Tschechen sind mit der wirtschaftlichen Situation des Landes zufrieden
Wer in den letzten Tagen und Wochen die politische Situation in Tschechien beobachtet hat, der könnte ein relativ chaotisches Bild von den Zuständen im Land haben: Die Opposition schimpft auf die Regierung, die Regierungsparteien lassen aneinander ebenfalls kaum mehr ein gutes Haar, das Kabinett zerfällt, niemand weiß, wie es weitergeht. Inmitten dieses Durcheinanders und trotz des immer wieder behaupteten Reformstaus taucht nun jedoch plötzlich eine recht unerwartete Nachricht auf: Die Tschechen sind mit der wirtschaftlichen Situation des Landes zufrieden. Sind die Rahmenbedingungen, die die Politik schafft, also besser als ihr Ruf? Gerald Schubert berichtet:
61 Prozent der Tschechinnen und Tschechen bewerten die ökonomische Situation ihres Landes positiv. Das ist der beste Wert seit 1997. Im Vergleich zum Beginn des Vorjahres bedeutet das Ergebnis sogar einen Anstieg der Zufriedenheit um ganze 20 Prozentpunkte. Und das, obwohl immer wieder von einem Reformstau gesprochen wird, den das sozialdemokratisch geführte Kabinett verursacht, und der durch die derzeitige Regierungskrise noch verstärkt wird. Vor allem konservative Politiker verweisen oft auf das Beispiel der Slowakei, wo eine rechtsgerichtete Regierung einschneidende wirtschaftliche Reformen in Angriff genommen hat. Jan Cervenka vom Meinungsforschungsinstitut CVVM, das die Studie am Montag veröffentlichte, sieht hier jedoch einen großen Unterschied zwischen der Interpretation der Politiker und der Wahrnehmung der Bürger:
"Die Menschen bewerten den Erfolg oder Misserfolg der Wirtschaft nicht danach, wie modern gerade irgendwelche Reformen sind. Ob eine Reform gut oder schlecht ist, darüber kann man immer diskutieren. Wichtig sind die Ergebnisse. Und die werden daran gemessen, ob die Menschen Arbeit haben und ob sie für diese Arbeit entsprechend bezahlt werden. Und in diesem Bereich ist die Tschechische Republik eindeutig besser dran als die Slowakei und - mit Ausnahme Sloweniens - die anderen postkommunistischen Staaten."
Wenn man sich die Daten genauer ansieht, dann erkennt man, dass nicht nur die Wähler der Sozialdemokratischen Partei das derzeitige wirtschaftliche Niveau des Landes als gut einstufen, sondern auch die Wähler der konservativen Demokratischen Bürgerpartei, die der derzeitigen Regierungspolitik extrem skeptisch gegenübersteht. Skeptisch gegenüber der Regierung sind allerdings auch die meisten Bürger. Ein Widerspruch angesichts des wirtschaftlichen Optimismus? Nein, meint Jan Cervenka:"In Tschechien existiert ganz allgemein ein sehr großes Misstrauen gegenüber der Politik. Die Leute haben kein Vertrauen in die politischen Parteien und auch nicht in die politischen Institutionen. Dabei handelt es sich in hohem Maß um Pauschalurteile. Natürlich: Gerade jetzt, wo die Vertrauenswürdigkeit des Regierungschefs ins Wanken geraten ist, wo die Sozialdemokraten sich irgendwie durch die Situation durchmanövrieren wollen, wo sie sehr leicht angreifbar sind, weil sie auf die Unterstützung der Kommunisten bauen, gerade jetzt also ist die öffentliche Meinung zur Politik bestimmt noch negativer als sonst. Aber andererseits: Die Leute können die momentane politische Situation von der wirtschaftlichen Realität sehr wohl unterscheiden. Und damit von der Tatsache, dass es einem großen Teil von ihnen relativ gut geht."