Traktoristin, Mutter, Sexsymbol: Das Frauenbild der Tschechen im Laufe der Jahrzehnte

Werbung und Popkultur beeinflussen das öffentliche Frauenbild nicht nur hierzulande in grundlegendem Maße. Lange unterlag die Darstellung von Frauen in der Tschechoslowakei den politischen Notwendigkeiten. Waren in den Filmen der frühen 1930er Jahre noch moderne, unabhängige und witzige Mädchen zu sehen, dienten Traktoristinnen in ölbeschmierter Arbeitskleidung der kommunistischen Propaganda der 1950er Jahre. Bis zur sogenannten Normalisierung der 1970er Jahre wiederum mussten die emanzipatorischen Ideale einer passiven und traditionellen Mutterrolle weichen. Und in der neugewonnenen Freiheit nach 1989 wurden dann leichtbekleidete Sexsymbole für fast jegliche Reklamezwecke ausgenutzt.

Film „Eva macht Dummheiten“  | Foto:  Tschechisches Fernsehen

Hübsch ist sie, ausgelassen und schlagfertig noch dazu. Nataša Gollová konnte sich in dem Film „Eva tropí hlouposti“ (Eva macht Dummheiten) von 1939 noch von ihrer albernen und befreiten Seite zeigen. Mit einem emanzipierten Frauenbild hatten zuvor schon Streifen wie „Život je pes“ (Das Leben ist ein Hund) von 1933 oder „Ducháček to zařídí“ (Ducháček wird’s einrichten) von 1938 gearbeitet. Kurz darauf hatten weibliche Filmheldinnen aber dann die Mutterrolle am heimischen Herd zu erfüllen – so, wie es die Ideologie der Nationalsozialisten vorsah, die Böhmen und Mähren während des Zweiten Weltkriegs besetzt hielten.

Ähnlich abrupt änderte sich die öffentliche Darstellung von Mädchen und Frauen mit der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei 1948. In Texten und Filmen sowie auf Fotos in Zeitschriften dienten sie nicht mehr der Familie, sondern der Gemeinschaft. Denisa Nečasová ist Historikerin an der Masaryk-Universität in Brno / Brünn:

Denisa Nečasová | Foto:  Masaryk-Universität in Brno

„Die neue sozialistische Frau wurde bis Mitte der 1950er Jahre entweder als politisch engagiert oder als werktätig dargestellt. Sie sah etwas anders aus, als es noch dem Schönheitsideal der Zwischenkriegszeit entsprochen hatte. Die meisten klassischen weiblichen Attribute wurden dabei ausgeblendet.“

Diese neue Frau des Sozialismus trug zumeist Arbeitskleidung und Kopftuch, wurde bei der Feldarbeit oder an schweren Maschinen dargestellt. Vor allem hatte sie dabei laut Nečasová glücklich, gesund und zufrieden zu wirken.

Jakub Machek | Foto:  Institut für das Studium totalitärer Regime

Dies galt auch für das zeitgenössische Kino. Das emanzipatorische Moment habe in den 1950er Jahren eine wichtige Rolle gespielt, sagt der Historiker Jakub Machek von der Metropolitan-Universität Prag:

„In den Filmen spielen oft Traktoristinnen oder Frauen an der Fräse eine Rolle. Schon 1948 gab es den Streifen ‚Vzbouření na vsi‘ (Aufstand auf dem Dorf, Anm. d. Red.), in dem darüber gestritten wird, ob im Dorf ein Traktor gekauft wird oder aber eine Wäschemangel. Dies war der Versuch, das Bild von einer Frau zu schaffen, die die gleiche Arbeit wie ein Mann ausüben kann. Frauen wurden in diese Rolle gedrängt, das heißt in technische oder Ingenieurberufe. Das alles war sehr künstlich und entsprach nicht der Realität, denn Frauen hatten damals kaum Zugang zu solchen Berufen. Dieses Bild wurde eher durch die Propaganda erschaffen.“

