Tschechien will sich wieder verstärkt auf dem vietnamesischen Markt etablieren
"Go East" und "Back to the roots" - das sind gegenwärtig die Marschrichtungen, die die tschechische Wirtschaft mit ihrer Exportindustrie verfolgt. Und es sind nicht nur reiche und große Länder im Osten, die für die Tschechische Republik ein besonders attraktives Betätigungsfeld darstellen, von dem gleich mehrere Wirtschaftszweige profitieren.
Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft
Der Bankenrat der Tschechischen Nationalbank (CNB), der als Hüter der finanziellen Stabilität der tschechischen Währung gilt, hat in der vergangenen Woche den Beschluss gefasst, die Leitzinsen um 0,25 Prozent zu erhöhen. "Bei den gegenwärtigen Entwicklungen in Politik und Wirtschaft beginnt sich das Risiko zu erhöhen, dass es uns nicht gelingen könnte, die Entwicklung bei den öffentlichen Finanzen zu korrigieren. Und das würde dann nicht nur den Staatshaushalt des nächsten Jahres, sondern auch die Budgets der nachfolgenden Jahre beeinflussen", nannte der Gouverneur der Zentralbank, Zdenek Tuma, einen der Gründe, weshalb vorigen Mittwoch fünf Bankenratsmitglieder für und nur zwei gegen eine Erhöhung der Leitzinsen gestimmt haben. Was diese Entscheidung für Auswirkungen auf alle Bankkunden im Lande hat, dazu sagte der Ökonom der Tschechoslowakischen Handelsbank, Petr Dufek:
"In der Situation, in der die Zentralbank die Leitzinsen erhöht, kommt es auch zu einem Anstieg der Kreditzinsen. Das bedeutet also, dass nun wieder die Preise für Hypotheken oder die Zinssätze bei Verbraucherkrediten ansteigen, ggf. auch die bei Firmenkrediten. Auf der anderen Seite werden Bankguthaben höher verzinst."
Die Eisenhüttengesellschaft Vitkovice Steel will auf den russischen Markt zurück. Die Ostrauer Firma, die seit vergangenem Jahr zur Evraz Group Holding gehört, verkauft mehr als die Hälfte ihrer Produkte in den Ländern der Europäischen Union. Jetzt aber plant sie die Rückkehr zu einer ihrer früheren Wirkungsstätten, wo sie in den letzten 15 Jahren nicht einen einzigen Vertrag abgeschlossen hatte. Zu den Plänen von Vitkovice Steel äußerte sich der Generaldirektor der Gesellschaft, Vladimir Bail:
"Gegenwärtig bemühen wir uns darum, dass wir mit unseren Produkten auf den russischen Markt vordringen können, der auch für westliche Investoren sehr interessant ist. Allein schon deshalb, weil man davon ausgehen kann, dass Russland momentan auf ein Bruttoinlandsprodukt mit einem jährlichen Zuwachs von zehn Prozent verweisen kann. Russland ist also ein attraktiver Kunde. Daher wollen auch wir als Gesellschaft Vitkovice Steel, dass unsere Produkte auf den russischen Markt zurückkehren."
In unmittelbarer Zukunft will die Tschechische Republik gleich mit mehreren Wirtschaftszweigen ebenso geballt auf einen noch östlicheren Markt zurückkehren. Um welchen es sich dabei handelt, das erfahren Sie gleich.
Hinter die Fassade geschaut
In diesen Tagen, wo die Tschechische Republik auch vier Monate nach den Abgeordnetenhauswahlen noch keine stabile Regierung und damit auch keine handlungsfähige Exekutive hat, obliegt es vor allem Staatspräsident Vaclav Klaus, das Land nach außen hin zu repräsentieren sowie internationale Kontakte zu pflegen oder neue zu knüpfen. Auf einer zwölftägigen Asienreise, die er am Donnerstag beenden wird, hat er sich in Begleitung einer Delegation führender tschechischer Wirtschaftskapitäne in erster Linie darum bemüht, das politische Parkett für die Erweiterung und Intensivierung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen der Tschechischen Republik mit der Mongolei, Vietnam und Singapur sowie mit je einer Region in Russland und in China zu ebnen. Höhepunkt dieser Reise war zweifelsohne der viertägige Besuch im 83 Millionen Einwohner zählenden Vietnam. Und das aus gutem Grund. Denn die vor der politischen Wende im Jahre 1989 in der damaligen Tschechoslowakei und in Nordvietnam verbreitete sozialistische Gesellschaftsordnung hat zu einer ganzen Reihe von nutzbringenden Kontakten geführt. Von den in der damaligen Tschechoslowakei studierenden und arbeitenden Vietnamesen beherrschen noch heute rund 200.000 die tschechische Sprache. Zu ihnen gehören unter anderem der amtierende Außenminister Pham Gia Khiem und