Tschechiens Frauen fahren vier Medaillen auf Eis und Piste ein

Martina Sáblíková (Foto: ČTK)

In der vergangenen Woche hat sich erneut gezeigt, warum sich der tschechische Sport auf seine weiblichen Athleten verlassen kann. Es waren einmal mehr drei Frauen, die bei den Weltmeisterschaften in ihrer Sportart Medaillen gewonnen haben. Es waren die Eisschnellläuferinnen Martina Sáblíková uind Karolína Erbanová sowie die alpine Skiläuferin Šárka Strachová.

Sáblíková macht das Dutzend voll

Martina Sáblíková  (Foto: ČTK)
Martina Sáblíková ist ein Phänomen. Schon seit acht Jahren dominiert die 27-jährige Eisschnellläuferin die internationale Konkurrenz auf den Langstrecken. Und das, obwohl sie im eigenen Land keine echte Möglichkeit hat, ihren Sport auf professionellem Niveau zu trainieren. In Tschechien gibt es zwar mehrere schöne Hallen zur Austragung von Eishockey und Eiskunstlauf, doch ein modernes Eisoval für das Training des Schlittschuhlaufens auf den langen Kufen gibt es bis heute nicht. Das hat Sáblikovás Trainer Petr Novák daher auch von Anfang dazu bewogen, seinen Schützling besonders auf die langen Strecken auszurichten:

Petr Novák  (Foto: ČT24)
„Solange wir keine Eisschnelllaufbahn haben, ist es nahezu unmöglich, eine größere Gruppe von Sprinterinnen zu trainieren. Das ist wirklich sehr schwer. Auf den langen Strecken lässt sich dagegen die internationale Konkurrenzfähigkeit auch ohne eine solche Bahn erzielen. Das Ausdauertraining auf dem Eisoval kann man nämlich durch andere Sportarten ersetzen.“

Für Martina Sáblíková ist der Radsport ein solcher „Ersatz“. Jeden Sommer sitzt sie auf dem Sattel, vom Herbst bis zum Frühjahr aber ist sie auf dem Eis zu Hause. Für das schnelle Schlittschuhlaufen trainiert sie zielstrebig und hart seit ihrem 11. Lebensjahr. Dazu ist sie sehr diszipliniert, lobt ihr Trainer:

5000-Meter-Strecke: Carlijn Achtereekte,  Martina Sáblíková und Claudia Pechstein  (Foto: ČTK)
„Solche Menschen wie Martina, die ihrem Trainer voll vertrauen, gibt es nur wenige. Sie macht alles, was für den Erfolg notwendig ist. Sie ist am Abend um zehn Uhr im Bett, damit sie am nächsten Morgen – nach neunstündigem Schlaf – schon beim ersten Training eine hundertprozentige Leistung bringen kann.“

Diese Einstellung, ihr Wille und ihr Trainingsfleiß haben Martina Sáblíková mittlerweile zu der Frau gemacht, für die sie in der Welt ihres Sports von allen Seiten bewundert und von ihren Landsleuten bejubelt wird: Sie ist die Königin der Langstrecke. Das trifft ganz besonders auf die 5000-Meter-Strecke zu, die sie seit 2007 absolut beherrscht. Seit jenen Jahr hat sie über diese Distanz ununterbrochen den WM-Titel gewonnen und in den Jahren 2010 und 2014 auch den Olympiasieg. Im niederländischen Heerenveen, wo die jüngsten Welttitelkämpfe vor wenigen Tagen ausgetragen wurden, war das nicht anders. Ihre härteste Konkurrentin, die Niederländerin Carlijn Achtereekte hatte jedoch mit 6:54,49 Minuten eine sehr gute Zeit vorgelegt. Die Tschechin aus Žďár nad Sázavou warf jedoch all ihr Können in die Waagschale, um diese Zeit zu unterbieten. Dass ihr dies gelingen sollte, spürte sie auch durch ihren Trainer:

Martina Sáblíková hatte das 3000-m-Rennen gewonnen  (Foto: ČTK)
„Erst im Ziel war ich mir sicher, Gold geholt zu haben. Mich hat es aber beruhigt, dass mein Trainer während der jeweiligen Rundenzeiten immer ruhig geblieben ist. Erst vor der letzten Runde hat er mich angefeuert, doch ich musste bis zur letzten Kurve konzentriert bleiben. Erst nach dem Zieleinlauf habe ich den Sieg in vollen Zügen genossen.“