Streifen „Aufstand auf dem Dorf“  | Foto: Nationales Filmarchiv

Neue Mode für die sozialistische Frau

Auch „Žena a móda“ (Frau und Mode), die einzige Modezeitschrift, die seit 1948 in der ČSSR noch herausgegeben wurde, bediente das politisch gewollte Frauenbild. Konstantina Hlaváčková vom Kunstgewerbemuseum Prag hat es genauer erforscht:

Konstantina Hlaváčková | Foto: Adam Kebrt,  Tschechischer Rundfunk

„Dargestellt wurden Frauen in Arbeitskleidung, die auf einem Traktor oder mit der Mistgabel auf dem Geflügelhof posierten. Sie waren die Mannequins der Zeit, und das war absolut ernst gemeint. Diese Models traten auch bei Modenschauen auf. Ein zeitgenössischer Artikel berichtet davon, dass auf dem Laufsteg vor allem ein Model großen Anklang fand – und dies war die Frau im Maurerberuf. Ihre Arbeitskleidung war im Blaudruck gestaltet, also blau mit weißen Klecksen. Die Autorin des Artikels betonte, dass auf diesem Muster mögliche Kalkflecken von der Arbeit nicht zu sehen sein werden.“

Die damalige Chefredakteurin von „Žena a móda“, Jiřina Spálová, sei in zahlreichen Artikeln den Vorgaben der politischen Führung nachgekommen, erläutert Historikerin Hlaváčková weiter:

Foto:  Zeitschrift Žena a móda

„Sie vertrat darin die Meinung, dass die tschechoslowakische Mode völlig losgelöst sein müsse von der weltweiten Mode. Dies meinte alles, was hinter der westlichen Grenze vor sich ging und sein Zentrum in Paris hatte. Wiederholt schrieb Spálová, dass Mode ein Spiegelbild der Gesellschaft sei – was ja auch stimmt. Sie reflektiert, welche Ideologie herrscht, wie sich die Technologie entwickelt und wie frei die Gesellschaft ist. Spálová schlussfolgerte, dass die Pariser Mode ein Spiegelbild der bourgeoisen Welt sei und hierzulande eine neue Mode für einen neuen Menschen gestaltet werden müsse.“

Die Rede war von funktioneller Kleidung ohne überflüssige Accessoires oder dekorative Elemente, aus robusten Stoffen und in einheitlichem Design. Dieser künstlich geschaffene Trend hielt allerdings nicht lange an – sei es, weil die sozialistische Planwirtschaft eine komplette Neuversorgung der Bevölkerung gar nicht bewältigen konnte, oder aber, weil die Menschen nicht bereit waren, sich der neuen Mode anzupassen. Schon ab Mitte der 1950er Jahre jedenfalls hätten sich viele Frauen in der ČSSR wieder in klassischerem Stil gekleidet, fährt Hlaváčková fort:

Zeitschrift Žena a móda | Foto:  Zeitschrift Žena a móda

„All diese gewollten Veränderungen zielten auf Frauen der Arbeiterklasse ab. Um das Jahr 1953 begannen diese aber, dagegen zu protestieren. Sie waren in der gesellschaftlichen Hierarchie inzwischen höher gestellt und wollten sich nun endlich auch besser kleiden. Aber sie konnten sich nichts kaufen. Der ganze umfassende Modekomplex war plötzlich in Aufruhr. Denn er wurde auch von jenen Frauen kritisiert, für die dies alles erdacht worden war.“

Rückkehr zu einem traditionellen Familienbild

Mit den Lockerungen Mitte der 1960er Jahre übten Frauen zunehmend öffentliche Kritik, dass der Sozialismus ihnen nicht die versprochene Gleichberechtigung eingebracht habe. Sie wollten in der Politik und auch im Arbeitsbereich stärker in höheren Positionen vertreten sein. Diese letzte emanzipatorische Welle zu Zeiten der ČSSR verstummte mit der Niederschlagung des Prager Frühlings. Denisa Nečasová führt aus:

