Staatlicher Literaturpreis für Pavel Brycz und seine Romanchronik "Des Patriarchats längst vergangener Ruhm"
Zum zehnten Mal in der Geschichte der selbständigen Tschechischen Republik wurden am Montag Staatspreise für Literatur verliehen: der eine für ein literarisches Werk, der andere für Belletristik-Übersetzungen.
Den Literaturpreis beschied die Jury dem Belletristen Pavel Brycz (geb. 1968), und zwar für dessen Roman "Des Patriarchats längst vergangener Ruhm". Der 36jährgie Autor aus Nordböhmen debütierte im Jahre 1993 und verfasste bisher überwiegend kürzere Prosawerke. Die Geschichte seines Erstlingsromans beginnt in der Ukraine im Jahre 1917, spielt sich aber hauptsächlich im nordböhmischen Liberec/Reichenberg ab - die Chronik geht von der Zwischenkriegszeit über den Zweiten Weltkrieg, über die Jahre 1968 und 1989 bis zur Gegenwart. Pavel Brycz gegenüber Radio Prag:
"Es handelt sich um eine fiktive Geschichte, die allerdings auf einigen Legenden unserer Familie basiert. Das war meine Inspiration. Und was ich nicht gewusst habe, das habe ich erfunden und eine Geschichte geschrieben, die ein ganzes Jahrhundert umfasst. Manchmal ist sie hart, manchmal humorvoll, sie bringt eine große Katharsis und entspricht gewissermaßen dem Stil russischer klassischer Werke."
Über die Geschichte seiner Familie erzählt Pavel Brycz:
"Mein Großvater kam aus der Ukraine. Er flüchtete als Weißgardist vor der Revolution, vor Lenin. In Liberec/Reichenberg heiratete er eine Sudetendeutsche und aus dieser Ehe stammt mein Vater. Mein Großvater war also ein Ukrainer und mein Vater ist ein Deutscher. Seine Muttersprache war Deutsch. Natürlich lernte er auch Tschechisch, wie viele Sudetendeutsche, als er auf der Straße mit tschechischen Kindern spielte."Die Jury bewertete die außerordentliche Stellung von Pavel Brycz im Kontext der gegenwärtigen tschechischen Literatur. Er öffne die tschechische Prosa anspruchsvollen Themen und bringe eine Reflexion der neuzeitlichen Geschichte, und zwar mit ungewöhnlicher Erzählkunst und stilistischer Bravour, heißt es. Warum stellt seiner Meinung nach seine Chronik in der modernen tschechischen Literatur eine Ausnahme dar, fragte Radio Prag den Autor selbst:
"Ich habe eine Theorie. An meinem Beispiel kann man sehen, dass ich mir einen großen Bissen vorgenommen habe und sieben Jahre damit beschäftigt war. Sieben Jahre lang mit so etwas zu leben, das ist sehr anspruchsvoll. In der heutigen schnellen Zeit, in der niemand genug Zeit hat, um Inspiration zu sammeln oder sich irgendwo einzuschließen und zu schreiben, schreibt man lieber etwas Unmittelbares, was nicht so viele Recherchen erfordert. Man schreibt eher unmittelbare Sachen darüber, was man am besten kennt. Ich nenne dies Geschichten aus dem Ferienlager oder aus dem Militärdienst, die nicht so anspruchsvolle Themen bearbeiten. Das ist wohl der Grund."
Die Tradition der staatlichen Literaturpreise wurde in der Ersten tschechoslowakischen Republik gegründet und nach der Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg 1947 wieder aufgenommen. Während des Kommunismus war der Preis mit dem Namen des Präsidenten Klement Gottwald verbunden und wurde als solcher 1989 zum letzten Mal verliehen. Erneut wurde er im Jahre 1995 vergeben und seither bereits zehn Mal.