Startschwierigkeiten für das digitale Fernsehen in Tschechien
Ab Mai kommenden Jahres hätte in Tschechien das Angebot an Fernsehprogrammen wesentlich größer werden sollen. Im Zuge des allmählichen Übergangs zu einer digitalen Übertragung des Fernsehsignals wurden bereits vor einigen Monaten die ersten sechs Sendelizenzen für ausschließlich digitale Fernsehprojekte vergeben. Doch ein Gerichtsbeschluss hob unlängst diese Lizenzen auf. Mehr über die Hintergründe sowie die möglichen Folgen erfahren Sie von Robert Schuster.
Der Beginn des digitalen Zeitalters in Tschechien wird noch einige Zeit auf sich warten lassen müssen. Der Grund ist die Entscheidung eines Prager Gerichts von vergangener Woche, mit der die sechs bereits im Frühjahr vergebenen Fernsehlizenzen wieder aufgehoben wurden. Die Richter gaben somit einer Klage des größten tschechischen privaten Fernsehkanals, TV Nova, statt. Der Sender, dessen digitale Fernsehprojekte bei der Lizenzvergabe vom tschechischen Fernsehrat nicht berücksichtigt wurden, zog vor Gericht, weil sich im Verlauf des Auswahlverfahrens für eine Sendelizenz die Regeln geändert hätten. Die Richter schlossen sich dieser Meinung an und nun muss das Auswahlverfahren neu stattfinden. Im Endeffekt könnte es sogar zu einer Neuausschreibung kommen. Die Folge wäre dann eine Verzögerung bei der Einführung des digitalen Fernsehens um einige Jahre.
Im Prinzip ist die Abschaltung der herkömmlichen analogen Sendeanlagen beschlossene Sache. Gemäß einer Verordnung der Europäischen Kommission, sollen die Anlagen spätestens im Jahr 2010 außer Betrieb genommen werden. Einer der maßgeblichen Gründe dafür ist schlicht der Mangel an freien Frequenzen, der einer Fortentwicklung des bestehenden Fernsehangebots im Wege steht. Das terrestrische Fernsehsignal soll dann digital und damit auch in einer effizienteren, weil komprimierten, Form verbreitet werden. Bis aber die analogen Anlagen abgeschaltet werden, muss zumindest in Tschechien noch ein weiter Weg zurückgelegt werden. Es gibt zum Beispiel immer noch keinen für alle Betreiber verbindlichen Zeitplan, bis wann die analogen Anlagen abgedreht werden sollen.
Allem voran muss die Verbreitung des digitalen Signals erweitet werden. Bislang können nämlich Rundfunk- und Fernsehprogramme in digitaler Qualität nur versuchsweise empfangen werden und das auch noch ausschließlich im Ballungsraum der drei größten Städte Tschechiens, also in Prag, Brünn und Ostrau. Auch aus diesem Grund haben sich viele Experten von den sechs neuen Anbietern eine Belebung der Fernsehlandschaft versprochen, wie auch einen verstärkten Druck auf einen weiteren Ausbau der digitalen Empfangsmöglichkeiten.
Dennoch kam die jüngste Gerichtsentscheidung über die Aufhebung der ersten sechs digitalen Fernsehlizenzen nicht ganz unerwartet, wie der Medienexperte und Journalist Jan Potucek im Gespräch mit Radio Prag meint. Potucek ist unter anderem auch Chefredakteur von www.digizone.cz - eines speziell dem Thema Digitalisierung gewidmeten Informationsservers:"Eigentlich war das zu erwarten, weil die erfolglosen Bewerber um eine Sendelizenz nur eine Möglichkeit haben, wie sie gegen die Entscheidung des Fernsehrates Stellung beziehen können - nämlich, in dem sie vor Gericht gehen und dort die Entscheidung anfechten. Absehbar war das schon deshalb, weil die Begründung des Fernsehrates, warum sie die ersten sechs Lizenzen vergeben hat, einige Lücken aufwies, uns es war zu erwarten, dass etwaige Klagen erfolgreich sein werden."
In wie weit ist nun die Entscheidung des Gerichts endgültig, bzw. wie wird die weitere Vorgehensweise sein?
