Tschechien plant erstmals „offenen Vollzug“

Projekt des Gefängnisses im Ort Jiřice (Foto: Tschechisches Fernsehen)

Bisher sind Strafgefangene in Tschechien ganz klassisch hinter Gittern. Doch nun beginnt sich auch hierzulande etwas zu bewegen – man will erstmals den „offenen Vollzug“ ausprobieren.

Robert Pelikán  (Foto: ČTK)
Aus der Zelle direkt ins freie Leben – so sieht bisher die Praxis aus im tschechischen Strafvollzug. Der Übergang ist aber meist so hart, dass er geradewegs zurückführt hinter Gitter. Diesen Kreislauf will Justizminister Robert Pelikán (Partei Ano) durchbrechen:

„Noch zu kommunistischen Zeiten dienten die Gefängnisse dazu, jemanden wegzusperren, damit man vor ihm Ruhe hatte. Dabei wurde vergessen, dass diese Menschen auch irgendwann einmal zurückkehren werden. Das Ergebnis ist heute, dass wir eine Rückfallquote von 80 Prozent haben. Das müssen wir dringend ändern. Zudem geht es um die menschliche Dimension. Wir wollen die Leute zurück in die Gesellschaft bringen.“



Projekt des Gefängnisses im Ort Jiřice  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Dazu soll der offene Vollzug dienen, mit dem in vielen westlichen Ländern bereits positive Erfahrungen gemacht wurden. Das erste entsprechende Projekt ist beim Gefängnis im Ort Jiříce in Mittelböhmen geplant. Ab Oktober könnten dort 32 Gefangene in mehreren Häusern ohne Gittern untergebracht werden – allerdings mit einer Betonmauer drum herum. Auch Ladislav Blahník ist angetan von dem Projekt, er leitet das Gefängnis in Stráž pod Ralskem:

„Das System des offenen Vollzugs würde den Verurteilten viel mehr Raum geben. Das heißt, sie müssten selbst von dort zu ihren Arbeitsplätzen fahren, so wie die anderen Angestellten der jeweiligen Firma auch. Und sie müssten selbst wieder zurückkehren.“

Projekt des Gefängnisses im Ort Jiřice  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
In ihrem kleinen Dörfchen sollen die Freigänger auch sich selbst versorgen können, also etwa Gemüsebeete anlegen oder Hühner halten. Es geht insgesamt um die Resozialisierung.

„Die Straftäter sollen zu Ende ihres Gefängnisaufenthaltes an die künftige Freiheit gewöhnt werden. Sie müssen also beispielsweise selbst beziehungsweise gemeinsam kochen. So langsam übernehmen sie dann wieder die Verantwortung fürs eigene Leben“, so Justizminister Pelikán.

Wärter wird es im freien Vollzug nicht geben, aber zum Beispiel Bewährungshelfer. Und auch Hana Prokopová wird sich kümmern, sie ist Psychologin des Gefängnisses Jiříce:

„Wir wollen Modelle des offenen Vollzugs aus Norwegen oder Deutschland übernehmen. Das Innovative daran ist zu verstehen, wie das Umfeld den einzelnen aus psychologischer Sicht beeinflusst.“

Vladimír Zimmel  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
In Norwegen liegt die Rückfallquote von Straftätern nur bei rund 25 Prozent. Das bedeutet mehr Sicherheit für die Gesellschaft. Zudem entstehen daraus finanzielle Vorteile, wie Vladimír Zimmel erläutert. Er ist Staatssekretär am Justizministerium.

„Die entscheidenden Kosteneinsparungen sehen wir darin, dass die Zahl der Straftaten zurückgeht – und damit die Aufwendungen für das gesamte Justizsystem. Das bedeutet auch weniger Kosten für den Strafvollzug.“

Sollte der offene Strafvollzug in Jiříce positive Ergebnisse bringen, dann könnte das Projekt auf weitere Haftanstalten ausgedehnt werden. Eine erste Auswertung soll nach einem Jahr erfolgen, hieß es.