Sturm der Entrüstung: Windpark Moldava erhält grünes Licht
Nachdem die Entscheidung jahrelang in der Schwebe stand, ist sie nun, zumindest auf tschechischer Seite, gefallen: Das Prager Umweltministerium hat den Bau eines Windparks bei Moldava / Moldau nahe der sächsischen Grenze genehmigt. 18 einzelne Windräder sollen errichtet werden, mit einer Gesamtleistung von 54 Megawatt. Der Investor EP Renewables muss allerdings fast 120 Auflagen erfüllen, die das Ministerium als Bedingung für das Bauvorhaben stellte. Die Gegner des Projekts zeigten sich von der Entscheidung geschockt.
„Das Ergebnis ist derart tendenziös und unhaltbar gegenüber der Fachöffentlichkeit, dass es mich furchtbar aufregt. Und ich denke sogar, dass der für das Gutachten verantwortlichen Person die Lizenz entzogen werden sollte. Ich werde einen solchen Antrag stellen.“
Der Ort Holzhau liegt auf der sächsischen Seite nahe der tschechischen Grenze. Die Einwohner gründeten schon 2009 die Bürgerinitiative „Gegenwind“, um den Bau der geplanten Windkraftanlage zu verhindern. Der Sprecher der Initiative, Michael Eilenberger, bezweifelt, dass es bei der Untersuchung mit rechten Dingen zuging.„Es wurde zwar gesagt, dass es eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung ist, aber auf die Schutzinteressen auf deutscher Seite wird ja so gut wie überhaupt nicht eingegangen. Man kommentiert das zwar, aber am Ende kommt man immer wieder zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen letzten Endes so gering sind, dass man das Bauvorhaben realisieren kann.“
Das tschechische Umweltministerium hat seine Entscheidung am Montag vergangener Woche getroffen: Der Bau des Windparks wurde genehmigt. Um die Schäden an der Natur in Grenzen zu halten, verfasste das Ministerium eine lange Liste mit Auflagen, die als Bedingung für den Bau gelten. So müssen beispielsweise große Anlagenbauteile mit Hubschraubern angeliefert werden. Das soll verhindern, dass man im Bereich der Zufahrtsstraßen Bäume fällt. Eilenberger denkt aber, dass die erteilten Auflagen nicht von großer Bedeutung sind.„Einige Auflagen könnten, wenn sie ernst genommen werden, das Projekt in Frage stellen. Aber man weiß natürlich auch, unter welchem hohen politischen Druck das Ganze entsteht. Dahinter steht auch ein politisches und ideologisches Interesse. Deshalb habe ich da meine Bedenken. Es sind zwar Auflagen da, aber man findet immer Möglichkeiten, diese schnellstmöglich zu erfüllen, um der Sache keine Steine in den Weg zu legen.“
Der Windpark habe große Konsequenzen für die sächsische Seite der Grenze.„Die erste Auswirkung ist, dass sich das Projektgebiet in einem europäischen Schutzgebietsystem befindet. Das heißt, dass sich sowohl auf tschechischer als auch auf deutscher Seite Vogelschutzgebiete befinden. Diese wurden ausgewiesen, um bestimmte Vogelarten wie den Schwarzstorch und das Birkhuhn zu schützen. Nun ist es so, dass durch diesen massiven Eingriff die Schutzgebietsinteressen massiv verletzt werden“, so Eilenberger.