drei stellvertretende Minister. Außerdem leben in der heutigen Tschechischen Republik ca. 38.500 offiziell gemeldete vietnamesische Bürger. Insgesamt wird ihre Zahl sogar auf bis zu 60.000 geschätzt. All diese Fakten seien, so Präsident Klaus, eine gute Grundlage, um neben den politischen und kulturellen Beziehungen vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit wieder zu beleben und zu fördern:"Die große Gemeinschaft der Tschechisch sprechenden Vietnamesen hier plus die ebenfalls nicht geringe Anzahl der in Tschechien lebenden Vietnamesen sind eine natürliche Brücke zwischen beiden Ländern, und wir sollten uns schon deshalb den außereuropäischen Ländern nicht verschließen."Bei den mehrfachen Begegnungen, die Präsident Vaclav Klaus während seines Aufenthaltes gerade mit den Tschechisch sprechenden Vietnamesen hatte, versäumte er es auch nicht, wiederholt zu betonen, dass gerade in der Aus- und Weiterbildung von vietnamesischen Fachkräften ein großes Potenzial für die zukünftige Zusammenarbeit liege. Deshalb gehört das aufgrund seines niedrigen Pro-Kopf-Bruttoinlandprodukts immer noch zu den armen Ländern zählende Vietnam auch zu jenen Staaten, in denen sich Tschechien zu einer systematischen Entwicklungshilfe verpflichtet hat. Dafür wurden für das laufende Jahr Subventionen in Höhe von umgerechnet 735.000 Euro, für das nächste Jahr von 1,5 Millionen Euro und für das Jahr 2008 von rund 1,7 Million Euro veranschlagt. Von diesen Geldern wird unter anderem eine ganze Reihe von Stipendien für in Tschechien studierende Vietnamesen finanziert. Und nach Meinung von Vaclav Klaus ist genau das der richtige Weg:
"Viel mehr als in jedwedem Land der Erde habe ich gerade hier begriffen, dass es für uns die beste Investition ist, wenn wir Schüler und Studenten aus fremden Ländern zur Aus- und Fortbildung nach Tschechien einladen. Ich vertrete sogar den Standpunkt, ob es nicht besser wäre, anstelle der Eröffnung eines Czech Trade Centers in Vietnam lieber noch mehr an Stipendien für die zukünftigen vietnamesischen Studenten auszugeben. Denn sie sind das eigentliche Trade Center - wahrhaft und authentisch."Nach einem längeren Zeitraum des wirtschaftlichen Niedergangs verzeichnet Vietnam gegenwärtig ein beträchtliches Wirtschaftswachstum. Aufgrund der relativen Passivität der tschechischen Seite in den zurückliegenden Jahren weist die bilaterale Außenhandelsbilanz noch ein sehr unausgewogenes Bild auf: Den tschechischen Exporten in Höhe von 18,7 Millionen US-Dollar stand nämlich im vergangenen Jahr der Import von vietnamesischen Waren in Höhe von 92,9 Millionen US-Dollar gegenüber. Vor allem Textilien und Schuhe gehörten zu den Importschlagern. Aber spätestens jetzt, wo beide Länder in Hanoi eine Reihe von bilateralen Wirtschafts- und Investitionsabkommen unterzeichnet haben, soll damit begonnen werden, dieses Missverhältnis Schritt für Schritt abzubauen. So haben sich die Vertreter der Tschechischen Exportbank (CEB) und ihre vietnamesischen Partner über die Errichtung und Finanzierung einer neuen Zementfabrik in Vietnam geeinigt. Der dazu unterschriebene Investitionsvertrag beläuft sich auf 115 Millionen Euro. Neben diesem Großprojekt werden sich die Exportbank sowie mehrere tschechische Zulieferer noch an weiteren sieben Projekten beteiligen. Diese Projekte sind insbesondere in den Bereichen der Hydroenergetik, der Herstellung von Baustoffen oder aber im Brauereiwesen angesiedelt. Vaclav Klaus ist davon überzeugt, dass die tschechischen Unternehmer den vietnamesischen Markt schnell erobern werden.
"Ich habe das Gefühl, dass sich unsere Geschäftsleute mittlerweile doch schon gut in der Welt umgeschaut haben. Sie haben es inzwischen gelernt, auch langfristig zu planen und zu arbeiten. Hier in Vietnam bewegen sie sich auf einem Territorium, zu dem sie langfristige Wirtschaftsbeziehungen haben werden, und ich denke, auf diesem Weg tragen auch wir einiges dazu bei."Russland, China und Vietnam - auf diesen drei großen Märkten in Osteuropa und Asien will die Tschechischer Republik also in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch präsenter sein. Es wird spannend bleiben, zu beobachten, wie sich das tschechische Topmanagement dabei im internationalen Konkurrenzkampf behaupten wird.