Stromnetze: Tschechien überlegt von Deutschland Transitgebühren zu verlangen

Foto: Europäische Kommission

Seit vielen Jahren schon kritisieren tschechische Politiker, dass das Energienetz ihres Landes immer wieder Strom aus deutschen Windkraftwerken aufnehmen muss und dabei an seine Belastungsgrenzen gerät. Nach tschechischen Berechnungen sollen diese Fälle noch zugenommen haben, seit im Nachbarland der Atomausstieg eingeleitet wurde. Hintergrund ist, dass Deutschland selbst beim Ausbau seines Stromnetzes nicht hinterherkommt. Im Herbst hatten die Politiker in Prag deswegen den Einbau so genannter Phasenschieber erwogen. Doch nun gibt es eine neue Idee.

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Die neue Idee ist eine Netzgebühr für den Transit deutschen Stroms. Gleich zwei tschechische Politiker haben in der vergangenen Woche das Thema in die Welt getragen: Premier Petr Nečas, der in Berlin bei einer Konferenz der deutschen CDU sprach. Und Industrie- und Handelsminister Martin Kuba, der sich in Paris mit Vertretern aus den anderen atomfreundlichen EU-Staaten traf. Nečas versicherte bei der Konferenz gegenüber deutschen Politikern, dass der Einbau von Phasenschiebern an den Übergängen vom deutschen ins tschechische Stromnetz kein Thema mehr sei.

Erwogen werden hingegen Netzgebühren. Industrieminister Kuba war nach dem Treffen der atomfreundlichen EU-Staaten am Sonntag Gast im Tschechischen Fernsehen bei einer politischen Talkshow. Dort erläuterte der Minister, dass Tschechien immer wieder überschüssigen Strom aus den Windkraftanlagen Norddeutschlands übernehmen müsse, weil das deutsche Stromnetz noch nicht genügend ausgebaut sei – und dies geschehe unter Bedrohung der eigenen Leitungen:

Martin Kuba,  foto: ČTK
„Sollte die deutsche Infrastruktur weiter zurückbleiben und die Energieversorgung und die Stromnetze bei uns bedrohen, dann müssen wir wirklich die Interessen der Tschechischen Republik verteidigen und uns sehr real darüber unterhalten, ob Deutschland nicht einen Betrag für die Übertragung des Stroms zahlen sollte. Wir könnten das Geld dann in den Ausbau unseres Netzes investieren.“

Tschechien sei schließlich Transitland für Strom, der in die südlichen Bundesländer fließen sollte, argumentieren tschechische Regierungspolitiker. Zugleich ist nicht nur Deutschland, sondern auch Tschechien im Hintertreffen beim Ausbau des Netzes. In den kommenden Jahren will der Staat deswegen zwei Milliarden Euro investieren. Wie indes eine Erhebung der Gebühren konkret vonstatten gehen könnte, das sagte Kuba nicht.

In jedem Fall entspricht die Höhe der benötigten Investitionen in das tschechische Netz ungefähr dem Preis für eventuelle Phasenschieber an der deutschen Grenze. Auch das scheint ein Argument zu sein, um nicht den Weg von Polen zu gehen. Warschau ist mittlerweile so genervt, dass es die Kosten nicht scheut und mit den Spezial-Transformatoren sein Netz vor dem deutschen Ökostrom schützen will.