Tschechien jubelt über Rodler, Eisprinzessin Sablikova und "Königin" Neumannova

Katerina Neumannova (Foto: CTK)

Der diesjährige Winter spielt verrückt! Und ähnlich wie die ungewöhnlichen Kapriolen des Wetters haben auch tschechische Wintersportler jüngst für Aufsehen erregende Erfolge gesorgt. Außerdem besitzt der tschechische Sport eine neue (Schnee-)Königin.

Die Tops und Flops der tschechischen Sportwoche

Ivo Danilevic  (links) und Roman Gomola  (Foto: CTK)
Was für ein Sportwochenende aus tschechischer Sicht! In halb Europa werden Skiwettbewerbe wegen Schneemangels abgesagt oder verschoben, doch die Tschechen holen zwei Europameistertitel in Sportarten, in denen sie bisher nur Mitläufer beziehungsweise Anfänger waren: Im Bob und im Eisschnelllauf! Besonders der Triumph im Zweierbob mit Ivo Danilevic und Roman Gomola im italienischen Cortina d´Ampezzo kommt schon einer Sensation gleich. In einer Sportart, in der auf dem alten Kontinent seit Jahrzehnten die Alpenländer Deutschland, Schweiz, Österreich und Italien dominieren, ließen die beiden Athleten vom Klub Dukla Liberec auf einmal die gesamte europäische Konkurrenz hinter sich. Kein Wunder, dass auch der Präsident des Tschechischen Verbandes der Bob- und Skeletonfahrer, Milan Sejkora, begeistert war:

"Die Jungs haben einen wirklich hervorragenden Wettkampf hingelegt, Danilevic hat den Bob ausgezeichnet gesteuert. Außerdem haben wir für diese Bahn auch das optimale Material gefunden. Selbstverständlich war das Echo gewaltig, die Jungs haben eine Riesenfreude. Vor allem, wenn man weiß, dass Tschechen die letzten EM-Medaillen um das Jahr 1930 herum gewonnen haben. Für uns ist das auf jeden Fall der größte internationale Erfolg in dieser Sportart."

Martina Sablikova  (Foto: CTK)
Nicht minder happy war am zurückliegenden Wochenende auch eine zierliche Kufensportlerin, deren Stern wohl gerade jetzt erst so richtig aufgeht: die 19-jährige Eisschnellläuferin Martina Sablikova. Die aus dem mährischen Zdar nad Sazavou stammende Weltrekordlerin über 10 000 Meter erlebte ihre erste internationale Sternstunde ebenfalls in Italien, denn auf der Natureisbahn von Collalbo wurde sie binnen zwei Tagen Europameisterin über die 3000 und 5000 Meter sowie im Vierkampf. Und das in allen drei Disziplinen mit einem neuen Weltrekord für Freiluftbahnen! Im Gegensatz zur Konkurrenz aus Deutschland und den Niederlanden muss Sablikova oft allein und unter zum Teil schwierigen Bedingungen trainieren, daher konnte sie es zunächst gar nicht richtig fassen, diese geschlagen zu haben:

"Das habe ich mir natürlich vor dem Wettkampf überhaupt nicht erträumt. Das ist einfach wunderbar, denn ich habe nicht geglaubt, dass das so ausgehen könnte, auch wenn mir mein Trainer gesagt hat, dass ich sehr gut in Form bin."

Nicht in Form, sondern völlig neben der Rolle, waren indes die Eishockeyspieler von Sparta Prag. Als nationaler Meister der Saison 2005/06 waren sie beim dritten Jahrgang des European Champions Cup in St. Petersburg angetreten, um als erster tschechischer Club mindestens das Finale zu erreichen. Nach zwei Niederlagen gegen die Titelträger aus der Slowakei und Finnland belegten die Prager jedoch nur einen enttäuschen fünften Platz unter sechs Teilnehmern. Besonders die 2:4-Pleite gegen den als krassen Außenseiter gehandelten MsHK Zilina war eine Blamage. Deshalb nahm Spartas Assistenztrainer Marian Jelinek nach der Partie auch kein Blatt vor den Mund:

"Wir sind natürlich sehr enttäuscht, sowohl die Trainer und Betreuer als auch die Mannschaft. Dieses Spiel ist ganz einfach nicht nach unseren Vorstellungen gelaufen. Gründe dafür gibt es viele. Der wichtigste Aspekt ist der, dass wir Chancen nicht genutzt haben, die man eigentlich gar nicht vergeben kann. Leider ist es trotzdem passiert, obwohl wir über 50 Mal aufs Tor geschossen haben, der Gegner aber nur etwas mehr als zehnmal. Und trotzdem haben wir es geschafft, mit 2:4 zu verlieren."

