Staatsministerin Haderthauer: Bayerns Firmen hoffen auf qualifizierte Kräfte im produzierenden Bereich

Christine Haderthauer (Foto: Sigismund von Dobschütz, Creative Commons 3.0)

Der Freistaat Bayern intensiviert seine Beziehungen zur Tschechischen Republik. So jedenfalls kann man die Häufigkeit der Arbeitsbesuche bayerischer Minister in Tschechien interpretieren, die es seit der ersten Prag-Visite des bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer im vergangenen Dezember gegeben hat. Am Dienstag traf sich die bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Christine Haderthauer, mit ihrem tschechischen Amtskollegen Jaromír Drábek.

Christine Haderthauer  (Foto: Sigismund von Dobschütz,  Creative Commons 3.0)
Horst Seehofers Besuch in Prag sei zweifelsohne ein wichtiger Schritt gewesen, um den Dialog zwischen Bayern und Tschechien auf eine neue Stufe zu setzen, eröffnete Staatsministerin Haderthauer. Unabhängig davon gibt es eine ganze Reihe von neuen Themen, bei denen beide Seiten eng kooperieren wollen. Die aktuell im Raum stehende Sache ist dabei die Arbeitnehmer-Freizügigkeit, die die Tschechen nun ab dem 1. Mai in der gesamten EU wahrnehmen können. Deutschland war neben Österreich eines der beiden EU-Länder, das in punkto Freizügigkeit die komplette Übergangsdauer von sieben Jahren ausgeschöpft hat. Jetzt aber passt auch den Bayern die Öffnung des Arbeitsmarktes sehr gut ins Konzept. Christine Haderthauer:

„Ich glaube, dass es auch deswegen ein psychologisch wichtiger Moment ist, weil wir jetzt eine ganz andere Situation in Bayern und in Deutschland haben als noch vor einigen Jahren. Wir haben jetzt eine wesentlich bessere Arbeitsmarktsituation. Wir haben in manchen Regionen Bayerns zum Teil Vollbeschäftigung. Das heißt, es gibt auch eine Suche nach geeigneten Arbeitskräften in manchen Branchen und Bereichen und durchaus eine Stimmung des Willkommens für tschechische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

Die Vorfreude der bayerischen Firmen auf Arbeitsnehmer aus Tschechien und weiteren jüngeren EU-Staaten beruht natürlich in erster Linie auf einem wirtschaftlichen Aspekt: Die Unternehmer hoffen, gute und qualifizierte Kräfte für weniger Lohn einstellen zu können. Ein nachvollziehbarer Gedanke, so die Staatsministerin, aber nicht der einzige Punkt, der zu bedenken sei:

„Eine andere Frage ist natürlich, wie das die Bevölkerung sieht, die in Zeiten der höheren Arbeitslosigkeit schon Ängste hatte, dass sie einem Lohn-Dumping nach unten ausgesetzt wird. Ich will auch nicht ausschließen, dass das passieren kann. Aber ich denke, das muss sich eben in einem Markt auch regeln, über Qualität und Produktivität.“

Foto: Kristýna Maková,  Tschechischer Rundfunk
Und die bayerische Arbeitsministerin weiß natürlich auch, in welchen Bereichen bayerische Unternehmer und Privatpersonen besonders stark auf Arbeitskräfte aus Tschechien hoffen:

„Man erwartet hier wirklich fundierte, gut ausgebildete Leute im handwerklichen Bereich, aber auch im Produktionsbereich. Eine Wirtschaft lebt ja davon, dass sie nicht nur Kopfspezialisten, sondern auch gute Handwerker hat – Handwerker im übertragenen Sinne, also Menschen, die im produzierenden Bereich tätig sind. Hier erwartet man sich durchaus ein Potential. Ein weiteres Potential liegt möglicherweise im Bereich der sozialen Berufe und der Hilfstätigkeiten, ob das nun im Haushalt, im Pflegebereich oder in anderen Bereichen ist.“

Jaromír Drábek  (Foto: ČTK)
Um bei Firmen in Bayern oder auch deutschen Unternehmen, die langfristig in Tschechien tätig sind, schnell Fuß zu fassen, sind deutsche Sprachkenntnisse nur von Vorteil. Umso nachdenklicher stimmt die Staatsministerin ein Trend, der an tschechischen Bildungseinrichtungen immer mehr Schule macht: Beim Wahlfach Sprachen wird nahezu blind nur auf Englisch gesetzt. Deshalb war dies auch Thema beim Treffen mit ihrem Amtskollegen Drábek, betont Christine Haderthauer:

„Ich habe das deshalb ganz konkret angesprochen – und der Sozialminister hat es mir auch bestätigt, wenn er sagt: Es gibt einen Trend in der jüngeren Generation, der sehr stark zum Englischen geht. Die Jugendlichen sehen den Wert nicht mehr, den das Deutsche für sie hat. Mein Appell war, ihnen diesen Wert wieder deutlicher zu machen. Denn mir nützt eine Wahlfreiheit in der Schule nichts, wenn die Kinder alle Englisch wählen, weil sie überhaupt nicht realisieren, was für ein Qualitätsfaktor es in vielen Firmen ist, die hier tätig sind, wenn sie Deutsch zusätzlich können.“