Tschechiens Industrie hat größten Zuwachs in Europa - Dreifachchance auf Hyundai-Standort
Die tschechische Wirtschaft konnte im Jahr 2005 einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von satten fünf Prozent verzeichnen. Der Prognose von Industrie- und Handelsminister Milan Urban zufolge sollte der diesjährige Anstieg sogar 5,1 Prozent betragen und der Überschuss in der Außenhandelsbilanz auf bis zu 80 Milliarden Kronen (ca. 2,8 Milliarden Euro) anwachsen.
Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft
Die tschechische Wirtschaft konnte im Jahr 2005 einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von satten fünf Prozent verzeichnen. Der Prognose von Industrie- und Handelsminister Milan Urban zufolge sollte der diesjährige Anstieg sogar 5,1 Prozent betragen und der Überschuss in der Außenhandelsbilanz auf bis zu 80 Milliarden Kronen (ca. 2,8 Milliarden Euro) anwachsen. An der stetig steigenden Exportkraft der hiesigen Ökonomie hat die seit drei Jahren ein ununterbrochenes Wachstum aufweisende Industrie den größten Anteil, sagte Urban. Seit Ende des Jahres 2000 ist die Industrieproduktion um nicht weniger als 48 Prozent gestiegen, unterstrich der Minister und ergänzte:"Das ist ein Ergebnis, das seinesgleichen sucht. Zum Vergleich: In Deutschland stieg die Industrieproduktion im gleichen Zeitraum um 6,6 Prozent und in der Europäischen Union der 25 Mitgliedsstaaten um vier Prozent. Uns am nächsten kommen wohl noch die Ungarn und die Polen mit je rund 31 Prozent, doch in diesem Peloton haben wir ganz klar die Führung inne."
Des Weiteren positiv zu Buche schlägt die Tatsache, dass der Anteil der öffentlichen Schulden der Tschechischen Republik am Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr erstmals zurückgegangen ist, und zwar um 0,2 Prozent gegenüber den Vorjahren 2003 und 2004. Während aber Finanzminister Bohuslav Sobotka diesbezüglich von einem Durchbruch sprach, relativierte der Chefökonom der tschechischen Raiffeisenbank, Pavel Mertlik, das gute Ergebnis wie folgt:"Die Verringerung des Schuldenanteils von 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ist unbedeutend, aber wichtig ist der Fakt, dass ab dem Jahr 2003 der Anteil der öffentlichen Schulden am Bruttoinlandsprodukt stagniert. Damit veränderte sich der Trend, den wir ab Mitte der 90er Jahre hatten, als der Schuldenanteil relativ schnell angewachsen ist. Die jetzige Situation aber verschafft uns die groben Voraussetzungen für die weiteren Vorbereitungen zum geplanten Beitritt zur Eurozone und ist ebenso positiv für die gesamte Stabilität der tschechischen Wirtschaft."
Hinter der dynamischen ökonomischen Entwicklung in Tschechien bleibt allerdings der Ausbau einer konkurrenzfähigen Infrastruktur im Lande immer noch erheblich zurück. So ist zum Beispiel die Autobahn D11, die eines Tages von Prag nach Hradec Kralove / Königgrätz und wenn möglich weiter bis zur Grenze mit Polen führen soll, noch nicht in dem Maße ausgebaut, dass sie den schnellen An- und Abtransport von Waren zum neuen TPCA-Automobilwerk in Kolin ermöglicht. Oder aber andere Straßenverbindungen wie die böhmisch-mährische Hauptverkehrsader, die Autobahn D1 von Prag nach Brno / Brünn, sind inzwischen so hoffnungslos überlastet, dass man sich ständig neue Maßnahmen einfallen lassen muss, um die Stau- und Unfallgefahr auf dieser Trasse einzudämmen. Über eine davon informiert Verkehrsminister Milan Simonovsky:
"Gemeinsam mit der Polizei haben wir uns auf eine Verstärkung der Autobahnüberwachung aus der Luft verständigt. Damit wollen wir u. a. erreichen, dass rücksichtslos agierende Lkw- und Pkw-Fahrer schnell ausgemacht und die Informationen darüber an die nächste Verkehrskontrolle weitergeleitet werden. Verkehrssünder sollen dadurch besser erfasst und dem Gesetz nach auch zur Verantwortung gezogen werden."Bei Fahrten auf den Straßen und Autobahnen in Tschechien wird man den Aral-Tankstellen zwar rein optisch noch begegnen können, der Inhaber dieser Niederlassungen aber ist seit 1. Januar die österreichische Gesellschaft OMV, die die hiesigen 70 Aral-Tankstellen mit Beginn des neuen Jahres übernommen hat. Weshalb es jedoch noch einige Zeit braucht, bis das auch sichtbar wird, dazu erklärte OMV-Medienvertreter Alex Rohrich:
"Was die Umgestaltung der Aral- in OMV-Tankstellen anbelangt, so wird damit sofort begonnen. Was die baulichen Veränderungen betrifft, jedoch erst dann, wenn es das Wetter zulässt. Der gesamte Umbauprozess soll bis Ende Juni dieses Jahres abgeschlossen werden."
