Tausende Menschen fordern: Präsident Zeman muss abberufen werden
Tausende von Menschen haben sich am Donnerstagabend auf dem Prager Wenzelsplatz versammelt, um gegen die pro-russische Politik von Präsident Miloš Zeman zu protestieren.
Bis zu 20.000 Menschen sind nach Schätzungen der Initiatoren der Demonstration im Laufe des Abends auf dem Wenzelsplatz gekommen. Der Platz war vom Wenzelsdenkmal bis zur Vodičkova-Straße gut gefüllt. Die Teilnehmer der Demonstration hielten wegen der Corona-Pandemie den Zwei-Meter-Abstand zueinander ein und trugen Masken. Viele hatten tschechische Flaggen, EU-Fahnen sowie Transparente mitgebracht, auf denen unter anderem stand: „Zeman – der Hochverräter“, „Wir gehören zum Westen“ oder „Hier ist nicht Russland“.
Einberufen wurde die Demonstration vom Verein „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“. Der Vorsitzende Benjamin Roll fasste die Ereignisse der letzten Zeit zusammen. Er machte auf Zemans Erklärung aufmerksam, mit der er die Teilnahme von Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU an den Explosionen im Munitionslager im mährischen Vrbětice in Frage stellte. Zeman setze die Sicherheit des Landes aufs Spiel, meinte Roll:
„Alles, was Miloš Zeman während seiner Amtszeit in den Beziehungen zu Russland unternommen hat und insbesondere die Art, wie er nach der Enthüllung im Fall Vrbětice weiterhin Desinformationen verbreitet und die tschechischen Geheimdienste in Frage stellt, hat eine eindeutige Bezeichnung: Hochverrat.“
Roll forderte anschließend den tschechischen Senat auf, Schritte zu Zemans Abberufung aus dem Präsidentenamt zu unternehmen.
Auch der Ex-Menschenrechtsminister und Musiker Michael Kocáb ging auf Zemans Haltung in jüngster Zeit ein. Er las ein offenes Schreiben an die Senatoren vor, in dem es unter anderem hieß:
„Präsident Zeman handelt langfristig entgegen den Interessen der Tschechischen Republik sowie deren Souveränität und Sicherheit. Dies bestätigte er erneut mit seiner Rede am vergangenen Sonntag. Deswegen sollte der Senat eine Verfassungsklage gegen den Staatspräsidenten wegen Hochverrat initiieren.“
Kocáb forderte die Demonstranten auf, sich dem Aufruf anzuschließen. Seit der Veröffentlichung vor zwei Tagen haben ihn bis Freitagmorgen schon fast 19.000 Menschen unterschrieben.
Auf der Demonstration sprach auch Eugenie Číhalová. Sie vertritt die in Tschechien lebenden Russen im Regierungsrat für nationale Minderheiten. Ihr Vater, der einst in den Reihen der Weißen Armee kämpfte, ließ sich während der Ersten tschechoslowakischen Republik auf Einladung der damaligen Regierung in Prag nieder. Číhalová warnte vor einer russischen fünften Kolonne in Tschechien, vor Desinformationen und massiver russischer Propaganda:
„Wir fordern alle auf – einschließlich desjenigen, der auf der Prager Burg sitzt – über ihr Verhalten nachzudenken. Sie vertreten die Tschechische Republik und nicht die Russischer Föderation, die eine Nachfolgerin der Sowjetunion ist!“
Die Initiatoren der Demonstration erinnerten zudem daran, dass auch der mutmaßliche Interessenskonflikt von Premier Andrej Babiš (Partei Ano) zur Zersetzung der Tschechischen Republik beiträgt. Sie machten in diesem Zusammenhang auf den Audit-Bericht der EU-Kommission aufmerksam. Darin heißt es, dass Babiš über die Verteilung von EU-Fördergeldern entscheide und gleichzeitig die Führung der Agrofert-Holding wesentlich beeinflusse. Die Gelegenheit für eine Wende nach der jetzigen politischen Krise sehen die Bürgeraktivisten in den Wahlen zum Abgeordnetenhaus, die im Oktober stattfinden.
Demonstrationen zur Kritik an Zeman fanden nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch an weiteren 70 Orten Tschechiens statt. Auch wenn Proteste direkt in seiner Heimatstadt stattfänden, sei er doch nach Prag gereist, ausgestattet mit einem großen Transparent, erzählte ein Aktivist aus Hradec Králové / Königgrätz:
„Mich beunruhigt, in welche Richtung unser Land geführt wird. Ich war während der Revolution von 1989 aktiv und bin empört über die Entwicklung in Tschechien. Ich bin nach Prag gekommen, weil hier doch damals alles angefangen hat. Von hier gehen Impulse in andere Städte aus.“