Tschechien stellt im Sportjahr 2017 acht Weltmeister

Ondřej Synek (Foto: Iva Roháčková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

In wenigen Tagen geht das Jahr 2017 zu Ende. Aus Sicht des tschechischen Spitzensports war es durchaus erfolgreich. Denn die Top-Athleten des Landes haben bei Weltmeisterschaften insgesamt acht Goldmedaillen gewonnen. Es gab aber auch wenig Erfreuliches zu verdauen, vor allem im Fußball und im Eishockey.

Gabriela Koukalová in Hochfilzen  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Bei der Biathlon-Weltmeisterschaft Mitte Februar im österreichischen Hochfilzen war gerade der zweite von insgesamt elf Wettbewerben beendet – der Sprint der Frauen –, da verkündete der Stadionsprecher:

„An der ersten Stelle und damit Weltmeisterin ist Gabriela Koukalová aus der Tschechischen Republik.“

Mit diesem Erfolg hatte Gabriela Koukalová wieder ein Stück tschechischer Sportgeschichte geschrieben. Sie ist nach Kateřina Holubcová (2003, Einzel) und Roman Dostál (2005, Einzel) erst die dritte Biathletin, die einen WM-Titel in einer Einzeldisziplin gewonnen hat. Und dies auch verdient, lobte der Cheftrainer der tschechischen Biathleten und Biathletinnen, Ondřej Rybář:

Ondřej Rybář  (Foto: Prokop Havel,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Ich sage es immer wieder: Gabriela reift wie ein guter Wein. Sie ist ein Profi, eine Sportlerin, wie sie im Buche steht. Beim Schießen hat sie heute jede Scheibe nacheinander anvisiert, weil sie wusste, was sie wollte. Sie ist Weltmeisterin, und ich denke, völlig zu Recht.“

Die mittlerweile 28-Jährige genoss den Sieg, aber sie ließ ebenso viele Menschen daran teilhaben:

„Auf der letzten Runde hat mich die Anfeuerung durch die Fans auf Schritt und Tritt beflügelt. Ich habe gespürt, dass ich nicht allein bin im Kampf gegen die Uhr. Ihren Anteil an meinem Sieg haben also auch die Fans sowie die Trainer und Servicemänner, die mir ausgezeichnete Bedingungen verschaffen. Dafür danke ich sehr.“

Ondřej Rybář: Gabriela (Koukalová) reift wie ein guter Wein. Sie ist ein Profi, eine Sportlerin, wie sie im Buche steht. Sie ist Weltmeisterin, und ich denke, völlig zu Recht.“

Danach machte Koukalová im Einzel und in der Verfolgung mit Silber und Bronze den Medaillensatz komplett. Und dank Ondřej Moravecs Silber im Einzel der Männer fuhr die tschechische Mannschaft hinter Deutschland und Frankreich als drittbeste Biathlon-Nation nach Hause.

Ebenfalls im Februar brillierte eine andere Tschechin zum wiederholten Male auf dem langen Eis-Oval. Die Rede ist von Eisschnellläuferin Martina Sáblíková. Bei der WM im südkoreanischen Gangneung machte sie ihren neunten Titel in Serie auf der 5000-Meter-Strecke perfekt. Die dreifache Olympiasiegerin errang so ihre 13. WM-Goldmedaille auf einer Einzelstrecke und übertraf damit sowohl die Niederländerin Ireen Wüst als auch die deutsche Legende Anni Friesinger-Postma:

Martina Sáblíková  (links) im südkoreanischen Gangneung  (Foto: YouTube)
„Mir bedeutet es sehr viel, dass ich schon neun Jahre in Folge die Titelträgerin über 5000 Meter bin. Man wird sehen, ob das so weiter geht.“

Nur wenige Tage zuvor, beim Weltcup in Berlin, sicherte sich Sáblíková mit einem zweiten Platz auf der 3000-Meter-Strecke zum elften Mal in Folge den Gesamtweltcup auf der Langstrecke. Auch darüber war sie zu Recht sehr stolz:

„Ich bin sehr froh, dass ein solch kleines Land wie unseres, in dem es keine Kunstbahn gibt, mit Ländern konkurrieren kann, die 20 bis 28 Bahnen haben. Für uns ist das eine große Genugtuung, denn es ist einfach etwas Unglaubliches.“

