Tätigkeit von tschechischen Firmen und Unternehmen auf dem Markt der Europäischen Union
Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu einer weiteren Ausgabe von Eurodomino. Heute wollen wir uns mit dem Thema der Tätigkeit von tschechischen Firmen und Unternehmen auf dem Markt der Europäischen Union befassen. Am Mikrophon begrüßen Sie hierzu Martina Schneibergova und Dagmar Keberlova.
Wie manche von Ihnen vielleicht wissen, ist es den tschechischen Bürgern bisher untersagt, ohne eine spezielle Arbeitsbewilligung in den EU-Ländern zu arbeiten. Die Regelung der Freizügigkeit von Arbeitskräften nach der EU-Erweiterung sorgt auch seit Monaten für heftige Diskussionen sowohl in den EU-Ländern als auch in den Kandidatenländern. Doch nicht allen Tschechen ist der Zugang zum europäischen Markt versperrt, ausgenommen sind nämlich die selbständigen Unternehmer. Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 2.Oktober dürfen die EU-Mitgliedsstaaten weder die Tschechen noch andere Bürger aus den Kandidatenländern am selbständigen Unternehmen auf dem Gebiet ihres Landes hindern. Wie die Situation für die Unternehmer in den EU-Ländern bis jetzt war, erklärt Jitka Hanzlickova, Stellvertretende Chefin des Euroservice der Agentur Czechtrade:
"Bisher haben die tschechischen Unternehmer eine Gesellschaft in den EU- Ländern gründen können, sie haben sich allerdings einer langen Reihe von anspruchsvollen Prozeduren unterziehen müssen, weil bei vielen Professionen die örtlichen Behörden viele Bestätigungen und Zeugnisse zur Qualifikation verlangen. Also prinzipiell war es bisher möglich, aber nur bei gewissen Professionen. Es war bisher administrativ sehr kompliziert."
Dies wurde Frau Hanzlickova zufolge wenig genutzt, weil es bisher für den tschechischen Unternehmer nicht sehr günstig war.
Was ändert sich jetzt also für die tschechischen Unternehmer nach dem Beschluss des europäischen Gerichtshofs? Jitka Hanzlickova führt aus:
"Handwerker, Geschäftsmänner und Vertreter weiterer Professionen können sich in den EU-Staaten niederlassen, wobei es wichtig ist, dass diese das Recht auf gleiche Behandlung haben wie Bürger der EU-Mitgliedsstaaten. Die EU-Staaten sind verpflichtet, den Antragstellern ein Aufenthaltsvisum auszustellen, aber nicht uneingeschränkt, erst nach Erfüllung von verschiedenen Voraussetzungen."
Welche Kriterien muss also ein tschechischer Unternehmer erfüllen, bevor er sich zum Beispiel an der spanischen Küste niederlassen kann? Jitlka Hanzlickova gibt die Antwort:
"Die örtlichen Behörden können beispielweise einen vertrauensvollen Unternehmensplan, ausreichende Finanzmittel, einen Nachweis, dass das Verbot der Freizügigkeit von Arbeitskräften nicht verletzt wird und so weiter verlangen. Aber die Länder dürfen nicht das Recht auf Einreise, Aufenthalt und Niederlassung aufgrund der Immigrationspolitik, des schlechten Zustands des dortigen Arbeitsmarktes etc verweigern."
Kann man also erwarten, dass die unternehmungslustigen ihre sieben Sachen packen und ihre Bäckerei auf Sizilien aufmachen werden? Jitka Hanzlickova hierzu:
"Eigentlich erwartet man nicht, dass es zu einer Überflutung des EU-Marktes durch Unternehmer aus Mittel- und Osteuropa kommen könnte. Einer der Gründe ist die Tatsache, dass zur Ausübung vieler Professionen eine besondere Qualifikation notwendig ist und die Verträge über die Anerkennung der Qualifikationszertifikate zwischen den EU- Ländern und den Kandidatenländern bisher sehr limitiert sind. Also aus all diesen Gründen wird es zu keinem massiven Zustrom von Unternehmern aus den Kandidatenländern kommen."
Inwiefern ist also der Beschluss des Europäischen Gerichtshofs für die Bürger aus den Kandidatenländern wichtig?
"Wichtig ist, dass diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs direkt die Anwendbarkeit der europäischen Abkommen bestätigt. Was in der Praxis bedeutet, dass die Bürger bzw. Unternehmer aus Mittel- und Osteuropa sich auf die Bestimmungen der europäischen Abkommen vor den Gerichten der Mitgliedsländern berufen können. Also ein Unternehmer aus der Tschechischen Republik kann vor einem französischen Gericht sein Recht beanspruchen. Das ist eigentlich das wichtigste Ergebnis dieser Entscheidung."
Diese Entscheidung hat aber auch einen Einfluss auf Unternehmer in den bestehenden Ländern der Europäischen Union. Welcher Einfluss das ist, erklärt noch einmal Jitka Hanzlickova:
"Die Folge dieses Beschlusses wird sein, dass die EU-Staaten ihre Ansicht der bisherigen administrativen Praxis ändern müssen. Es werden beispielweise verschiedene administrative Hürden beseitigt werden müssen oder ähnliches. Sie werden einfach gegenüber den Unternehmern aus Mittel- und Osteuropa genauso vorgehen müssen wie sie es gegenüber den örtlichen tun."
Aber es gibt auch die ersten Verlierer, über die die Tageszeitung Mlada Fronta Dnes berichtet hat. Für zwei Tschechen, die zusammen mit einem polnischen Ehepaar und einer Bulgarin einen Erfolg verzeichnen konnten, bedeutet diese Entscheidung gleichzeitig einen Verlust: Das Gericht hat in ihrem Fall entschieden, dass gerade sie nicht in der Union arbeiten dürfen. Und dies aus dem Grund, weil sie nicht als Unternehmer in die EU kamen, sondern als Asylsuchende oder Touristen und Studenten. Einer der Tschechen wollte in Großbritannien als Putzkraft arbeiten, der zweite als Gärtner. Nun haben beide noch eine zweite Chance bekommen, berichtete die Zeitung. Nach ihrer Rückkehr in die Tschechische Republik können sie erneut ein Visumsantrag stellen. Ein Visum würde ihnen einen selbstständigen Erwerb ermöglichen.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt