Tote Fürsten bekommen ihr Gesicht zurück
Forschern ist es gelungen, die Gesichter von zwei Fürsten aus dem Haus der Přemysliden zu rekonstruieren, die mehr als 1000 Jahre tot sind.
Tschechische Archäologen haben vor fünf Jahren neue Forschungen an den sterblichen Überresten der Přemysliden in Angriff genommen, die auf der Prager Burg bestattet sind. Sie knüpften damit an eine gründliche anthropologische Untersuchung aus den 1980er Jahren an. Der Archäologe Jan Frolík ist am Projekt beteiligt:
„Zu den neuen Methoden gehören vor allem die Isotopenuntersuchung ihrer Ernährung, die Herkunftsbestimmung durch die Strontiumisotopenanalyse, die Datierung mittels der Radiokarbonmethode und, wo es möglich war, auch die DNA-Analyse.“
Die Schädel von zwei Fürsten aus dem 10. Jahrhundert, Spytihněv I. und Vratislav I., wurden anschließend computergescannt. Das war ein Auftrag für das Team von Geoinformatiker Jiří Šindelář:
„Durch dieses Vorgehen sind wir zu einem sehr genauen Bild der Schädel der jeweiligen Person gekommen. Danach war es kein Problem mehr, ihr Gesicht digital zu rekonstruieren.“
Im Team hat auch der brasilianische Spezialist für 3D-Gesichtsmodelle Cicero Moraes gearbeitet. Man müsse mehrere Punkte auf der Nase und auf dem Mund festlegen, um die Größe der einzelnen Gesichtsteile zu bestimmen, beschrieb er gegenüber dem Tschechischen Rundfunk:
„Nachdem wir die Punkte vermessen hatten, haben wir die Schädel virtuell mit Muskeln versehen. Danach ging es mit der digitalen Modellierung der Schädel und des Gesichts weiter. Abschließend kamen die Farben und die Textur dazu.“
Diese Methode wird seit den 1970er Jahren verwendet. Sie ermöglicht die Anfertigung eines Porträts, bei dem man von 90 Prozent Genauigkeit ausgehtDie Augen- und Haarfarbe der beiden Fürsten wurde aufgrund einer DNA-Analyse bestimmt. Archäologe Jan Frolík ergänzt:
„Ihre Modelle wurden zudem mit zeitgenössischer Kleidung ausgestattet. Dabei haben wir uns auf Handschriften aus dem frühen Mittelalter gestützt. Auch Frisuren und Bart wurden anhand dieser Handschriften gestaltet. Dazu standen uns keine konkreten Fakten zur Verfügung.“
Einige Analysen mussten wegen des hohen Alters der Gebeine wiederholt werden. Die Untersuchung wurde außerdem durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt. Doch die Forschung wird weiter fortgesetzt. Ein wichtiges Datum für ihren Zeitplan ist der 1100. Todestag der heiligen Ludmila, der Přemysliden-Fürstin und böhmischen Landespatronin, im September dieses Jahres, sagt Šindelář:
„Wir haben mit dem Prager Erzbistum abgesprochen, in diesem Jubiläumsjahr die Nachbildung dieser ältesten böhmischen Heiligen vorzubereiten. Zudem werden wir das Gesicht des böhmischen Landespatrons, nämlich des heiligen Wenzel, rekonstruieren.“
Spytihněv I. war ein böhmischer Fürst und Sohn der heiligen Ludmila. Er regierte Böhmen in den Jahren 894 bis 915. Zu seiner Regierungszeit wurde die Prager Burg gegründet. Vratislav I. war sein jüngerer Bruder, der nach Spytihněvs Tod die Herrschaft übernahm. Er starb 921. Die Gräber beider Fürsten befinden sich auf dem Gelände der Prager Burg.