Die SPORT- Reportage

Katerina Neumannova  (Foto: CTK)
"Der König ist tot, es lebe der König!" Dieses Motto gilt auch in Tschechien zumindest einmal im Jahr, und zwar dann, wenn die Sportjournalisten des Landes den nationalen Sportler des Jahres wählen. Für das abgelaufene Jahr 2006 wurde der Leitspruch allerdings neu geschrieben: "Der König ist tot, es lebe die Königin!" Jawohl, die tschechischen Sportler haben seit 22 Jahren erstmals wieder eine weibliche Regentin: die 33-jährige Skilangläuferin Katerina Neumannova. Und das vollkommen zu Recht! Denn im Jahr der Olympischen Winterspiele von Turin und der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland konnte kein hiesiger Athlet mehr brillieren als die sympathische und willensstarke Frau aus dem südböhmischen Zadov. Mit dem Olympiasieg über die 30-km-Strecke und der Silbermedaille im Skiathlon feierte sie im vergangenen Jahr ihren größten sportlichen Triumph. Und einen ähnlich gewichtigen Erfolg konnte 2006 kein anderer tschechischer Sportler vorweisen. Daher wurde Katerina Neumannova mit großem Vorsprung vor Eishockeystar Jaromir Jagr und Langlaufkollege Lukas Bauer zur "Sportlerin des Jahres" gewählt. Bei den Mannschaften wurde diese Ehre der Eishockey-Nationalmannschat zuteil, die WM-Silber und olympisches Bronze gewann.

Auf dem Höhepunkt der Karriere sollte man eigentlich aufhören, sagt eine alte Weisheit. Katerina Neumannova aber wollte diesen Winter noch einmal dazu nutzen, um als Skilangläuferin quasi auf ihre weltweite Abschiedstournee zu gehen. Aber das immer noch frühlingshafte Wetter geht auch ihr inzwischen mächtig auf die Nerven:

"Es ist schrecklich. Fakt ist, dass mir ein solcher Winter überhaupt nicht gefällt. Ich denke, dass auch meine gesundheitlichen Probleme ein wenig mit diesem Winter zu tun haben, denn ich war bisher kaum länger als zwei, drei Tage an einem Ort, um dort zu trainieren. Bei mir hatte es sich stets bewährt, dass ich ein bis zwei Wochen an einem Ort trainieren und mich in Ruhe auf einen Wettkampf vorbereiten konnte. Doch so etwas existiert diesen Winter praktisch nicht."

Katerina Neumannova
Wegen des akuten Schneemangels hat Katerina auch schon in Österreich ein vorübergehendes "Asyl" gefunden:

"Ich habe jetzt eine Art Übergangswohnung im österreichischen Tauplitz. Normalerweise ist man erleichtert, wenn man von dort nach einer Woche harten Trainings verschwinden kann, doch in diesem Winter sind wir froh, hier ausreichend Schnee zu haben. Von meinem Heimatort im Böhmerwald fahre ich dreieinhalb Stunden bis dahin, und in einem dortigen Familienhotel habe ich bereits ein festes Zimmer."

Im bisherigen Saisonverlauf konnte Katerina Neumannova noch nicht an ihre Spitzenleistungen der vergangenen Jahre anknüpfen. Ein fünfter Platz bei der Tour de Ski war ihre bislang beste Platzierung. Die Mutmaßung aber, dass die Saison deshalb für sie "gelaufen" sei, wies sie jedoch zurück:

Katerina Neumannova  (Foto: CTK)
"Es ist richtig, dass ein Sieg im Gesamt-Weltcup für mich in weite Ferne gerückt ist. Das heißt jedoch nicht, dass ich keine Skiläufe mehr bestreiten will. Im Gegenteil: Ich will so oft wie möglich an Wettkämpfen teilnehmen und mich damit maximal auf die Weltmeisterschaft vorbereiten. Auch weil ich die Bedingungen in Japan kenne, will ich nicht alles auf eine Karte setzen und mich nur im Training auf die WM-Langläufe vorbereiten. Japan ist bekannt für sein unbeständiges Wetter: Hier kann es binnen eines Tages um bis zu zehn Grad wärmer werden, es können 20 bis 30 Zentimeter Neuschnee fallen, und das wären für mich ziemlich problematische Bedingungen. Wenn ich also jetzt keine Wettkämpfe mehr unter unterschiedlichen Witterungsverhältnissen bestreiten, sondern mich nur auf die WM konzentrieren würde, dann würde ich mir das bei den möglichen Wetterkapriolen in Japan sicher vorwerfen."

Und sollten auch im zweiten Teil der Saison für sie keine vorderen Platzierungen herausspringen, der goldene Moment von Turin wiegt alles auf und wird ihr stets in schöner Erinnerung bleiben:

"Darüber wurde schon viel geschrieben und berichtet. Ich selbst habe in diesem Moment nicht viel wahrgenommen. Mir ist urplötzlich durch den Kopf geschossen, dass ich im Finish noch einmal alles probieren sollte, und da begann mein Motor auch schon zu laufen. Und zwanzig Meter vor dem Ziel, als ich zu meinen Konkurrentinnen aufgeschlossen hatte, merkte ich, dass ich eine höhere Endgeschwindigkeit als sie hatte und das Rennen gewinnen würde. Daher waren die letzten 10 bis 15 Meter für mich die schönsten im gesamten Rennen."

Autor: Lothar Martin
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