Tschechen unternahmen 2010 wieder mehr Auslandsreisen

Kroatien

Zu Jahresende beziehungsweise zu Beginn eines neuen Jahres wird in der Wirtschaft stets Bilanz gezogen über das zuletzt Erreichte. Ein Wirtschaftsbereich in Tschechien, der in diesen Tagen bereits Zahlen zur Bilanz des Jahres 2010 veröffentlicht hat, ist die Tourismusbranche.

Die tschechischen Reisebüros haben im Jahr 2010 zirka 2,25 Millionen Reisen verkauft. Das sind sieben Prozent mehr als im vorangegangenen Jahr 2009. So lautet eine erste Einschätzung von Seiten des tschechischen Reisebüro-Verbandes (AČCKA). Der Vizepräsident des Verbandes, Tomio Okamura, sagte dazu:

„Das Wachstum ist vor allem auf Reisen mit Auto, Bus und Bahn zurückzuführen. Das Jahr 2009 war geprägt vom Krisenschock, deshalb verbrachten viele Tschechen ihren Urlaub lieber in der Heimat. Dadurch stieg die Nachfrage im Binnentourismus. In vorigen Jahr aber haben die Tschechen wieder verstärkt Urlaub im Ausland gemacht.“

Die Rückkehr der Tschechen zum Auslandsurlaub quittierten die Reisebüros des Landes mit Genugtuung. Die Freude darüber ist aber teilweise getrübt, sagt Okamura:

„Die Tschechen versuchen beim Urlaub noch zu sparen. Im Segment der Flugreisen, die 20 Prozent des Angebots der Reisebüros ausmachen, haben wir einen Rückgang von 15 Prozent verzeichnet. Das Reisen per Auto, Bus und Bahn hat dagegen enorm zugenommen, weil es billiger ist. Das heißt, wir befinden uns jetzt in einer Zwischenphase nach der Krise, in der die Tschechen einerseits wieder häufiger ins Ausland reisen, aber andererseits immer noch sehr vorsichtig sind. Sie reisen zurzeit an Urlaubsziele, die mit den genannten Verkehrsmitteln gut zu erreichen sind.“

Also Ziele in Europa. Da die Tschechische Republik ein reines Binnenland ist – mit vielen Hügelketten und Bergen, aber ohne Meer – reisen ihre Einwohner im Urlaub besonders gern in den Süden ans Mittelmeer. Und dort steht ein Land weiterhin ganz oben auf der Hitliste: Kroatien. Das bestätigt auch Okamura:

„Kroatien hat im vorigen Jahr wieder einen starken Zuwachs an tschechischen Urlaubern verzeichnet. Außerdem sehr gefragt waren die Slowakei und vor allem Italien. Man kann sagen, dass die Tschechen im letzten Jahr ihren Auslandsurlaub fast zur Hälfte in diesen drei Ländern verbracht haben.“

Gardasee in Italien  (Foto: Barbora Kmentová)
Das weiterhin noch reservierte Interesse an Flugreisen hat gleich mehrere Ursachen. Zum einen seien die Tschechen nun einmal ein Volk, das sehr gern mit dem Bus verreist. Die Flugreisen stellen daher nicht umsonst nur rund ein Fünftel des Angebots der Reisebüros dar, sagt Okamura und ergänzt:

„Der Rückgang um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr wurde zudem durch zwei weitere Faktoren verursacht: durch die Aschewolke aus Island sowie durch die Unruhen in Griechenland, die uns gerade in der Hauptverkaufszeit für den Sommerurlaub ereilt haben. Dazu muss man wissen, dass Griechenland nach den drei bereits genannten Ländern die Nummer vier in der Rangliste der Tschechen ist. Und in punkto Flugreisen ist Griechenland das populärste Ziel der Tschechen überhaupt. Die Situation dort hat sich natürlich negativ auf die Verkaufszahlen ausgewirkt.“

Aber, so wirft Okamura sofort ein, der Rückgang von 15 Prozent sei andererseits schon wieder ein Erfolg, weil man im Jahr 2009 noch einen Einbruch von rund 30 Prozent bei den Flugreisen hinnehmen musste. Zudem habe man auch weder Kosten noch Mühen gescheut, um die Reisewilligen im Land davon zu überzeugen, dass ein Urlaub in Griechenland gerade im zurückliegenden Jahr auch einen besonderen Reiz hatte:

„Ich habe damals gesagt, dass in den touristischen Sommerfrischen Griechenlands von den Unruhen weit und breit nichts zu spüren ist. Im Gegenteil, so wie die Preise sanken wegen der Eurokrise in Griechenland, habe ich es besonders empfohlen, gerade jetzt dort Urlaub zu machen. Die Touristen haben mir schließlich Recht gegeben, denn einen solch preiswerten Urlaub ohne die ansonsten großen Touristenmassen konnte man sicher nur im letzten Jahr erleben.“

Die allgemeine Verunsicherung wegen der Probleme in Griechenland und des durch die Aschenwolke ausgelösten Flugausfalls sei aber immer noch so groß gewesen, dass die Tschechen 2010 von Flugreisen eher Abstand genommen hätten, meint Okamura. So gut wie nicht davon betroffen waren allerdings die Reisen in exotische Länder. Diese Reisen haben eine stabile Klientel, sagt der Vizepräsident des Reisebüro-Verbandes:

„Die Tschechen machen jährlich nahezu 4,5 Millionen Urlaubsreisen in das Ausland. Davon führen rund 100.000 Reisen in exotische Länder. Das ist insgesamt recht viel. Wir können zudem konstatieren, dass es bei Reisen in exotische Länder keinen Rückgang gegeben hat. Das war auch im vorherigen Jahr 2009 nicht anders, obwohl gerade das Jahr sehr stark von der Krise geprägt war. Das beliebteste Urlaubsziel der Tschechen unter den exotischen Ländern, Thailand, wurde beispielsweise von 26.000 tschechischen Touristen besucht. Das war ein Anstieg von 27 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor. Es ist also zu sehen, dass unsere Klienten in der oberen Mittelklasse von der Krise wirklich nur minimal berührt wurden. Es war sogar so, dass es eine größere Nachfrage für Destinationen gab, die als sicher gelten. Das ist logisch, denn im Szenario der Krise wollen die Kunden nichts riskieren, sondern zu sicheren Urlaubsorten reisen.“

An der Strategie der Reisebüros und am Verhalten ihrer Kunden wird sich aller Voraussicht nach im Jahr 2011 nicht viel ändern. Das sieht auch Tomio Okamura nicht anders:

„Für das Jahr 2011 haben die tschechischen Reisebüros zirka fünf Prozent mehr Urlaubsreisen vertraglich ausgehandelt. Dabei ist festzuhalten, dass die Reisebüros sehr vorsichtig geworden sind. Nach dem Bankrott von Tomi Tour im Jahr 2009 haben die Reisebüros ihre Angebote im vorigen Jahr sehr sorgsam ausgewählt. Die Kapazität der Urlaubsplätze war begrenzt, es gab auch nur sehr wenige Last-Minute-Reisen im Jahr 2010. Das positive Ergebnis dessen aber ist, dass im vorigen Jahr nur ein einziges von den 1068 Reisebüros, die es auf dem tschechischen Markt gibt, bankrott ging. Ein ähnliches Szenario darf man auch dieses Jahr erwarten. Die Reisebüros sind nach wie vor sehr vorsichtig, um nicht in wirtschaftliche Probleme zu geraten. Deshalb wird es meiner Meinung nach auch in diesem Jahr nicht allzu viele Last-Minute-Reisen in Tschechien geben. Es wird so sein, dass der Zuwachs an Kapazitäten nicht so hoch ist, um die Nachfrage zu decken.“

Aus den vom Reisebüro-Verband bekannt gegebenen Zahlen geht auch hervor, dass die Tschechen im vergangenen Jahr nur rund die Hälfte ihre Auslandsreisen über ein einheimisches Reisebüro absolviert haben. Die andere Hälfte hat ihre Reisen mehr oder weniger individuell bestritten. Rund 30 Prozent der 2010 verkauften Urlaubsreisen haben die Tschechen dabei über das Internet gebucht. Das ist ein Anstieg von vier Prozent zum Jahr davor. Das Internet hat den Vorteil, dass es einen schnellen Vergleich der Preise in den jeweiligen Qualitätskategorien ermöglicht. Daher wird erwartet, dass die Nachfrage tschechischer Kunden nach Urlaubseisen via Internet weiter zunehmen wird. In den USA und den Ländern Westeuropas bewegt sich der Anteil von Reisen, die man über Internetportale buchen kann, derzeit bei rund 40 Prozent.

Autor: Lothar Martin
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