"Das hängt ganz davon ab, wie das Urteil in seiner schriftlichen Form aussehen wird. Darauf warten sowohl die Mitglieder des Fernsehrates wie auch die Bewerber um eine Lizenz, egal ob sie eine Zusage bekamen oder das Nachsehen hatten. Dann kann erst entschieden werden, ob die Lizenzen neu vergeben werden, oder ob das bereits im Jahr 2004 eingeleitete Auswahlverfahren fortgeführt werden kann. Dann würde der Fernsehrat unter den ursprünglich vierzig Bewerbern wieder die gleichen sechs aussuchen wie beim ersten Mal,. Der Fernsehrat müsste jedoch diesmal seine Entscheidung besser begründen, um sich sicher gegen mögliche Anfechtungen vor Gericht zu machen. Der Fernsehrat muss also sowohl begründen, warum er einem konkreten Bewerber die Lizenz erteilt, gleichzeitig aber auch, warum er den anderen die Lizenz nicht erteilt hat."
Blickt man genauer auf die Gründe, warum mit TV Nova gerade ein großer privater Kanal vor Gericht ging, kommt man schnell zum Schluss, dass auch starke wirtschaftliche Interessen dahinter standen. Sollten nämlich die neuen digitalen Programme nicht im Jahr 2008 auf Sendung gehen, hätte das große Folgen für den tschechischen Werbemarkt. Da im gleichen Jahr auch das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen gänzlich auf die Einkünfte aus der Werbung verzichten muss, werden sich dann den ungefähr 9 Milliarden Kronen (umgerechnet 320 Millionen Euro) großen Werbemarkt zur Gänze die beiden bisherigen landesweiten privaten Fernsehsender TV Nova und Prima unter sich aufteilen können.
In welcher Phase waren eigentlich die Vorbereitungen für den Start des digitalen Fernsehens bei den sechs ursprünglich ausgewählten Projekten? Jan Potucek:
"Entsprechend der Gesetzeslage hätten die Betreiber bis spätestens 10. Mai nächsten Jahres auf Sendung gehen sollen. Nach dem jüngsten Gerichtsbeschluss kommt es aber drauf an, ob das Auswahlverfahren für die Lizenzen neu stattfinden wird, oder nicht. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte der Fernsehrat bereits im Herbst die Lizenzen neu verteilen. Dann beginnt per Gesetz eine Frist von 360 Tagen zu laufen, binnen der das digitale Fernsehen auf Sendung gehen muss. Sollte es aber zu einer Neuausschreibung des ganzen Auswahlverfahrens kommen, könnte sich der Sendestart um bis zu zwei Jahre verzögern."
Wie ist es zu erklären, dass immer, wenn es in Tschechien um die Vergabe von Sendelizenzen geht, Schwierigkeiten fast schon Gang und Gebe sind - wie jetzt wieder bei den sechs ersten digitalen Fernsehlizenzen? Vielen Tschechen ist heute noch der langwierige Streit um TV Nova in Erinnerung, der fast auch zu diplomatischen Problemen führte, weil sich der ursprüngliche amerikanische Investor und Lizenzinhaber um sein investiertes Kapital betrogen fühlte. Auch im Fall der nun aufgehobenen digitalen Sendelizenzen drohen dem Land von Seiten der Betreiber Schadensersatz-Klagen in Millionenhöhe. Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Medienexperten Jan Potucek vom Informationsserver zur Digitalisierung www.digizone.cz :"Das größte Problem ist das gegenwärtige Rundfunk- und Fernsehgesetz aus dem Jahr 2001. Dort steht unter anderem, dass der Fernsehrat, wenn er eine Sendelizenz vergibt, diese Entscheidung nicht nur gegenüber dem Sieger begründen muss, sondern auch gegenüber den Unterlegenen. Und darin liegt das Problem, weil die Anwälte jener Unternehmen, die nicht den Zuschlag bekommen haben für die Sendelizenz in der Begründung natürlich immer wieder etwas finden können, womit sie dann vor Gericht erfolgreich argumentieren können. Solange sich dieses Gesetz nicht ändern wird, sind weitere Probleme vorprogrammiert. Es darf aber nicht vergessen werden, dass die jetzigen Schwierigkeiten mit den digitalen Sendelizenzen nur die Spitze des Eisbergs bilden, weil sich diese Situationen regelmäßig bei der Vergabe von regionalen kommerziellen Rundfunklizenzen wiederholen, nur wird darüber eben nicht gesprochen und geschrieben."