Tschechiens Industrieproduktion steigt rasant - Euro-Einführung nicht vor 2012 geplant

Foto: Europäische Kommisson

Die tschechische Wirtschaft boomt. In allererster Linie die Industrieproduktion. Da aber die meisten Branchen ihre Erfolge dem guten Absatz ihrer Produkte im Ausland zu verdanken haben, verringert die starke Krone ihre Gewinnausbeute. Deshalb werden in Wirtschaftskreisen die Stimmen immer lauter, die für eine zügige Einführung des Euro plädieren. In Tschechien sind inzwischen die Vorbereitungen auf diese Währungsumstellung angelaufen.

Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft

TPCA Kolín
Die tschechische Industrieproduktion legt derzeit ein unglaubliches Tempo vor. Sie wächst fünfmal so schnell wie in anderen Ländern der Europäischen Union. Den Angaben des tschechischen Statistikamtes zufolge hat sie im Februar eine Steigerungsrate von fast 15,5 Prozent verzeichnet. Die Gründe für den rasanten Aufschwung nennt der Ökonom der Agentur Next finance, Vladimir Pikora:

"Zunächst muss man erwähnen, dass die Herstellung von elektrischen und optischen Apparaten und Einrichtungen sehr schnell gewachsen ist. Der zweite Motor der Industrieproduktion ist die Fahrzeugherstellung. Das sind die Branchen, die der tschechische Staat in den letzten Jahren am meisten gefördert hat, und zwar mit guten Investitionsangeboten. Die schwächsten Glieder der tschechischen Industrie waren demgegenüber in den zurückliegenden Monaten die Erzeugung und Verteilung von Energie, Gas und Wasser."

Für ihre weitere Entwicklung sagt auch David Marek, der Analytiker der Agentur Patria Finance, der Industrieproduktion gute Perspektiven voraus:

"Die Industrieproduktion sollte ihre relativ hohe Dynamik im Verlauf dieses Jahres beibehalten können. Für das gesamte Jahr rechnen wir mit einem Zuwachs der Industrieproduktion von rund sechs Prozent. Der Grund dafür ist die verhältnismäßig günstige Entwicklung der europäischen Wirtschaft. Der tschechischen Industrie kommt es daher zugute, dass sie sehr exportorientiert ist."

In Mlada Boleslav / Jungbunzlau ist am vergangenen Freitag eine neue Tankstelle eröffnet worden, an der man komprimiertes Erdgas als Kraftstoff auffüllen kann. Dazu erklärte die Sprecherin der Mittelböhmischen Gaswerke, Simona Hladikova:

"Der Bedarf an komprimiertem Erdgas nimmt Jahr für Jahr zu. Gegenwärtig verkehren auf unseren Straßen rund 700 Autos und Busse, die mit diesem Treibstoff betrieben werden. Mit der Eröffnung dieser Tankstelle soll der umweltfreundliche Verkehr in der Tschechischen Republik unterstützt werden. Gleichzeitig wird das Unternehmen Skoda Auto schon bald den eigenen Prototyp eines Autos präsentieren, das mit komprimiertem Erdgas betrieben wird."

Hinter die Fassade geschaut

Foto: Europäische Kommission
Die tschechische Regierung hat am vergangenen Mittwoch den nationalen Plan zur Euro-Einführung gebilligt. Das Dokument legt die einzelnen Schritte fest, mit denen eine reibungslose Einführung des Euro in Tschechien erreicht werden soll. Dem Maßnahmenplan liegt dabei das so genannte "Big-Bang"-Szenario zugrunde, also die gleichzeitige Währungsumstellung im bargeldlosen Verkehr wie im Bargeldverkehr. Weshalb sich Tschechien für diese Variante entschieden hat, dazu sagte der Nationale Koordinator zur Einführung des Euro in Tschechien, Petr Ocko:

"Das Szenario minimiert den Aufwand zur Umstellung der Computersysteme für die Verwaltung ebenso wie für die Wirtschaft. In den zwölf Ländern der Eurozone, die als erste ihre Währungen auf den Euro umgestellt haben, gab es eine dreijährige Übergangszeit - 1999 wurde der Euro als Buchgeld und zum 1. Januar 2002 dann erst als Bargeld eingeführt. Aber wir wollen den Weg der gleichzeitigen Einführung des Euro für den bargeldlosen Verkehr und den Bargeldverkehr gehen. Und zwar zum einen, weil unsere Bürger den Euro schon kennen, und zum anderen, weil wir es nicht für erforderlich halten, dass die Computersysteme zweimal umgestellt werden."

