Tauchexperte Vondrášek: Tiefseerekord im Baggersee

Foto: Facebook Czech Aquanaut: OneWeek

David Vondrášek ist Taucher aus Leidenschaft. Seit den 1980er Jahren verbringt er einen großen Teil seiner Lebenszeit unter Wasser, und als Tauchprofessor an der Prager Sport-Uni hat er sein Hobby mittlerweile zum Beruf gemacht. Nun hat er einen bemerkenswerten Rekord gebrochen – gemeinsam mit einem seiner ehemaligen Studenten verbrachte er über sieben Tage in einer Taucherglocke auf dem Grund eines Baggersees in Südböhmen.

Foto: Facebook Czech Aquanaut: OneWeek

„Man will einfach die Fische sehen und die Freiheit unter Wasser fühlen. Wenn man es einmal gemacht hat, wird es zur Sucht. Ich kann einfach nicht verstehen, warum nicht alle Menschen regelmäßig tauchen“,

so erklärt David Vondrášek seine Leidenschaft für die Tiefe von Seen und Meeren. Angefangen habe alles in den 1980er Jahren, und ein bisschen sei es Zufall gewesen, erzählt er:

„1988 oder 1989 bin ich die Nationalstraße in Prag entlanggeschlendert und habe an einem Schwarzen Brett gesehen, dass es noch Plätze in einem Tauchkurs gibt. Da dachte ich, dass ich das doch einfach ausprobieren könnte. Die Atmosphäre und die Leute beim Kurs waren so super, dass daraus viel mehr geworden ist. Ich konnte mir dann schon kein anderes Leben mehr vorstellen und habe das Tauchen zu meiner Berufung gemacht.“

Er hat seinen Sport schließlich studiert und ist nun Dozent für Tauchen und technische Sportarten an der Sportfakultät der Prager Karlsuniversität.

David Vondrášek und Václav Gabriel  (Foto: Facebook Czech Aquanaut: OneWeek)
Für die Wissenschaft hat David Vondrášek gemeinsam mit seinem ehemaligen Studenten Václav Gabriel einen wahnwitzigen Rekordversuch unternommen – und die beiden waren damit erfolgreich. In einem südböhmischen Baggersee wagten sie sich hinab in rund neun Meter Tiefe. Schließlich blieben sie ganze 168 Stunden und 15 Minuten unter Wasser – also über eine ganze Woche. Wobei sie natürlich nicht in einem Neoprenanzug und mit Sauerstofflaschen am Grund des Sees hockten, sondern in einem sogenannten Taucherzelt:

„Groß ist das Zelt nicht. Viele Leute können sich nicht wirklich vorstellen, dass es sowas gibt und dass man darin wirklich atmen kann. Es ist ein bisschen so, wie wenn man ein Glas mit der offenen Seite nach unten ins Wasser taucht. Wir haben die ganze Zeit in der Luftblase verbracht, die nach diesem Prinzip entsteht. Der untere Teil der Glocke ist offen und bot ein wenig Raum, wo man sich auf Plastikmatten umziehen konnte. Eine Leiter führte dann zum oberen Teil des Zeltes. Es war ein bisschen anstrengend da hoch zu kommen, aber es war auch der einzige Sport, den man da drin machen konnte.“

Im oberen Teil der Glocke befanden sich eine Koje mit zwei Schlafplätzen, Stauräume für persönliche Sachen und Platz für Messinstrumente.

Daten und fades Essen mit Bier ohne Schaum

Doch es ging nicht nur um den Rekord, Vondrášek und Václav Gabriel wollten in erster Linie Daten zum Zustand des menschlichen Körpers nach so langer Zeit in der Wassertiefe sammeln. Sie konzentrierten sich dabei auf die Belastungen bei verschiedenen Bewegungen, wobei eine Unmenge an Daten zusammenkam. Für den leidenschaftlichen Taucher Vondrášek waren aber auch bestimmte Nebeneffekte interessant:

Foto: Facebook Czech Aquanaut: OneWeek
„Noch jetzt kann ich einzelne Lebensmittel nicht auseinanderhalten, ich muss meinen Geschmackssinn erst wieder schärfen. In der Tiefe hat man einfach keinen Appetit. Dabei hatten wir großartiges Tütenessen, das man sich aufwärmen konnte. An der Oberfläche schmeckte das noch sehr gut, unten aber ganz anders. Zusammen habe ich mit Václav Gabriel ein oder zwei Tütchen täglich gegessen, damit kommt man auf in etwa 400 Gramm. Und das war schon sehr viel.“

Der Wasserdruck und die außerordentlichen Verhältnisse in der Tiefe hatten indes auch Einfluss auf das Lieblingslebensmittel der Tschechen:

„Bei der Taucherkrankheit schäumt das Blut im Körper auf, wenn man zu schnell aufsteigt. Ähnlich würde es sich auch beim Bier verhalten unter denselben Bedingungen. Unter Wasser ist der Druck aber gleichbleibend, also explodieren die Flaschen nicht automatisch bei Veränderungen. Der Nachteil ist aber, dass der Druck sehr groß ist und das Bier dann überhaupt nicht schäumt.“

Selbstverständlich sei es aber nicht so gewesen, dass die beiden Sportwissenschaftler nur zum Biertrinken in ihrer Luftblase saßen, lacht David Vondrášek. Allein für eine Dose Gerstensaft hätten sie ihr Team an der Oberfläche nicht um einen der sonst oft nötigen Botengänge bemüht:

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„Wir hatten es ziemlich gut, denn wir wurden von unserem Support-Team unterstützt, das uns bei Bedarf irgendwas herunterschicken konnte. Eigentlich wollte ich ja, dass wir so autark wie möglich sind da unten. Das hat leider nicht ganz geklappt und immer wieder mussten wir etwas an der Oberfläche bestellen. Manchmal war das schwierig, denn oft ist ein Teil der Ausrüstung nass geworden und musste zum Trocknen wieder nach oben.“

In der Kabine selbst war es nämlich relativ feucht, da sie nicht vollständig isoliert war.