Nur einen Tag zuvor hatte Martina Sáblíková bereits die Konkurrenz über 3000 Meter gewonnen. Es war ihr dritter WM-Sieg auf dieser Strecke. Mit den sieben Erfolgen über 5000 Meter und zweien im Mehrkampf hat sie damit das Dutzend an WM-Titeln vollgemacht. Doch gerade weil sie ihre beiden Paradestrecken binnen 24 Stunden absolvieren musste, haben ihre jüngsten Siege einen großen Stellenwert:

„Es war natürlich sehr schwer diesmal. Meine holländische Gegnerin hatte das 3000-Meter-Rennen ausgelassen, mir aber steckte diese Anstrengung in den Knochen. Ich muss mich bei meinem Masseur bedanken, dass er mich wieder aufgepäppelt hat. Gestern hat er mich 45 Minuten lang massiert und heute nach dem Training dann auch so hinbekommen, dass mir die Beine wieder gehorcht haben. Daher bin ich jetzt überglücklich und vollauf zufrieden.“

Erbanová gewinnt ihre erste WM-Medaille

Karolína Erbanová  (Foto: ČTK)
In der tschechischen Mannschaft gab es erstmals aber noch eine zweite Dame, die mit ihrem WM-Auftritt sehr zufrieden war: die 22-jährige Karolína Erbanová. Die in Vrchlabí / Hohenelbe am Fuße des Riesengebirges geborene Erbanová gewann in Heerenveen ihre erste WM-Medaille. Es war die bronzene über 1000 Meter. Entsprechend groß war ihre Freude:

„Ich kann es noch gar nicht richtig glauben, aber ich habe endlich meine erste Medaille bei den Seniorinnen gewonnen. Das ist ein unglaubliches Erlebnis.“

Marianne Timmer  (Foto: YouTube)
In ihrer Kindheit ist Karolína schon mit vier Jahren im Riesengebirge Ski gefahren. Als Zehnjährige aber begann sie, mit den Jungs ihrer Heimatstadt im städtischen Verein von Vrchlabí Eishockey zu spielen. Vier Jahre später, im Jahr 2006, empfahl sie dann ihr Trainer an Petr Novák zum Eisschnelllauf weiter. Seither trainierte sie im tschechischen Novis Team gemeinsam mit der dreifachen Olympiasiegerin Martina Sáblíková. Bis zum Ende der vergangenen Saison. Danach schloss sie sich dem niederländischen Continu Team an, denn dort hat sie bessere Bedingungen für die von ihr bevorzugten Sprintstrecken. Im 1000-Meter-Wettbewerb von Heerenveen wurde sie dann für den letzten Lauf ihrer holländischen Teamkollegin Ireen Wüst zugelost. Und so kam es, dass sie in diesem Rennen von ihrem Ex-Trainer Petr Novák betreut wurde, während ihre Rivalin von ihrer jetzigen Teamtrainerin Marianne Timmer unterstützt wurde:

Heather Richardson,  Brittany Bowe und Karolína Erbanová  (Foto: ČTK)
„Diese Konstellation hat es in dieser Saison nicht zum ersten Mal gegeben. Ich finde das prima. Ich werde vom tschechischen Nationaltrainer betreut, vor dem Rennen aber ist dort auch Marianne, mit der ich ansonsten die Wettkämpfe und das Training absolviere. Für mich ist das ein tolles Gefühl.“

Und ein tolles Rennen bot Erbanová dann auch im Duell mit ihrer Teamkollegin. Sie bezwang Ireen Wüst, so dass die vierfache Olympiasiegerin diesmal leer ausging. Die Zeit von Erbanová reichte, um hinter den US-Amerikanerinnen Brittany Bowe und Heather Richardson auf den dritten Platz zu kommen. Das nötige Selbstvertrauen für diesen Lauf hatte sich Erbanová ein paar Tage zuvor geholt, als sie ihren ersten Weltcupsieg errungen hatte:

 Eisstadion in Heerenveen  (Foto: Sander.v.Ginkel,  Wikimedia CC BY-SA 4.0)
„In der vergangenen Woche habe ich sehr viel positive Energie getankt, insbesondere was mein Selbstbewusstsein betrifft. Man muss sich einfach bewusst sein, dass man eine Medaille erlaufen kann. Ansonsten spielt dann der Körper nicht mit, wenn es drauf ankommt.“

In Heerenveen hat Karolína Erbanová also nun ihr Meisterstück vollbracht, und man darf sicher sein, dass auch in Zukunft mit ihr zu rechnen ist.