Bei der Durchsetzung der Big-Bang-Variante kommen der Tschechischen Republik wertvolle Erfahrungen zugute, nämlich die, die Slowenien seit der zu Beginn des Jahres vollzogenen Euro-Einführung macht.

Foto: Europäische Kommission
"Slowenien ist für uns sicher ein sehr inspiratives Beispiel. Es ist das erste Land, das den Euro anhand dieses Szenarios eingeführt hat. Wir haben sehr gute Kontakte zu den Slowenen und wissen deshalb, dass ihnen die Umstellung auf Euro ziemlich gut gelungen ist und sie damit keine wesentlichen technischen Probleme hatten. Das Beispiel Slowenien gibt uns also weitere Argumente dafür in die Hand, um nach genau dem gleichen Szenarium auch in der Tschechischen Republik vorzugehen."

Um dieses Vorhaben aber in die Praxis umsetzen zu können, muss Tschechien noch einige der so genannten Konvergenzkriterien erfüllen, die im Stabilitäts- und Wachstumspakt verankert sind, der 1992 als Maastricht-Vertrag verabschiedet wurde. Das wichtigste Kriterium ist die Forderung nach einem annähernd ausgeglichenen Staatshaushalt, das für die Neuverschuldung eine Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorschreibt. In dieser Hinsicht muss Tschechien noch zulegen, weiß auch Petr Ocko, um gleich darauf zu versichern, dass dieser Tag nicht mehr allzu fern ist:

"Ich denke, dass wir dieses Kriterium bald erfüllen können. Im Koalitionsvertrag der jetzigen Regierung heißt es, dass das Defizit bei den öffentlichen Finanzen im Jahr 2009 unter 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen sollte. Und damit wäre dieses Kriterium erfüllt."

Petr Ocko nennt jedoch noch weitere Dinge, die man ins Auge fassen muss:

Finanzminister Miroslav Kalousek
"Ein weiteres Kriterium, das wir erfüllen müssen, ist die Stabilität der Tschechischen Krone. Dieses Kriterium sieht vor, dass unsere Währung mindestens zwei Jahre im Mechanismus der europäischen Wechselkurse stabil gehalten werden muss. Falls der Wechselkurs unserer Währung diese zwei Jahre ohne größere Schwankungen durchläuft, dann erfüllen wir auch dieses Kriterium."

Die weiteren Kriterien zur Einführung des Euro, die zum Beispiel Inflation oder Leitzinsen betreffen, stellen ein wesentlich geringeres Problem dar als die zuvor Genannten, ergänzte Ocko. Der nationale Plan zur Euro-Einführung sei ein gutes Drehbuch, auch wenn diesem noch die Pointe fehle - ein verbindlicher Termin, bis zu dem die Währungsumstellung vollzogen werden soll. Er habe Verständnis dafür, so Ocko, dass die Regierung dafür ihren erst jüngst vorgelegten Entwurf zu Haushaltsreformen im Parlament durchsetzen muss. Andererseits würde es für die Euro-Einführung von Nutzen sein, wenn ihrer Realisierung ein verbindlicher Termin zugrunde liegen würde, meint der Koordinator:

"Die Entscheidung (dazu) muss die Regierung treffen, erst dann können zeitliche Angaben im Maßnahmenplan berücksichtigt werden. Selbstverständlich aber ist es bei einer Herausforderung wie der Einführung des Euro besser, einen konkreten Termin zu haben, auf den man hinarbeiten kann. Ganz sicher würde es für die praktischen Vorbereitungen zur Einführung des Euro von Vorteil sein, wenn dieser Termin schon definitiv feststehen würde."

Experten rechnen mit der Übernahme des Euro in Tschechien im Jahr 2012. Finanzminister Miroslav Kalousek hält dieses Datum für durchaus realistisch.