Tradition, enge Räume und viel Langeweile

David Vondrášek und Václav Gabriel sind nicht die ersten Tschechen, die sich – inspiriert von Tiefsee-Legende Jacques-Yves Cousteau – auf den Grund von Seen und Meeren wagen.

„Alle unsere Vorgänger haben sich Kabinen tief im Meer gebaut. Sie schufen die ersten Unterkünfte, um eine Zeitlang im Wasser leben zu können. Ansonsten ist es ein bisschen so, als ob man den Urwald vom Flugzeug aus erkunden wollte. Die verborgene Welt lernt man wirklich erst kennen, wenn man mittendrin ist. Und gerade das will ich, ich will einfach unterhalb des Meeresspiegels wohnen. Mit unserem Rekord habe ich mir also einen Traum erfüllt.“

Einer der Pioniere hierzulande ist Pavel Gros, übrigens ein guter Bekannter von Tauchprofessor Vondrášek. Der Abenteurer hatte eines der ersten sogenannten Unterwasser-Zelte konzipiert und gilt als Vorreiter der Tiefseearchitektur. Diese ist damals wie heute nicht sehr geräumig, wie auch David Vondrášek bestätigt. Hinzu kommt noch die Langeweile. Diese herrscht gar nicht so sehr in der Taucherglocke, wo man immer viel zu tun hat. Dafür aber umso mehr in der Dekompressionskammer. Bei zu schnellem Auftauchen kann das Blut nämlich durch den Druckunterschied aufschäumen wie Champagner – das ist die sogenannte Taucherkrankheit. Deshalb muss man mehrere Stunden in einer speziellen Anlage verbringen – man wartet, bis der Druck im Körper langsam ausgeglichen ist und muss irgendwie die Zeit totschlagen:

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„Wenn man eine Dekompressionsglocke am Strand hat, dann kann man mit den Steinchen spielen und Fische beobachten. Auf offener See ist das ein bisschen langweiliger. Da holt man halt seinen Block raus und spielt zum Beispiel ‚Vier gewinnt‘. Oder man schläft einfach ein, zumindest für eine Weile.“

David Vondrášek gibt jedoch zu, dass er und sein Kollege sich die Wartezeit durch einen Kniff verkürzt haben. Sie atmeten in ihrer Glocke immer wieder Luft mit einem hohen Sauerstoffgehalt, was den Druck im Blutkreislauf mehr oder weniger stabil hielt. Insgesamt ist heutzutage in den Sauerstoffflaschen laut Vondrášek schon lange nicht mehr nur Luft. Vielmehr sei es ein Gasgemisch, das bei dem hohen Druck möglichst effizient die Lungenfunktionen auf Normalniveau hält, erläutert der Profi.

Ein schmaler Grat zwischen Leben und Tod

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Tauchdozent Vondrášek ist wie gesagt über eine Anzeige am Schwarzen Brett auf seinen Sport aufmerksam geworden. Trainiert wurde er jedoch von professionellen Armeetauchern des tschechoslowakischen Militärsportverbands Svazarm. Von heutigen Inseraten für schnelle Tauchkurse rät der Profi ab:

„Da sieht man auf Webseiten oft irgendwelche Werbebanner, dass man unbedingt den oder den Kurs versuchen sollte. Davon würde ich mich nicht unbedingt locken lassen. Auf jeden Fall würde ich mir immer Meinungen von Leuten einholen, die schon einmal einen Kurs bei irgendeinem bestimmten Tauchlehrer absolviert haben. Denn gerade die Ausbilder gestalten den Lehrgang und bilden gute Taucher aus.“

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Und es ist wichtig, sich gut unter Wasser auszukennen, denn Leben und Tod liegen in der Tiefe sehr nah beieinander. David Vondrášek ist selbst einmal in eine kritische Notlage geraten. Er tauchte in einem Stausee in 40 Metern Tiefe in einen überfluteten Keller. Der Schlauch seiner Sauerstoffflasche riss und Vondrášek war kurz vor dem Kontrollverlust. Mit viel Glück konnte er sich aus dem Gewölbe befreien und auftauchen. Erlebnisse wie diese halten ihn aber nicht davon ab, in noch größere Tiefen vorzustoßen:

„Ich hoffe, dass kommendes Jahr unsere Expedition nach Ägypten klappt. Wir wollen uns auf die Spuren der tschechoslowakischen Forschungsreise ‚Koral 85‘ begeben. Die Taucher haben damals am sogenannten Yolanda Reef fotografiert und Filmaufnahmen gemacht, bevor die Klippe dann eingestürzt ist. Das Yolanda Reef wurde nach einem gleichnamigen Wrack benannt, das vor einiger Zeit aber in die Tiefe gestürzt ist. Nun liegt es bei rund 168 Metern am Meeresboden, aber da wollen wir hin und alles dokumentieren.“

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