Zeitschrift Žena a móda in den 1980er Jahren | Foto: Zeitschrift Žena a móda

„Bis in die 1980er Jahre hinein waren die Bemühungen um Gendergleichheit und eine emanzipierte Frau dann nicht mehr so ausgeprägt. Immer noch lag die Betonung zwar auf der werktätigen und gesellschaftlich engagierten Frau. Dies hatte aber keinen so starken Akzent mehr. Auf gleicher Ebene wurde die Rolle als Mutter, Haushälterin und Ehepartnerin herausgestellt. Zudem sollte sie eine schöne Frau sein, die auf ihr Äußeres achtet und etwas aus sich macht.“

In den 1970er Jahren spielten emanzipatorische Konzepte keine Rolle mehr in der öffentlichen Darstellung von Frauen. Weibliche Rollenmodelle wurden in der Tschechoslowakei jetzt vor allem durch populäre Fernsehserien geprägt. Filmhistoriker Jakub Machek führt als Beispiel die elfteilige Serie „Muž na radnici“ (Der Mann im Rathaus) von 1976 an:

„In den beliebtesten Serien dieser Zeit nehmen Frauen keine höheren Machtpositionen ein, weder in Unternehmen, noch in der Partei. Frauen kommen in den Drehbüchern diesbezüglich entweder gar nicht vor oder nur in ausgesprochen passiven Rollen. Dies ist gut zu sehen in ‚Muž na radnici‘. In dem dargestellten städtischen Nationalausschuss gibt es nur eine Frau. Diese schweigt die ganze Zeit und kommt bei keiner der Sitzungen zu Wort. Nur einmal hat sie eine Sprechszene, als sie die Hauptfigur, also den Mann im Rathaus, dabei berät, welche Schuhe er sich kaufen soll. Die gezeigten Machtstrukturen sind also rein männlich.“

Serie „Der Mann im Rathaus“

Dies habe, so Machek weiter, der reellen gesellschaftlichen Lage entsprochen. Die Männer widmeten sich zumeist der Karriere, der weibliche Stereotyp dieser Zeit war hingegen ausschließlich auf die Familie ausgerichtet. Dies gilt ebenso für die wenige Reklame, die es in der ČSSR der 1980er Jahre gab. Waschpulver und Geschirrspülmittel waren eindeutig das Metier der Hausfrau.

Erotischer Werbespot aus den 1990er Jahren | Foto: YouTube

Und die Werbung war es dann auch, in der mit dem Umbruch von 1989 am deutlichsten alle Ketten gesprengt wurden. Denn mit dem Kapitalismus kam das Konkurrenzprinzip auf, und der Verkauf von so ziemlich allen Produkten hing plötzlich von deren Sichtbarkeit ab. Diese wurde gern mit jungen, schönen und vor allem leicht bekleideten Frauen erreicht. Erotik und aufreizende Darstellungen – zu sozialistischen Zeiten noch verpönt und politisch nicht konform – waren nun aus Zeitschriften und Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Und auch in den Kinos hätten sie Einzug gehalten, bemerkt Machek:

„Mit den neuen Freiheiten der 1990er Jahre wurden die Filme auf die Nachfrage des Publikums ausgerichtet. Sie beinhalteten nun Szenen, die vorher nicht gezeigt werden durften und die zumeist einen erotischen Bezug hatten. Es entstanden Streifen, in denen Frauen als Prostituierte und ähnliches dargestellt werden. Dies hing zusammen mit dem Ende der staatlichen Finanzierung der Kinematografie und dem Beginn der privaten Produktion. Investitionen in Filme bargen nun das Risiko, dass kein Gewinn eingespielt werde. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre wurden mit erotischen Inhalten also Wege beschritten, mit denen sicher und schnell Geld verdient werden konnte.“

