Temelin - Ein Problem für die CEZ-Privatisierung?

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Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüsst Sie Rudi Hermann. Das im Testbetrieb stehende Kernkraftwerk Temelin in Südböhmen ist ein Evergreen sowohl für die politische wie auch die wirtschaftliche Berichterstattung, und das umso mehr, seit auch Deutschland auf offizieller Ebene Bedenken angemeldet hat. Zwar kann mit einiger Sicherheit wenigstens ausgeschlossen werden, dass Temelin zum Problem für Tschechien bei der EU-Integration wird, denn sowohl der deutsche Aussenminister Joschka Fischer wie auch seine österreichische Amtskollegin Benita Ferrero-Waldner haben zu erkennen gegeben, dass sie eine Verbindung der Temelin-Frage mit der Schliessung des Verhandlungskapitels Energie und damit eine direkte Beeinflussung des tschechischen Beitrittsprozesses ablehnen. Doch auch ohne ein solches Junktim ist Temelin immer für aussenpolitische Probleme gut. Und auch für wirtschaftspolitische, wie wir im Verlauf dieser Sendung aufzeigen möchten.

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Dass die Finanzmärkte auf politische Erschütterungen sehr sensibel reagieren, ist eine bekannte Tatsache. Hätte es eines eindrücklichen Beweises erst noch bedurft, so wäre er Mitte Juli zur Hand gewesen. Auf die Ankündigung des deutschen Umweltministeriums, das quasi im Namen der ganzen Bundesregierung sprach, man hege Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Kernanlage Temelin, und nach deutschen Normen würde diese keine Betriebslizenz erhalten, reagierten die Aktienkurse der tschechischen Energiegesellschaft CEZ mit einem bedeutenden Kursverlust. Dies ist durchaus verständlich. Denn CEZ hat in den letzten Jahren rund 100 Milliarden Kronen, umgerechnet annähernd 2,5 Milliarden US-Dollar, in die Anlage investiert. Bei einem Eigenkapital von CEZ in der Höhe von rund 60 Milliarden Kronen musste notgedrungen ein grosser Teil der Investitionen über Kredite erfolgen. Der Aufruf aus Berlin, Tschechien solle den Verzicht auf eine kommerzielle Inbetriebnahme erwägen, würde im Klartext bedeuten, dass die Investition von 100 Milliarden Kronen ohne Aussicht auf wenigstens eine Teilamortisation abzuschreiben wäre. Mit dieser extremen Variante dürften die Börsenanalytiker zwar nicht gerechnet haben, da die Betreibung von Kernanlagen in der Kompetenz jedes einzelnen Landes liegt und ausländische Regierungen höchstens Wünsche anbringen oder Empfehlungen abgeben, den Betrieb eines Kraftwerks nicht aber verhindern können. Dennoch sackten die Börsenkurse der CEZ-Aktien nach der Bekanntgabe der deutschen Vorbehalte um rund 20% ab. Sie erholten sich zwar am Tag darauf wieder um rund 10%, denn unter den Händlern dürfte es sich herumgesprochen haben, dass die Verluste vom Vortag unangemessen dramatisch gewesen waren und dass jetzt CEZ-Aktien günstig zu haben seien, worauf die Nachfrage wieder anzog. Dennoch ist das Problem Temelin für CEZ damit nicht aus der Welt geschafft, denn die Folgen des offiziell geäusserten deutschen Widerstands greifen tiefer.


Auch indirekter Druck auf politischer Ebene nämlich kann die Position von CEZ als Betreiber von Temelin in Mitleidenschaft ziehen. So liessen die deutschen Energiegiganten E.On und RWE in letzter Zeit durchscheinen, in Tschechien wegen Temelin keinen Atomstrom mehr einkaufen zu wollen. Die beiden Energieunternehmen befinden sich in Deutschland nämlich unter einem gewissen politischen Druck seitens Regierung und Bevölkerung und möchten eine Imageverschlechterung, die sich durch den Einkauf von Temelin-Strom ergeben könnte, vermeiden. E.On hatte zwar zu Beginn des Jahres mit CEZ einen Abnahmevertrag für elektrische Energie mit mehrjähriger Laufzeit ausgehandelt und hätte allein in diesem Jahr 3,5 Terawattstunden Strom aus Tschechien beziehen sollen. Anfang Juli wurde der Vertrag mit CEZ allerdings aufs Eis gelegt. Die deutsche Seite stellte laut tschechischen Presseberichten die Bedingung, tschechischen Strom nur noch dann beziehen zu wollen, wenn es sich nicht um Atomstrom handle. Eine solche Garantie kann und will CEZ aber nicht abgeben. CEZ-Sprecher Ladislav Kriz erklärte gegenüber der Tageszeitung Mlada Fronta dnes, dies würde bedeuten, dass CEZ nicht mehr die volle Entscheidungskompetenz über den Einsatz der eigenen Produktionsquellen haben würde, und diese Kompetenz könne die Gesellschaft nicht aus der Hand geben.