Von einem solchen Medaillensegen können die tschechischen Skisportler in den nordischen Disziplinen mittlerweile nur noch träumen. Wie bei den Titelkämpfen 2011 und 2013 blieben sie auch diesmal ohne WM-Medaille. Mit Lukáš Bauer hat zudem nach der Weltmeisterschaft in Lahti der letzte konkurrenzfähige Langläufer seine erfolgreiche Karriere beendet. Kateřina Neumannová, Olympiasiegerin und zweimalige Weltmeisterin in der Loipe, zog daher als Co-Kommentatorin des Tschechischen Fernsehens ein ernüchterndes Fazit:

Martina Sáblíková: „Ich bin sehr froh, dass ein solch kleines Land wie unseres, in dem es keine Kunstbahn gibt, mit Ländern konkurrieren kann, die 20 bis 28 Bahnen haben. Für uns ist das eine große Genugtuung, denn es ist einfach etwas Unglaubliches.“

„Wir stecken tief in der Krise. Ich gehe davon aus, dass wir jetzt an der Talsohle angelangt sind. In den kommenden zwei Jahren werden die Ergebnisse wieder nach oben zeigen. Mit den jungen Leuten wird es aber noch viel Arbeit geben. Einen Aufschwung erwarte ich daher erst im nächsten oder übernächsten olympischen Zyklus. Dann könnten wir vielleicht wieder dorthin gelangen, wo wir in den vergangenen Jahren schon einmal waren.“

Und auch im alpinen Skisport hieß es Abschied nehmen – Šárka Strachová beendete ihre aktive Karriere. Die 32-Jährige hat über ein Jahrzehnt lang im Konzert der Großen mitgespielt und dabei in ihrer Paradedisziplin, dem Slalom, eine olympische Bronzemedaille, den Weltmeistertitel 2007 und drei weitere WM-Medaillen gewonnen. Ihren letzten großen Wettkampf absolvierte die Tschechin Mitte März beim Weltcup-Finale in Aspen.

Šárka Strachová  (Foto: YouTube)
„Es war sicher nicht leicht, meine Tränen zu unterdrücken, und das nicht nur nach dem Zieleinlauf, sondern auch zwischen den beiden Durchgängen und am Start“, beschrieb Strachová ihr Abschiedsrennen auf der internationalen Bühne.

Auch im hierzulande sehr populären Eishockey kam Bewegung rein, wenn auch mehr auf nationaler Ebene. Denn in der heimischen Extraliga feierte ein Traditionsverein nach einer langen Durststrecke von 51 Jahren endlich wieder die Meisterschaft: der HC Kometa Brünn. Auf der anderen Seite war es schon der zwölfte Titel für die Mähren, denn in den 1950er und 1960er Jahren waren sie in der damaligen Tschechoslowakei absolut dominant. An ihrem Erfolg nach so langer Zeit hat auch der Clubeigner, Manager und Cheftrainer in Personalunion, Libor Zábranský, maßgeblichen Anteil. Nach dem Sieg in der Finalserie gegen das Team von Bílí Tygři Liberec gab es von ihm nur lobende Worte:

HC Kometa Brünn - HC Bílí Tygři Liberec  (Foto: YouTube)
„Der Schlüssel zum Erfolg war für mich der Charakter der Mannschaft. Die Spieler hatten den Willen, alles für den Sieg zu tun. Das war entscheidend.“

Weit weniger bis gar kein Lob verdiente indes die tschechische Eishockey-Nationalmannschaft. Bei der WM im Mai, die in Köln und Paris stattfand, schied sie bereits im Viertelfinale aus und wurde am Ende nur Siebter.

Wesentlich erfolgreicher war der Mai indes für einen altgedienten und traditionsbewussten Fußballverein – für den SK Slavia Prag. Am letzten Spieltag mussten die Hauptstädter für ihr großes Ziel noch einmal gewinnen:

Es läuft die 90. Spielminute in der Begegnung Slavia Prag gegen Brünn, es steht 4:0 für die Gastgeber … und jetzt erfolgt der Schlusspfiff, die Slavia-Fans stürmen auf den Platz und feiern ihre neuen Helden, denn nach acht Jahren geht der Meistertitel wieder an den Prager Traditionsverein.

