Subversive Raucher-Dandys gegen staatliche Gesundheitspolitik

Von Frankreich machen wir jetzt einen Sprung auf die britische Insel. Großbritannien hat die höchsten Tabaksteuern in der Union, und dennoch raucht ein Viertel aller erwachsenen Briten - nur etwas weniger als im EU-Schnitt. Auch in Großbritannien kosten typische Raucherkrankheiten den Gesundheitsdienst Milliarden. Im Sommer 2007 soll daher ein umfassendes Rauchverbot in Gebäuden in Kraft treten. Ausnahmen: Privatwohnungen, Altenheime, Gefängnisse, Hotelzimmer, und - das britische Parlament. Wie sich wohl die Raucher im Londoner Sheridan Club mit dem neuen Gesetz abfinden werden? Ruth Rach berichtet aus Großbritannien:

Einmal im Monat treffen sich britische Dandys im Sheridan Club, um der vulgären Gegenwart zu entfliehen. Dandys verstehen sich als eine winzige subversive Minderheit. Sie setzen der globalen Diktatur von Jeans und Baseballcaps ihre maßgeschneiderten Tweedjacken, Seidenhalstücher und Zylinder entgegen. Im Sherdian Club parlieren sie mit gesitteter Selbstironie über lebenswichtige Dinge wie Krawattenknoten, Uhrketten, die okkulten Eigenschaften des gewachsten Schnurrbarts und natürlich über nikotinische Kunst - sprich: das Pfeifenrauchen.

"Pfeifenrauchen ist eine ästhetische Angelegenheit, ein Ritual, das man mit entsprechend viel Zubehör zelebrieren muss. Ein Pfeifenraucher sagt: Ich nehme mir Zeit für die Dinge im Leben, die wirklich zählen", sagt einer der Stammgäste.

Ob stilvolle Pfeifen oder vulgäre Glimmstängel, künftig werden alle Raucher in Großbritannien ihrer nikotinischen Kunst nur noch in den eigenen vier Wänden frönen können, oder in der freien Natur. Laut Parlamentsbeschluss ist Qualmen künftig nicht nur in britischen Kneipen, sondern auch in sämtlichen Privatclubs verboten. Das generelle Rauchverbot erstreckt sich auf Kinos, Büroräume, Fabrikhallen, öffentliche Verkehrsmittel, kurzum alle geschlossenen öffentlichen Räume. Selbst der gute Sherlock Holmes müsste auf seine wichtige Denkhilfe, die Pfeife, verzichten.

"Dies ist ein historischer Tag", frohlockt die britische Gesundheitsministerin Patricia Hewitt nach der Abstimmung im Unterhaus. Weniger Feststimmung herrscht hingegen in britischen Kneipen:

"Das verstößt gegen die Menschenrechte!" wettert ein Kunde. Wenn er auf sein Zigarettchen verzichten muss, bleibt er lieber daheim. Dann werde eben seine Familie vollqualmen.

Die Mehrheit der Briten begrüßt aber das Rauchverbot. Laut Umfragen würden 70 Prozent das Verbot noch ausweiten: auf Privathaushalte mit Kindern und schwangeren Frauen. Und 48 Prozent würden Tabak sogar ganz verbannen. Das Verbot tritt in England im Sommer 2007 in Kraft. Wird es ignoriert, müssen die Kneipenbesitzer bezahlen - bis zu 3700 Euro. Britische Wirte befürchten riesige Umsatzrückgänge. Völlig unbegründet, sagen Experten. Professor John Brittan hat die Auswirkungen des Rauchverbots untersucht, das vor zwei Jahren in Irland eingeführt wurde:

"Die Wirtschaftsdaten aus Irland belegen, dass diese Maßnahme kaum finanzielle Nachteile mit sich bringt, aber sehr deutliche gesundheitliche Vorteile: In Irland hat jeder zwölfte Raucher ganz aufgehört. Viele haben ihren Zigarettenkonsum zurückgeschraubt. Die einzigen, denen tatsächlich wirtschaftliche Nachteile entstehen, sind die Tabakkonzerne. Und die werden natürlich auch am heftigsten protestieren."

Autor: Ruth Rach
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