Doch die Verletzung der Vogelschutzbestimmungen sei nicht das einzige Problem, das durch die 18 geplanten Windräder entstehen würde. Ivana Ježková von der Bürgerinitiative „Přátelé zeleného údolí Muldy“ (Freunde des grünen Tals der Mulde) behauptet, auch im Gutachten zur möglichen Lärmentwicklung seien Fehler begangen worden. So seien weder die deutschen noch die tschechischen Verordnungen berücksichtigt worden.„Im Gutachten sind Fehler. Bei den Messungen sind immer Ungenauigkeiten möglich. Und wenn man mit diesen Ungenauigkeiten beim Betrieb der Anlage rechnet, dann sollte man diese Ungenauigkeiten auch in der Vorbereitungsphase ins Gutachten einbauen. Aber das ist hier nicht geschehen.“
Der Investor versucht indes, die Lärmbelästigung kleinzureden.„Für den Fall, dass die Lärmemissionen tatsächlich über dem Grenzwert liegen sollten, wird die Leistung der Windräder in den Nachtstunden gedrosselt“, so František Čupr, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates von EP Renewables.
Michael Eilenberger von „Gegenwind“ befürchtet, dass vor allem der Tourismus im Erzgebirge unter den bis zu 175 Meter hohen Windrädern leiden werde:
„Die Leute kommen hierher, um die Landschaft und die vielen kleinen Details zu genießen, die sich hier wie eine Perlenkette aufreihen – sowohl auf deutscher als auch auf tschechischer Seite. Wir befürchten einfach, und das bestätigen auch aktuelle Studien, dass durch diese technogene Überprägung des Gebietes dann auch die Touristen ausbleiben.“
In den vergangen Jahren versuchte sich die Bürgerinitiative mit verschiedenen Kampagnen aktiv in das Geschehen einzumischen.„Wir haben eine ganze Reihe von Aktionen durchgeführt. Es gab Demonstrationen, die an der Grenze stattgefunden haben, und wir informieren ständig die Presse über aktuelle Dinge. Wir haben eine Fahrradtour gemacht nach Prag und dort Protestschreiben übergeben. Wir haben eine Ballonaktion gemacht, um zu zeigen, wie hoch die Windkraftanlagen dann in der Landschaft stehen. Und es werden auch weiterhin Demonstrationen stattfinden, in denen wir einfach unseren Unmut über diesen massiven Eingriff zum Ausdruck bringen.“, so Eilenberger.
Die Kritik an dem geplanten Windpark richtet sich jedoch nicht gegen die Windkraft, sondern lediglich gegen den gewählten Standort. Das betont Joachim Schruth, Ansprechpartner für Planungsvorhaben und Recht beim Naturschutzbund in Sachsen:„Es geht uns in keiner Weise um Kritik an der Politik der erneuerbaren Energien. Wir müssen raus aus der Braunkohle, raus aus der Atomkraft, und da sind die erneuerbaren Energien ganz wichtig. In punkto Windkraft gibt es aber einige wenige Gebiete, wo aus Gründen des Natur- und Artenschutzes das Vorhaben versagt werden muss. Und da gehört das Vorhaben Windpark Moldava eigentlich dazu.“
Der Naturschutzbund Sachsen hat in den vergangenen vier Jahren fünf Stellungnahmen über die Umweltbelange im Naturschutzgebiet an das tschechische Ministerium geschickt. Keine davon wurde in die Umweltverträglichkeitsprüfung aufgenommen. Nun, nach der Genehmigung des Windparks, hat sich der Naturschutzbund mit einer Beschwerde an die Europäische Kommission gewendet. Aufgrund des europäischen Umweltverbandsklagerechts könnte der Naturschutzbund aber auch Klage gegen die Entscheidung des Ministeriums einreichen. Sollte die Beschwerde keine Beachtung finden, wird dies der nächste Schritt sein.
Die Windparkgegner aus Deutschland und Tschechien arbeiten für ihr Anliegen im Übrigen eng zusammen, so Michael Eilenberger:„Wir haben guten Kontakt mit unserer Partner-Bürgerinitiative in Moldava. Außerdem hatten wir auch schon ein gemeinsames Treffen mit einem Rechtsanwalt aus Prag, der sich mit der ganzen Problematik auskennt. Und dort wird jetzt geprüft, wie man das ganze Verfahren zunächst in der Tschechischen Gerichtsbarkeit anfechten kann.“