Strachová feiert erfolgreiches Comeback

Šárka Strachová  (Foto: ČTK)
Im alpinen Skisport kann die Tschechische Republik (noch) nicht auf so viele Erfolge verweisen. Dazu ist die Konkurrenz der Alpenländer und der USA viel zu stark, sie haben für diesen Sport auch wesentlich bessere Bedingungen. Dennoch hat das Land zwischen Erzgebirge und Beskiden zumindest eine Athletin hervorgenbracht, die seit Jahren in ihrer Paradedisziplin – dem Spezialslalom – in der Weltelite ganz vorn mitmischt. Die Rede ist von Šárka Strachová, die unter ihrem Mädchennamen Záhrobská drei WM-Medaillen und 2010 Olympiabronze gewonnen hat.

Petr Záhrobský  (Foto: Archiv Z1TV)
Nach dem Gewinn des olympischen Edelmetalls fiel die Skifahrerin aus dem Riesengebirge jedoch in ein tiefes mentales Loch. Das dauerhafte Zerwürfnis mit ihrem Trainer und Vater Petr Záhrobský führte dazu, dass sich ihre Wege trennten. Parallel dazu litt auch Šárkas Gesundheit, denn Ärzte stellten bei ihr einen gutartigen Tumor in der Hirnanhangsdrüse fest. Nach der erfolgreichen OP im Sommer 2012 startete die Tschechin dann einen echten Neuanfang. Mit ihrem neuen Trainer, dem Österreicher Klaus Mayrhofer, versuchte sie wieder Anschluss zu gewinnen. Die inzwischen jüngere Konkurrenz schien ihr jedoch davonzufahren. Bis zu dieser Saison. Beim Weltcup im österreichischen Kühtai stand Šárka Strachová nach fünf Jahren erstmals wieder auf dem Siegerpodest. Und bei der WM in Beaver Creek / Vail vollendete sie ihr Comeback.

Šárka Strachová  (Foto: ČTK)
Nach dem ersten Lauf des WM-Slaloms lag die 30-Jährige auf dem dritten Platz, nach der Zieldurchfahrt ihres zweiten Laufs jubelte der tschechische Radioreporter:

„Šárka Strachová liegt in Führung und hat somit eine Medaille gewonnen.“

Diese Zieldurchfahrt werde sie nie vergessen, sagte Strachová kurze Zeit später:

„Ich konnte es kaum glauben: Als ich die Ziellinie passiert hatte, war ich überglücklich, dass auf der Anzeigetafel das grüne Licht aufleuchtete. Ich wusste also, ich bin in Führung und habe die Medaille sicher. Mir war es dann bereits egal, ob ich Dritte bleibe oder noch weiter nach oben klettere. Das sind Emotionen, die lassen sich nicht beschreiben. Man muss sie erleben.“

Frida Hansdotter,  Mikaela Shiffrin und Šárka Strachová  (Foto: ČTK)
Die Amerikanerin Mikaela Shiffrin und die Schwedin Frida Hansdotter unterboten die Zeit der Tschechin dann tatsächlich noch, über den Gewinn ihrer zweiten WM-Bronzemedaille war Strachová indes überaus zufrieden:

„Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich mich entschieden hatte, auch nach einer Verletzung und meiner OP weiterzumachen. Nach der letzten Saison war ich sehr müde und psychisch am Boden. Ich musste Kraft tanken, um mich neu zu motivieren. Ich bin froh, dass ich meiner Intuition gefolgt bin, die mir sagte: ‚Es geht weiter!‘ Der heutige Erfolg ist ein weiterer Schritt auf meinem Weg.“

Und diesen Weg wolle sie, so Strachová, mindestens noch zwei Jahre weitergehen bis zur nächsten WM, die 2017 im schweizerischen St. Moritz stattfindet. Aber auch Martina Sáblíková und Karolína Erbanová wollen die tschechischen Sportfans noch längere Zeit mit ihren Top-Leistungen erfreuen.

Autor: Lothar Martin
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