Tschechien hat einen neuen Premierminister: Jan Fischer
Nach einigem Tauziehen ist es gelungen: Tschechien hat einen neuen Premierminister. Einen vorläufigen zumindest. Am Donnerstag um 14 Uhr wurde Jan Fischer von Staatspräsident Václav Klaus mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Der bisherige Leiter des Tschechischen Statistikamtes ist der achte Premier der Tschechischen Republik. Radio-Prag-Redakteur Daniel Kortschak lässt im Gespräch mit Lothar Martin das politische Geschehen in den letzten Stunden und Tagen Revue passieren und berichtet, wie es nach der Überwindung der Regierungskrise nun weitergeht:
"Das ist gar nicht so leicht, denn teilweise war es recht schwer, überhaupt noch den Überblick zu behalten. Da wurden Einigungen verkündet, die dann schon wenige Stunden später das Papier, auf dem sie hektisch abgedruckt wurden, nicht mehr wert waren, da gab es völlig konträre Äußerungen aus ein und derselben Partei und so weiter. Aber ich kann die wichtigsten Fakten noch einmal kurz Revue passieren lassen: Am 24. März hat die Regierungskoalition von Premier Mirek Topolánek das Misstrauensvotum im Parlament verloren. Zwei Tage später hat Topolánek bei Präsident Klaus seinen Rücktritt eingereicht. Am 28. März haben sich dann die größte Regierungspartei, Topoláneks Bürgerdemokraten, und die stärkste Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, auf vorgezogene Parlamentswahlen geeinigt. Auch um den Wahltermin gab es einiges an Gezerre – nach dem neuesten Stand werden die Tschechen wahrscheinlich in der ersten Oktoberwoche zu den Wahlurnen gerufen. Damit war auch klar, dass man bis dahin eine Übergangsregierung braucht. Die Sozialdemokraten haben da mehrere Wendungen vollzogen: Zuerst wollte man Topolánek bis zum Ende der EU-Ratspräsidentschaft – also bis Ende Juni – weiterregieren lassen. Dann sollte wieder sofort eine Expertenregierung her. Am vergangenen Wochenende haben sich schließlich die bisherige Regierungskoalition und die Sozialdemokraten auf eine Expertenregierung geeinigt und Jan Fischer als neuen Premier vorgeschlagen."
Du sagst, die Einigung gibt es seit Sonntag. Warum wurde Fischer erst jetzt ernannt?"Das liegt hauptsächlich an den Juniorpartnern in Topolánkes Mitte-Rechts-Koalition: Die Christdemokraten und die Grünen haben am Sonntag den Kompromiss noch mitgetragen. Am Montag sind sie dann wieder abgesprungen – zuerst die Christdemokraten und dann die Grünen. Am Mittwoch ist den großen Parteien – Topoláneks Demokratischer Bürgerpartei und den Sozialdemokraten - der Geduldsfaden gerissen und sie haben entschieden, die Sache alleine durchzuziehen. Gemeinsam verfügen sie ja über eine komfortable Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Kaum war die Ankündigung heraußen, sind auch mehrere Abgeordnete der Christdemokraten ihrem eigenen Parteivorstand in den Rücken gefallen und haben ihre Unterschrift unter den Kompromissvorschlag zur Bildung der Übergangsregierung gesetzt. Darunter mit Vlasta Parkánová und Miroslav Kalousek gleich zwei noch amtierende Minister. Einige Grünen-Politiker folgen wohl jetzt nach."
Das heißt, die Christdemokraten sind jetzt auch mit im Boot?
"Nun, Parteichef Jirí Čunek sieht das natürlich anders und droht den Querulanten – wie er sie nennt – in seiner Partei mit Konsequenzen, etwa damit, sie nicht auf die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen zu setzen. Aber es scheint ganz so, als hätte Čunek in seiner eigenen Partei nicht mehr allzu viel zu sagen. Andere Kommentatoren sehen wieder eine Spaltung der Partei in einen Čunek- und einen Kalousek-Flügel kommen. Aber das ist eigentlich nur ein Nebenschauplatz, denn die Umfragewerte der Partei sind ziemlich mager – sie muss sogar fürchten, an der Fünf-Prozent-Hürde zum Einzug ins Parlament zu scheitern."Jan Fischer ist also zum Premier ernannt worden. Übernimmt er sofort die Amtsgeschäfte?
"Nein. Denn zunächst muss er ein Kabinett zusammenstellen. Die Gespräche dazu sollen nach den Osterfeiertagen beginnen. Als Termin für die Vereidigung Fischers wird derzeit der 9.Mai genannt. Bis dahin hat Tschechien also quasi zwei Premierminister: Einen designierten, aber noch nicht amtierenden. Und einen abgewählten, aber noch amtierenden. Das ist zwar etwas merkwürdig, kam aber in der Vergangenheit schon häufiger vor. Und die Verfassung hat für so einen Fall auch keine andere Lösung parat.