Tschechien und Sachsen wollen ein Paket an Projekten gemeinsam durchführen
Im heutigen Wirtschaftsmagazin berichtet Lothar Martin darüber, was die Ergebnisse des Prag-Besuchs eines Ministers aus Sachsen so alles für die infrastrukturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Tschechien und dem Freistaat Sachsen bewirken können.
Der Freistaat Sachsen ist nicht nur das südöstlichste unter den neuen deutschen Bundesländern, sondern er grenzt mit seiner geografischen Lage auch an die neuen EU-Mitgliedsländer Tschechien und Polen. Mit der Tschechischen Republik verbindet ihn dabei das längste Teilstück seiner Außengrenze. Ein Fakt, der den sächsischen Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit Thomas Jurk u. a. dazu bewog, Anfang Februar nach Prag zu reisen, um mit den politischen Vertretern für Verkehr, Wirtschaft und regionale Entwicklung des Nachbarlandes Gespräche über die Intensivierung der beiderseitigen Zusammenarbeit zu führen. Im erstgenannten Bereich, wo Jurk mit dem tschechischen Vizeminister für Verkehr Vojtech Kocourek sprach, spielte die gemeinsame Grenze dann auch eine hervorstechende Rolle:
"Wir haben zur Tschechischen Republik mit rund 450 Kilometern die längste Außengrenze des Freistaates. Das heißt natürlich für uns vor allem, dass wir die Verkehrsinfrastruktur weiter voranbringen wollen. Uns ging es heute hauptsächlich darum, zu hören, welche Interessen die tschechische Seite verfolgt, gerade was die Verkehrsplanung betrifft. Wir haben heute gehört, dass es auf tschechischer Seite Befürchtungen bezüglich des Verkehrsflusses gibt, wenn die Autobahn A17 einschließlich der Grenzbrücke bis zum Jahre 2006 fertig gestellt sein wird. Da nämlich bis dahin noch nicht alle Baumaßnahmen auf der D8 durchgeführt werden können, hat man sich auf der tschechischen Seite schon Gedanken macht, wie man die künftigen Belastungen für die Anliegergemeinden und die Menschen, die an den Ausweichstraßen wohnen, mindert. Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass wir ein gemeinsames Interesse daran haben, mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Dabei wollen wir unter dem Stichwort Kombinierter Ladungsverkehr in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe schauen, wie wir in dieser Hinsicht nicht nur eine kurz- und mittelfristige, sondern eine langfristige Lösung erreichen können. Sehr gut vorbereitet war auf der Arbeitsebene die Frage der Erweiterung der Anzahl der Grenzübergänge. Man muss das natürlich auch im Rahmen des tschechischen Beitritts zum Schengen-Abkommen sehen. Unser Ziel ist es, von 14 auf 24 Grenzübergänge bis zum Jahr 2010 zu kommen. Gleichzeitig wollen wir natürlich neben dem Hauptprojekt A17/D8 wichtige Verkehrsadern gemeinsam bauen und voranbringen. Hierfür kommt aus sächsischer Sicht insbesondere der B178 im Dreiländereck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien eine große Bedeutung zu. Ansonsten ist es natürlich wichtig, dass wir gerade im Erzgebirgsraum bis hin zum Vogtland leistungsfähige Straßenverbindungen in nächster Zeit angehen, um halt die Lebensadern nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für den Besucheraustausch der Menschen zu verbreitern. Denn damit wollen wir die Verkehrsflüsse voranzubringen."
Wie von Thomas Jurk zu hören war, wird die Tschechische Republik ihren Teil der Autobahnverbindung von Prag nach Dresden bis zum Jahr 2006 noch nicht fertig gestellt haben. Das bis dahin noch nicht gelöste Problem ist der knapp 16 km lange Abschnitt durch das Böhmische Mittelgebirge, bei dem es die Verkehrsplaner vorliegenden Informationen zufolge versäumt haben, rechtzeitig mit Anliegern und Umweltschützern einen allseits akzeptierten Kompromiss über die endgültige Streckenführung zu finden. Daher musste Verkehrsminister Milan Simonovsky auf Anfrage von Radio Prag verkünden:"Der Abschnitt über das Böhmische Mittelgebirge wird frühestens im Jahr 2008 fertig gestellt. Wenn aber die Vertretung des Landkreises Usti nad Labem entscheidet, dass in dieses Teilstück ein längerer Tunnel eingebaut wird, dann gehe ich damit konform, dass wir mit der Fertigstellung dieses Abschnitts erst in den Jahren 2010 oder 2011 rechnen können."
