T. G. Masaryk 1932: Schulkinder sollen teilen, um den Frieden zu sichern

T. G. Masaryk

Im November 1932, mitten in der Weltwirtschaftskrise, empfing der tschechoslowakische Rundfunk einen hohen Gast: Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk. Aber nicht die aktuelle Politik oder Wirtschaftsfragen standen auf dem Programm, wie man vielleicht vermuten könnte – Masaryk war ins Aufnahmestudio gekommen, um eine Rede für deutsche Kinder im Schulfunkprogramm einzusprechen. Thema: Der Frieden und was auch Schulkinder tun können, um ihn zu sichern.

„Liebe Schülerinnen und Schüler, gewiss hat man euch zu Hause und in der Schule erzählt, wie fürchterlich der Weltkrieg war. Viele Menschen sind gefallen – vielleicht trauern auch bei euch Familien über den Verlust eines teuren Angehörigen, der aus dem Kriege nicht mehr zurückgekehrt ist.“

Keine abstrakte Abhandlung, keine graue Theorie. Tomáš Garrigue Masaryk weiß, dass er auf diese Weise nichts erreicht. Er möchte den Kindern 1932 verständlich machen, was für ein Glück sie haben, dass sie in friedlichen Zeiten aufwachsen dürfen – Kindern, die den Weltkrieg nicht mehr selbst erlebt haben. Deshalb knüpft er an ihren Erfahrungsschatz an – an die Erzählungen, die sie von zu Hause und aus der Schule kennen. Dann erklärt er, wie jeder zum Erhalt des Friedens beitragen kann:

„Um den Frieden bemüht sich jeder, der ehrlich und solide in seinem Wirkungskreis arbeitet. Achten wir jeden, der seine Arbeit gewissenhaft und energisch leistet, ob Arbeiter, Bauer, Lehrer oder Beamter, wer immer und jeder. Wenn wir alle gewissenhaft arbeiten, werden wir die jetzige schwere Zeit überstehen, in der viele gerne arbeiten würden, aber keine Arbeit finden.“

Die „schweren Zeiten“ von denen Masaryk spricht, sind die Jahre der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933. Damals waren in manchen sudetendeutschen Orten bis zu zwei Drittel, der dort lebenden Menschen arbeitslos. Die Schüler ermuntert er deshalb zu eifrigem Lernen, um ihre zukünftigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Außerdem erklärt er ihnen, dass auch sie im Schulalltag schon etwas für den Frieden tun können:

„Ihr, die hinlänglich versorgt seid, gebet einen Teil denjenigen Mitschülern, die nichts haben. Lasset es nicht zu, dass ein anderer Hunger leide, lasset nicht zu, dass er friere! Aber: Beneidet auch keinen, der mehr hat als ihr.“

Masaryks fast schon biblisch anmutende Worte spiegeln seine Überzeugung wider, dass nur ein christlich-soziales Weltbild zu einer besseren Gesellschaft führen kann. Als Philosoph und demokratischer Humanist entwickelte er Ideen über die Entstehung eines „neuen Menschen“ durch eine bessere Gesellschaft. Eine solche Gesellschaft kann sich aber nur in einer Welt des Friedens entwickeln. Deshalb richtet er am Ende seiner Rede noch einmal einen sehr eindringlichen Appell an seine junge Hörerschaft:

„Die Zeit darf nie wieder kommen, wo die Menschen zu hunderttausenden in den Schlachten dahinstarben, in den Spitälern kläglich zugrunde gingen und als Krüppel nach Hause zurückgekehrt sind. Versprechet mir, dass ihr jeden achten werdet, der ehrlich arbeitet und jedes Volk, welches aufrichtig für die Erhaltung des Friedens bemüht sein wird.“