Textilschwemme aus Asien gefährdet die europäische Textilbranche
Nach zähen Auseinandersetzungen in der Welthandelsorganisation (WTO) ist mit dem 1.Januar das Abkommen über Textilien und Bekleidung (ATC) ausgelaufen. Das, was man in Tschechien schon vor diesem Datum als Textilschwemme aus Asien bezeichnen konnte, vervielfacht sich unaufhaltsam weiter. Bereits zwei Monate danach lassen sich negative Folgen absehen. Dieser Tage hat z.B. einer der größten traditionellen Textilproduzenten hierzulande, die Firma Slezan im nordmährischen Frydek - Mistek, massive Kündigungen in Aussicht gestellt. Für eine wesentlich kleinere, bislang allerdings sehr erfolgreiche Firma der Textilbranche hat sich in diesem Zusammenhang Jitka Mladkova im nun folgenden Regionaljournal interessiert.
"Wir leben heutzutage in einer höchst komplizierten Situation. Die Textilbranche kämpft nicht nur in Tschechien, sondern in ganz Europa gegen eine starke Konkurrenz aus Asien. Inwieweit es sich hierbei um eine gesunde Konkurrenz handelt, ist Gegenstand vieler Diskussionen. Es ist allgemein bekannt, dass Textilimporte aus asiatischen Ländern sehr billig sind, aber es interessiert kaum jemanden, ob diese Produkte nicht eine Belastung für die Umwelt darstellen. Für uns europäische Textilproduzenten ist dies aber mit höheren Kosten verbunden."
Die Tradition der Textilherstellung reicht in Nord- und Ostböhmen bis tief ins 19.Jahrhundert zurück. Der Kern der heutigen Gesellschaft Hybler s.r.o./ also G.m.b.H. beruht auf einer Familientradition, die 1894 durch die Grundsteinlegung zur industriellen Spinnerei Benesov u Semil ihren Anfang nahm. Unter Josef Vaclav Hybler, dem Gründer der Gesellschaft, setzte sich auch nach dem Ersten Weltkrieg der Aufschwung der Firma fort. Hybler ließ in der Folge eine neue Weberei zur Garnverarbeitung errichten. Nach dem kommunistischen Umsturz von 1948 wurde die Firma verstaatlicht und erst 1996 aufgrund der erhobenen Restitutionsansprüche und Privatisierungsprojekte der direkten Nachkommen ihres Gründers wurde die Gesellschaft Hybler gegründet. Innerhalb weniger Jahre hat sie sich als einer der bedeutendsten Produzenten von Baumwoll-, Viskose- und Mischgeweben in der Tschechischen Republik etabliert. Worauf die Firma Hybler im Rahmen des Produktionsprogramms großen Wert legt, ist die Einhaltung von Umweltstandards, was ohne Zweifel keineswegs billig ist. Generaldirektor Michael Zaverka:
"Unser Betrieb in Jablonec nad Jizerou hat für 150 Millionen Kronen eine ziemlich große Kläranlage aufgebaut und diese Investition wirkt sich natürlich auf den Haushalt unserer Firma und nicht zuletzt auch auf die Endpreise unserer Produkte aus, die sich logischerweise nicht auf einem so niedrigen Level wie z.B. die chinesischen halten können. Um sich unter den Bedingungen dieser Konkurrenz auf dem Markt durchzusetzen, die Preise auf einem für die Kunden akzeptablen Niveau zu halten und dabei noch Profit zu erzielen, muss man alltäglich einen harten Kampf um Aufträge austragen."
Im Jahre 2004 wurde der Firma Hybler die tschechische Schutzmarke "Ökologisch schonendes Erzeugnis" verliehen. Damit werden Produkte versehen, die die Umwelt nur minimal belasten. Der Markenhalter erfüllt aber gleichzeitig auch die Kriterien der Europäischen Ökomarke. Und so konnten Vertreter der Firma - übrigens als erste in Tschechien - die Ökoschutzmarke der Europäischen Union mit dem Namen "The Flower" am 7.März dieses Jahres aus den Händen des tschechischen Umweltministers Libor Ambrozek entgegennehmen. Die Bedeutung dieser Qualitätsanerkennung ist für Michael Zaverka unumstritten:"Das Ökozertifikat zeugt eigentlich von zweierlei Qualitäten. Zum einen davon, dass unsere Produktion keine Umweltbelastung bedeutet, und zum zweiten, dass auch unsere Produkte aus gesundheitlicher Sicht einwandfrei sind. Darauf mussten wir eigentlich schon die ganze Zeit achten, denn zu unserem Sortiment gehören u.a. auch Produkte für Kinder bis zu drei Jahren wie z.B. Windeln, Frotiertücher, aber auch Kinderbettwäsche u.a.Seit langer Zeit arbeiten wir mit dem Forschungsinstitut für Textilien in Liberec zusammen."
Um das begehrte Ökozertifikat der EU zu erwerben, musste die Firma manches in ihrer Produktion ändern, z.B. bei der Verwendung von Chemikalien oder Farben. Die Tatsache, dass ökologische Aspekte für viele tschechische Kunden, die preisgünstige Textilien asiatischer Herkunft bevorzugen, immer noch wenig wichtig sind, ärgert Generaldirektor Zaverka. Einerseits werde - so sagt er - so viel Aufmerksamkeit auf Fragen verwendet, welches Medikament für das eine oder das andere Leiden geeignet bzw. ungeeignet ist, andererseits kümmere sich hierzulande kaum jemand darum, ob gewisse Textilien nicht gesundheitsschädlich seien. Zaverka spielt hiermit offensichtlich darauf an, dass die z.B. in China gebräuchlichen Methoden der Textilfärbung ökologisch nicht einwandfrei sind. Deshalb plädiert er für mehr Publizität bezüglich der bekannten Mängel bei Textilimporten. Auf die Frage, ob man bei Hybler Semily um die zukünftige Prosperität bangt, sagt er:
" Zu sagen, dass wir keine Angst davor haben, wäre Nonsens. Wir hegen schon Befürchtungen. Ich glaube auch, dass gegenwärtig niemand in der Lage ist, seriöse Prognosen über die künftige Entwicklung der tschechischen Textilbranche etwa für die kommenden fünf Jahre zu entwerfen. Es lässt sich keineswegs ausschließen, dass es zu einer wesentlichen Reduzierung der Textilindustrie kommen könnte. Die Gefahr ist da und es wird vieles davon abhängen, wie groß dann unser Handlungsspielraum sein wird, die Kosten noch weiter zu senken."Die Hybler Semily G.m.b.H. hat Ende der 1990er Jahre eine tief greifende Restrukturalisierung einschließlich einer umfassenden Modernisierung ihrer Technologie durchgemacht, wobei die Produktion in den großen Betrieben in Semily, Jablonec nad Jizerou, Zelezny Brod und in Prepere bei Turnov konzentriert wurde. Zugleich wurde auch die Belegschaft von 1100 auf derzeit 530 Arbeitnehmer reduziert. Heute zählt die Firma zu den wenigen, die in der Textilbranche im Landkreis Liberec/Reichenberg prosperieren. Rund 70 Prozent ihrer Produktion werden derzeit exportiert - vor allem in die EU-Länder - und ihre Probleme wären in Zukunft die Probleme von 530 Arbeitnehmern und ihren Familien. Und dies in einer Region, in der die Arbeitslosenquote ohnehin schon hoch genug ist.