St. Wenzel-Tag - Anlass für Diskussion über die Christlichkeit der Gesellschaft
Sein Denkmal im Prager Stadtzentrum ist zweifelsohne der beliebteste Treffpunkt in der tschechischen Hauptstadt. In Tschechien gibt es mehr als 330 Kirchen, die ihm geweiht wurden. Kein anderer Heiliger erfreut sich in den böhmischen Ländern einer solchen Popularität wie er, der "Herzog des böhmischen Landes", wie der heilige Wenzel in einem mittelalterlichen Kirchenlied genannt wird. Unter seiner Reiterstatue auf dem Prager Wenzelsplatz versammeln sich die Tschechen schon traditionell in ernsthaften historischen Augenblicken. Ihre Freude demonstrieren vor dem Landespatron aber oft auch glückliche Eishockey- oder Fußballfans, die die Nachricht über den Sieg eines tschechischen Teams immer unverzüglich dem heiligen böhmischen Fürsten laut verkünden kommen.
Am 28. September wird in Tschechien der St. Wenzel-Tag begangen, als der so genannte "Tag der tschechischen Staatlichkeit" seit kurzem sogar als ein Staatsfeiertag.
St. Wenzel-Feste finden an verschiedenen Orten in der ganzen Republik statt, die traditionelle Wallfahrt wird in Stara Boleslav/Alt Bunzlau unweit von Prag veranstaltet, dort, wo der Premyslidenfürst um das Jahr 929 auf Befehl seines Bruders Boleslaw ermordet wurde. Über die St. Wenzeltradition sagt Kardinal Miloslav Vlk:
"Mir scheint es, dass fast alle Nationen Europas am Anfang ihrer Geschichte einen Heiligen oder eine Gruppe von Heiligen haben, weil der Anfang der Geschichte bei vielen Völkern mit der Übernahme der christlichen Werte identisch ist. Da hatten die Heiligen beziehungsweise die Märtyrer als Vorbilder gedient. Auch wir haben den heiligen Wenzel und seine Großmutter, die heilige Ludmila, am Anfang unserer Geschichte. Der heilige Wenzel ist als Fürst zum Beschützer unserer Nation geworden, und sowohl die böhmischen Könige, als auch vor allem das Volk haben ihn verehrt. So wurde er immer mehr zu einem Symbol auch in der Politik. Man nannte ihn auch ´Erbfürst´ oder ´Erbkönig´. Die Krönungsinsignien, zu denen auch die St. Wenzel-Krone gehört, wurden den böhmischen Königen verliehen. Heute ist es notwendig, die geistliche Tradition, die mit dem heiligen Wenzel verbunden ist, wieder zu beleben."Mit der St. Wenzel-Tradition befasste sich auch der Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie, Tomas Halik, in einer am Vorabend des St. Wenzel-Tags in der Tageszeitung Lidove noviny veröffentlichten Betrachtung. Darin schlug Professor Halik vor, der Staat solle an diesem Tag keine obligatorischen Feste organisieren. Wir könnten jedoch Halik zufolge dem Landespatron mit einer neuen Tradition Ehre erweisen - einer Tradition von seriösen öffentlichen Diskussionen darüber, wie es heute mit unserer Christlichkeit, der Religion oder Gottlosigkeit eigentlich aussieht und was daraus für uns und unsere Zukunft folgt. Denn nach Haliks Worten geht es in der heutigen tschechischen Gesellschaft bei weitem nicht um eine Art Religionsverlust, sondern um eine Entfremdung von einem Typ der christlichen Kultur.