Das ist eine Horrorvorstellung für die Bewohner des Böhmischen Mittelgebirges, die unmittelbar an jenen Staatsstraßen leben, über die dann für zwei oder mehrere Jahre der wachsende Verkehr zwischen den Endpunkten der unvollendeten Autobahn abfließen wird. Daher hat die tschechische Seite in den Gesprächen mit Minister Jurk ganz offensichtlich das Thema der Rollenden Landstraße - der auf der Schiene durchgeführte Lkw-Transport von Lovosice nach Dresden - wieder ins Spiel gebracht. Doch Jurk erklärte dieser kurzfristigen Lösung eine Absage:
"Es macht nur Sinn, solche Vorhaben über sehr lange Entfernungen zu legen. Die RoLa zwischen Lovosice und Dresden war aus der damaligen Situation heraus nur deshalb von Vorteil, weil es möglich war, Zollabfertigungsmöglichkeiten mit der Bahn zu verbinden und die damals noch übliche lange Wartezeit an der Grenze zu verkürzen. Attraktiv kann man so etwas nur noch machen, indem es sich rechnet. Auf Dauer staatlich zu subventionieren, hilft nicht. Und wenn wir nach dem 1. Mai 2004 einen Nutzpunkt der Rollenden Landstraße hatten, der gerade einmal bei rund 18 Prozent lag, dann ist das kein lukratives Angebot. Deshalb gehen unsere Überlegungen eher dahin, ob es nicht mit dem Kombinierten Ladungsverkehr, also über Containertransporte, eine bessere Lösung gibt, als wenn wir die Lastkraftwagen auf die Schiene verfrachten."
In einer anderen Frage des Gütertransports zwischen Böhmen und Sachsen, nämlich bei der Elbeschifffahrt, herrscht hingegen weitgehende Einigkeit, wie Jurk zufrieden feststellte:"Was die Frage Elbeausbau anbelangt, so habe ich natürlich auf die besondere Situation in Sachsen hingewiesen. Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, der eindeutig lautet, dass wir von Ausbaumaßnahmen in der Elbe Abstand nehmen, bis auf jene, die zur normalen Schiffbarkeit erforderlich sind. Aber ein Ausbau als solcher wird nicht stattfinden, sondern wir wollen den naturnahen Verlauf der Elbe auch natürlich belassen. Schon deshalb, weil wir gerade aus den womöglichen Fehlern der alten Bundesländer - ich denke da an Rhein und Mosel, inzwischen gelernt haben. Daher ist es uns wichtig, mit unseren Partnern in Tschechien gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Fließgeschwindigkeit nicht Dimensionen annimmt, die eine weitere Hochwassergefährdung mit sich bringt. Ich habe sehr erfreut zur Kenntnis genommen, dass man auch auf der tschechischen Seite einige Überlegungen getätigt hat, von den ursprünglichen Vorhaben abzugehen und damit auch den Umweltschützern entgegenzukommen. Auch wenn dies sicher kein leichter Prozess ist."
Auch aus seinem Treffen mit dem tschechischen Vizeminister für Industrie und Handel, Martin Tlapa, zog Thomas Jurk viele erfreuliche Erkenntnisse für die Fortsetzung der bilateralen Zusammenarbeit:
"Mit Vizeminister Tlapa haben wir insbesondere über die wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen. Es ging dabei um die Fragen einer gemeinsamen Wirtschaftsregion zwischen Sachsen und Böhmen. Es ging darum, dass wir uns gemeinsam unterstützen bei Messeauftritten, dass wir diese Messeauftritte wie jetzt in Brno vom 5. bis 6. Oktober dieses Jahres dazu nutzen, das sächsisch-tschechische Wirtschaftsforum durchzuführen. Gleichzeitig freuen wir uns darüber, dass die tschechische Seite als Partnerland auch zur Leipziger Messe vertreten sein wird. Hier liegt das Hauptaugenmerk auf dem Maschinenbau. Es liegt im beiderseitigen Interesse, dass dieser traditionelle Industriezweig gerade dabei ist, wieder bessere Marktchancen zu bekommen. Natürlich gibt es auch Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Automatik-Bereich. Da haben wir in Sachsen genauso wie im Maschinenbau eine Zulieferinitiative gestartet. Wir haben in Sachsen die Situation, dass wir sehr viele kleine Zulieferer mit einer begrenzten Produktpalette haben, die wir bei uns miteinander verknüpfen und vernetzen. Ähnliches kann man sich natürlich auch mit der tschechischen Seite vorstellen. Auch darüber haben wir gesprochen. Ich hatte den Eindruck, dass Herr Tlapa sehr daran interessiert ist, dass wir gerade die positiven Erfahrungen von Netzwerken und Clustern in der Zukunft gemeinsam nutzen wollen."Zwischen Tschechien und Sachsen soll also in Zukunft vieles gemeinsam angepackt und bewältigt werden. Radio Prag wird verfolgen, welche bilateralen Projekte wann und wie konkret realisiert werden und dann darüber berichten.