Hinter die Fassade geschaut
Wie wir Sie bereits mehrfach informiert haben, hegt der siebtgrößte Automobilhersteller der Welt, die südkoreanische Firma Hyundai, die Absicht, in Mitteleuropa eine neue Produktionsstätte zu errichten, dank der man den Vertrieb seiner Fahrzeuge vor allem in Europa weiter vorantreiben will. Die größten Chancen, den Zuschlag für den europäischen Standort von Hyundai zu erhalten, hat die Tschechische Republik. Ihr einzig ernsthafter Konkurrent ist Polen, da beide Staaten im Dreiländereck mit der Slowakei die Gewähr bieten, dass sich der Hyundai-Standort nur unweit der slowakischen Stadt Zilina befinden wird, wo Hyundai derzeit ein Werk seiner Tochtergesellschaft Kia errichtet. Aufgrund dieser Ausgangssituation ist Tschechien in der Ausschreibung mit dem Angebot von gleich drei Standorten vertreten, die allesamt in dem an die Slowakei grenzenden Landesteil Mähren liegen: Nosovice und Mosnov im Mährisch-Schlesischen Landkreis sowie Holesov im Landkreis Zlin. Der letztgenannte Standort liegt am weitesten von Zilina entfernt, nichtsdestotrotz bestieg auch der Landkreisvorsitzende des Zliner Landkreises, Libor Lukas, recht optimistisch das Flugzeug, mit dem die tschechische Regierungsdelegation am Montag zu den finalen Verhandlungen nach Südkorea abgereist ist. Als eigenen Standortvorteil hob Lukas dabei einen infrastrukturellen Aspekt hervor:
"Ich will auch festhalten, dass der Bau der Autobahn nach Zilina, wo Hyundai sein zweites Werk in Europa hat, auf einem guten Weg ist. Dieses Werk kann uns unsere Ausgangsposition in einem bedeutenden Maße verbessern und die Autobahn würde dann ganz sicher in Tschechien Priorität erhalten."
Der Bürgermeister von Ostrava / Ostrau, Ales Zednik, der in erster Linie die Interessen des nahe gelegenen Mosnov, aber ebenso die des Standortes Nosovice vertritt, sieht die Chancenverteilung natürlich völlig anders:
"Wir wollen der koreanischen Seite klarmachen, dass wir uns einig sind, denn unsere Präsentation wird eine gemeinsame für die Standorte Mosnov und Nosovice sein. Wir sehen nämlich die Chance, den zweiten Standort für die Sublieferanten freizuhalten, womit wir unsere Vorteile gegenüber dem Landkreis Zlin herausstreichen wollen. Ich denke schon, dass der Standort in Holesov nur dritte Wahl ist und beide nordmährischen Standorte die klaren Favoriten sind."
Tschechiens Premierminister Jiri Paroubek, der die tschechische Delegation in Südkorea anführt, ist sich jedoch sicher, dass für den Zuschlag bei der Vergabe des Industrieprojekts eigentlich nur ein Standort in Frage kommt:
"Wenn der Vorsitzende des Zliner Landkreises schon mitreist, so haben wir ganz bestimmt auch ein Interesse daran, weitere Investitionen auch für diesen Landkreis zu gewinnen. Ich bin nichtsdestotrotz davon überzeugt, dass wir uns einigen werden und dass die Südkoreaner in erster Linie auf den Standort Nosovice reflektieren werden. Davon bin ich zu 95 Prozent überzeugt."
Bis zum jetzigen Zeitpunkt war noch nicht klar, mit welchen Eindrücken, Zu- oder Absagen die tschechische Delegation aus Südkorea zurückkommen wird. Die Sprecherin des Mährisch-Schlesischen Landkreises, Sarka Swiderova, drückte jedoch schon vor der Abreise aus, bis wann man mit einer Entscheidung rechne:
"Es ist nicht zu erwarten, dass sich Hyundai sofort äußern und sagen wird: Jawohl, wir gehen nach Nosovice bzw. wir gehen nach Mosnov. Aber es ist davon auszugehen, dass Hyundai die Angebote noch einmal studieren und sich die Entscheidung daher bis Ende Januar verschieben wird."