Ein Ausstieg von E.On aus dem Abnahmevertrag mit CEZ würde dem tschechischen Produzenten zwar eine finanzielle Entschädigung in der Höhe von 25 % des Werts des voraussichtlichen jährlichen Liefervolumens eintragen. Doch wäre der längerfristige Preis dafür dennoch sehr hoch, denn der Zugang von CEZ auf den deutschen Markt würde sich damit bedeutend erschweren. Dieses Jahr strebt CEZ Exporte in der Höhe von 12 000 Terawattsunden an, und daran macht der Anteil von E.On mehr als ein Viertel aus. Allerdings darf die Frage gestellt werden, ob die Suppe so heiss gegessen wird, wie sie gekocht wurde. Denn der Direktverkauf ist nur eine von mehreren Möglichkeiten des Stromexports. RWE, der zweite deutsche Konzern, der sich von Temelin offenbar distanziert, bezieht tschechischen Strom über Vermittler. Und dort ist es nicht mehr einfach, wenn nicht gar unmöglich, zu eruieren, auf welche Weise der verkaufte Strom generiert wurde.


Für die Privatisierung von CEZ, von der sich die Regierung satte Einnahmen erhofft, weil mit der Produktionsgesellschaft auch gleich die Staatsanteile an acht regionalen Distributionsgesellschaften zum Verkauf stehen, bedeuten die Probleme um Temelin nichts Gutes. Auf das Geld ist das sozialdemokratische Minderheitskabinett dabei wegen dem klaffenden Loch in den Staatsfinanzen dringend angewiesen, umso mehr, als sich andere Privatisierungen, beispielsweise im Telekomsektor, auch weniger günstig anlassen als erhofft. Wird es allerdings möglich sein, einen Käufer für CEZ zu finden, wenn Teil des Pakets das problematische und ungeliebte Kernkraftwerk Temelin ist? Diese Frage stellt man sich auch im Finanzministerium und hat dazu auch eine Antwort bereit. So wird nicht ausgeschlossen, die zwei Kernkraftwerke Temelin und Dukovany aus der Privatisierung auszugliedern und später, Interessenten vorausgesetzt, separat zu veräussern. Nachrichten, seitens einer britischen Gesellschaft sei solches Interesse bereits signalisiert worden, haben schon die Runde gemacht, wurden allerdings auch wieder dementiert. Die Ausschreibung des staatlichen Mehrheitsanteils an CEZ und der Anteile an den regionalen Distributoren, die im September erfolgen soll, darf deshalb mit Spannung erwartet werden.

Schlagen wir den Bogen nochmals zurück zur deutschen Empfehlung, das Kernkraftwerk Temelin gar nicht in Betrieb zu nehmen. Für Tschechien ist eine solche Variante schlicht undenkbar, und zwar sowohl politisch wie wirtschaftlich. Der zu erwartende Gesamtverlust bei einer Einmottung von Temelin wurde von CEZ-Sprecher Kriz auf rund 115 Milliarden Kronen veranschlagt, also auf fast das Doppelte des CEZ-Stammkapitals. Dies würde die Produktionsgesellschaft in gefährliche Nähe eines Bankrotts mit unabsehbaren Folgen für die tschechische Wirtschaft bringen, und die Vermeidung eines Konkursverfahrens käme die Regierung teuer zu stehen. Auf einem anderen Blatt steht allerdings, ob CEZ mit Temelin nicht Überkapazitäten für seine Produktion geschaffen hat, denn schon ohne kommerziellen Betrieb des neuen Kernkraftwerks werden gegenwärtig nach verfügbaren Informationen rund 20 % der Produktion exportiert. Bei politisch bedingten Absatzproblemen könnte dies für die Gesellschaft zum ökonomischen Problem werden und die Stillegung konventioneller Produktionsquellen erzwingen, allerdings mit den damit verbundenen sozialen Erschütterungen, die schon jetzt die Gewerkschaften in Alarmstimmung versetzt haben. Viel wird von der Verbrauchsentwicklung im Inland abhängen, doch gegenwärtig ist zu sagen, dass über der Zukunft von CEZ noch einige Fragezeichen hängen.