Wende von 1989 nicht gerade im Aufschwung begriffen. Das Hauptproblem charakterisierte Pavel Cink, Direktor der Abteilung für internationale Beziehungen im tschechischen Schulministerium Radio Prag gegenüber:

Die Gründe hierfür brachte Jaroslava Delisova von der tschechischen Koordinierungsstelle für das Europäische Jahr der Sprachen gegenüber Radio Prag auf den Punkt:

Das Grundproblem in den Schulen besteht darin, dass es einen Mangel an Fremdsprachenlehrern gibt, weil unsere Lehrer sehr schlecht bezahlt sind. Fremdsprachenlehrer verlassen daher häufig die Schulen und arbeiten im privaten Sektor, wo sie ein doppelt bis dreifach so hohes Einkommen haben wie in der Schule.

Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die Regierung unlängst das sogenannte "Weißbuch" verabschiedet, das als Fundament für eine umfassende Reform des tschechischen Schul- und Hochschulwesens dienen soll.

Verbindlichen Charakter hat das "Weißbuch" allerdings nicht. Hierzu bedürfte es erst der Verabschiedung konkreter Gesetze und insbesondere der vieldiskutierten Novelle des Schulgesetzes. Bevor es dazu kommt, könnte aber möglicherweise das "Europäische Sprachenjahr" bereits einen kleinen Beitrag zur Verbesserung des Fremdsprachenunterrichts leisten, hofft Jaroslava Delisová von der tschechischen Koordinierungsstelle für das Europäische Jahr der Sprachen:

"Durch das Jahr der Sprachen ist der Fremdsprachenunterricht zur Priorität geworden. Das bedeutet, dass auch die Entscheidungsträger in der Regierung wirklich offen für solche Fragen sind. Ich glaube, dass es uns unter dem Einfluss des Europäischen Jahres der Sprachen gelingt, einige Dinge durchzusetzen. Beispielsweise wurde eine ziemlich hohe Summe für Lehrerfortbildungen bereitgestellt - für Lehrer, die sich sprachlich weiterqualifizieren wollen. Hier haben wir unsere Vorstellungen durchgesetzt."

Kommen wir noch einmal zum Ausgangspunkt - dem Motto des Europäischen Sprachenjahres - zurück. Die Rede war hier ja vom gleichen Wert und derselben Würde aller europäischen Sprachen und vom gegenseitigen Sprachenlernen. Und so müsste man konsequenterweise die zu Beginn aufgeworfene Frage nach dem Stand des Fremdsprachenlernens in Tschechien (und den dahingehenden Bemühungen) um eine weitere Frage ergänzen. Und diese würde lauten: Wie sieht es eigentlich anderswo - beispielsweise in Deutschland - mit dem Interesse am Tschechischlernen aus und welche Initiativen werden hier im Rahmen des Europäischen Sprachenjahres ergriffen? Radio Prag gegenüber äußerte sich dazu Ulrich Spät vom Goethe-Institut Inter nationes in Prag, der maßgeblich an der Vorbereitung der Ausstellung "Herzliche Grüße" beteiligt war, mit der das Goethe-Institut zum Deutschlernen motivieren will:

Die Voraussetzungen hierfür bezeichnet Pavel Cink allerdings nicht als optimal:

Bleibt zu hoffen, dass sich der ein oder andere den Ausspruch Ludwig Wittgensteins ins Gedächtnis ruft, der in Zusammenhang mit dem "Europäischen Sprachenjahre" häufig zitiert wird: Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über das "Europäische Jahr der Sprachen"



www.eurolang2001.org - Seiten der Europäischen Union und des Europarates - in verschiedenen Sprachen

http://culture.coe.int./AEL2001EYL - The Europe of cultural co-operation (auf englisch und französisch)

www.linguae.cz - Auf tschechisch

www.msmt.cz - Internetseiten des tschechischen Schulministerium (auf englisch und tschechisch)