Mit Erotik schnelles Geld verdienen

Mit dem Sexappeal von Frauen schnelles Geld verdienen – nach diesem Prinzip wurde im Nach-Wende-Tschechien oft Werbung gemacht. Wissenschaftlich aufgearbeitet ist dieses Phänomen bisher so gut wie nicht. Als eine der wenigen beschäftigt sich die NGO Nesehnutí aus Brünn mit dem Thema. In den Jahren 2009 bis 2020 verlieh sie alljährlich den Anti-Preis „Sexistické prasátečko“ (Sexistisches Schweinchen) für unangemessene Werbung. Die Soziologin Petra Havlíková ist eine der Initiatoren der Auszeichnung:

„Ich erinnere mich an einen der ersten Fälle. Es ging um ein Pfandhaus in Brünn, das auch in anderen Städten Filialen hat. Die Betreiber veröffentlichten damals jedes Jahr eine neue Werbung, auf der immer sehr spärlich bekleidete oder gar unbekleidete Frauen zu sehen waren. Dazu nutzten sie in großem Stil Billboards und Flyer. Das Unternehmen hat Waschmaschinen, Mikrowellen und Schmuck im Angebot – mit der optischen Darstellung in der Werbung hatte dies also absolut nichts zu tun. Als wir unsere Kampagne gestartet haben, hielten die meisten Leute diese Werbung noch für normal und waren überrascht, dass jemand damit überhaupt ein Problem hatte. Mittlerweile ist der gesellschaftliche Druck auf die Firma aber groß. Ihr wurde sogar vom Amt eine Strafe auferlegt, und der Oberste Gerichtshof hat vergangenes Jahr die Werbung für diskriminierend befunden.“

Petra Havlíková | Foto:  Matěj Schneider,  Tschechischer Rundfunk

Noch in den Nuller Jahren seien Werbeanzeigen mit sexistischen Darstellungen von Frauen und Männern in Tschechien weit verbreitet gewesen, ergänzt Havlíková. Nach ihren Beobachtungen sei dies inzwischen auf etwa 50 Prozent zurückgegangen. Die Gesellschaft werde langsam für unangebrachte und diskriminierende Darstellungen sensibilisiert, sagt die Soziologin. Trotzdem bleibe es schwer, gegen einzelne Werbeanzeigen oder -spots vorzugehen:

„Denn das Problem ist nicht eine einzelne Reklame mit einer Mutter, die die Wäsche macht. Das Problem ist, dass 95 Prozent der Werbespots die genau gleiche Darstellung nutzen. Dies verfestigt in der Gesellschaft die Auffassung, dass nur eine Frau wisse, wie man richtig wäscht, und es auch nur die Frau sei, die sich überhaupt um die Wäsche kümmert.“

Serie „Die Arztpraxis im Rosengarten“ | Foto:  YouTube Kanal TV Nova

Wie schwer festgefahrene Stereotype zu überwinden sind, weiß auch Filmhistoriker Machek. Das Frauenbild der tschechischen Gesellschaft verschiebe sich zwar merklich, aber langsam. Einen Hinweis darauf gebe eine unlängst erschienene Dissertation zur Serie „Ordinace v růžové zahradě“ (Die Arztpraxis im Rosengarten), die von 2005 bis 2021 im Privatfernsehen lief:

„Die Autorin zeigt auf, dass zunächst eine für solche Seifenopern typische Rolle der passiven Frau entwickelt wurde. Dies war eine Krankenschwester, die sich für die Familie aufopfert. Sie war als Heldin der Serie gedacht, mit der sich die Zuschauer identifizieren sollten. Daneben wurde aber auch die Figur einer Ärztin geschaffen, die sich ihrer Karriere widmet und keine Familie hat. Im Folgenden wurde deutlich, dass sich die Produzenten ein wenig verrechnet hatten. Denn das Empfinden in der tschechischen Gesellschaft war schon weiter fortgeschritten. Zum Publikumsliebling wurde dann nicht die Schwester, sondern die Ärztin – also die selbständigere und emanzipiertere Frau.“

Wie ernst die Menschen hierzulande emanzipierte Frauen inzwischen wirklich nehmen, könnten auch die nächsten Präsidentschaftswahlen zeigen. Für den Urnengang im Januar kommenden Jahres haben sich bereits mehrere Kandidatinnen gemeldet.