Slavia Prag feiert  (Foto: YouTube)
In der heimischen Liga konnten die Rot-Weißen also zu Recht jubeln. Im Sommer, als die neue Saison in den europäischen Wettbewerb begann, scheiterten sie jedoch genauso wie Vizemeister Viktoria Pilsen in der Qualifikation zur Champions League. Und dass der tschechische Fußball international zurzeit wirklich keine Bäume mehr ausreißt, bestätigte erst recht die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2018. In dieser blieb die Nationalmannschaft als Gruppen-Dritter sehr früh stecken. Vor ihr landete dabei nicht nur Favorit und Titelverteidiger Deutschland, sondern auch die als schlagbar eingestuften Nordiren.

Barbora Špotáková in London 2017  (Foto: YouTube)
Eine Bank für internationale Siege und Medaillen sind dagegen die tschechische Leichtathleten, allen voran die Speerwerferinnen und Speerwerfer. Bei der Weltmeisterschaft in London gewann Barbora Špotáková nach 2007 ihr zweites WM-Gold, ihre männlichen Mitstreiter Jakub Vadlejch und Petr Frydrych erkämpften Silber beziehungsweise Bronze. Vor diesen Leistungen konnte auch Cheftrainer Tomáš Dvořák nur den Hut ziehen:

„Wir haben drei Medaillen im Speerwurfsektor gewonnen. Damit haben wir erneut bewiesen, dass wir eine Speerwurf-Nation sind. Dafür bin ich dankbar, mehr muss ich nicht sagen.“

In London war Barbora Špotáková bereits 2012 Olympiasiegerin geworden. Dafür musste sie vor fünf Jahren 69,55 Meter werfen, diesmal reichten ihr 66,76 Meter zum Sieg. Das verblüffte die neue Weltmeisterin:

Barbora Špotáková: „Das ist meine Saison. Ich bin sehr gut in Form, deshalb habe ich auch an mich geglaubt. Ich dachte allerdings, dass ich weiter werfen müsste, um zu gewinnen. … doch: Das ist mein Stadion, hier bin ich unschlagbar, auch wenn ich nicht weiß, warum das so ist.“

„Das ist meine Saison. Ich bin sehr gut in Form, deshalb habe ich auch an mich geglaubt. Ich dachte allerdings, dass ich weiter werfen müsste, um zu gewinnen. Es hat aber geklappt, und ich muss noch einmal bestätigen, was ich schon vor der WM gesagt habe: Das ist mein Stadion, hier bin ich unschlagbar, auch wenn ich nicht weiß, warum das so ist.“

Eine überzeugende Rolle spielen tschechische Sportler seit Jahren in den Wassersportarten wie Kanurennsport, Kanuslalom und Rudern. Auch in diesem Jahr stellten sie ihr großes Können unter Beweis. Die Rennkanuten haben bei der Heim-WM in Račice nicht weniger als sechs Medaillen gewonnen, davon zwei goldene. Sie gingen auf das Konto Josef Dostál und Martin Fuksa, die sich in den Rennen im Einer-Kajak beziehungsweise Einer-Canadier auf der nichtolympischen 500-Meter-Strecke durchsetzten. Am ersten Finaltag hatten sich beide über die 1000 Meter noch jeweils ihren Kontrahenten aus Deutschland geschlagen geben müssen.

Ondřej Synek  (Foto: Iva Roháčková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Keinen Bezwinger fand dagegen Ondřej Tunka, der bei der WM im Wildwasser-Kanuslalom im Einer-Kajak triumphierte. Und eine ganz besondere Leistung vollbrachte Ruderer Ondřej Synek. Der 35-jährige Skuller wurde im US-amerikanischen Sarasota schon zum fünften Male Weltmeister in seiner Bootsklasse. Seine Motivation sei ungebrochen, verriet Synek:

„Ich liebe diesen Sport und betreibe ihn deshalb, weil er mir Spaß macht. Ich bin unter Leuten, kann mit ihnen wetteifern und mein Ego auch etwas anstacheln, indem ich die Gegner bezwinge. Eine Medaille ist für mich der Lohn für gute Arbeit.“

Hervorragende Leistungen vollbrachten zudem noch weitere Sportler. Stellvertretend für sie seien hier noch diese Athleten genannt: Wasserspringer Michal Navrátil, der WM-Silber im Klippenspringen holte, der Sportschütze David Kostelecký, der nach 2002 seinen zweiten EM-Titel im Wurftaubenschießen in der Disziplin Trap gewann, sowie Tennisspielerin Karolína Plíšková, die in diesem Jahr nicht nur drei WTA-Turniere für sich entschied, sondern auch für acht Wochen die Nummer eins der Weltrangliste war.

Autor: Lothar Martin
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