Tschechiens Speerwurf-Asse erobern kompletten Medaillensatz in London

Jakub Vadlejch, Johannes Vetter und und Petr Frydrych (Foto: ČTK)

Für die Leichtathleten war die Weltmeisterschaft in London ein Fest. Fast nirgendwo ist das Publikum so fachkundig und begeisterungsfähig für ihren Sport. Und die Zuschauer trieben auch drei tschechische Athleten zu medaillenwürdigen Leistungen an.

Jakub Vadlejch,  Johannes Vetter und und Petr Frydrych  (Foto: ČTK)
Die Speerwerferinnen und Speerwerfer aus Tschechien hatten sehr hohe Ambitionen auf eine Medaille, drei von ihnen haben ihre Chance in Edelmetall umgemünzt. Es sind Barbora Špotáková, die nach 2007 ihr zweites WM-Gold gewann, sowie Jakub Vadlejch und Petr Frydrych, die Silber beziehungsweise Bronze erkämpften. Vor ihren Leistungen konnte auch Cheftrainer Tomáš Dvořák nur den Hut ziehen:

„Wir haben drei Medaillen im Speerwurfsektor gewonnen. Damit haben wir erneut bewiesen, dass wir eine Speerwurf-Nation sind. Dafür bin ich dankbar, mehr muss ich nicht sagen.“

Bei den Männern hatte Tschechien diesmal gleich vier Athleten am Start, was letztlich auch auf die großartige Trainerarbeit der Speerwerfer-Legende Jan Železný zurückzuführen ist. Dvořák, der um die Jahrtausendwende dreimal Weltmeister im Zehnkampf wurde, weiß aus eigener Erfahrung sehr gut, wie fruchtbar kollektives Training sein kann:

Tomáš Dvořák: „Wir haben drei Medaillen im Speerwurfsektor gewonnen. Damit haben wir erneut bewiesen, dass wir eine Speerwurf-Nation sind. Dafür bin ich dankbar, mehr muss ich nicht sagen.“

„Das ist eine ähnliche Situation, wie ich sie aus meiner damaligen Trainingsgruppe kenne. Daher hoffe ich, dass noch mehr Trainer und Aktive erkennen, dass in einer größeren Gemeinschaft auch größere Stärke liegt. Tagtägliche Konkurrenz ist die Basis für Erfolge.“

In der Tat: Vadlejch und Frydrych haben ganz offensichtlich die Grundlagen für ihren jeweiligen Medaillengewinn im Training gelegt. Beide waren in London topfit und haben sich das Edelmetall durch neue persönliche Bestleistungen redlich verdient. Petr Frydrych schaffte seine Top-Weite sogar noch im allerletzten Versuch:

„88,32 Meter“, verkündete der Kommentator des Tschechischen Fernsehens begeistert, als Frydrych am Samstag seinen sechsten Wurf vollzogen hatte. Mit dieser Weite verwies er den Deutschen Thomas Röhler auf den vierten Platz. Der 29-jährige Tscheche, der in seiner bisherigen Karriere noch nie etwas ganz Großes gewonnen hatte, konnte anschließend sein Glück kaum fassen:

Jakub Vadlejch  (Foto: ČTK)
„Ich fühle mich irgendwie nicht ganz dazugehörig. Das ist wie ein kleiner Schock für mich. Nicht, dass ich nicht an mich geglaubt hätte, doch in diesem Jahr gibt es so viele hervorragende Speerwerfer. Und dass nun ausgerechnet ich mit auf dem Podium stehe, ist einfach erstaunlich.“

Noch fast anderthalb Meter weiter warf Jakub Vadlejch, und zwar im zweiten Versuch.

„Ich bin sehr zufrieden, dass ich hier meine Saisonbestleistung und einen persönlichen Rekord erzielt habe. Mit diesem Anspruch bin ich nach London gekommen, und ich habe ihn erfüllt. Das macht mich sehr froh.“

Und dennoch: Am Ende fehlten nur 16 Zentimeter zur Goldmedaille. Sie holte der Deutsche Johannes Vetter, der als Weltjahresrekordhalter in die britische Metropole gereist war. Trotz der knappen Niederlage zeigte Vadlejch sportlichen Respekt:

Jakub Holuša  (ganz links). Foto: ČTK
„Auch wenn ich jetzt der glücklichste Mensch der Welt sein könnte, ärgert mich doch ein bisschen, dass nur 16 Zentimeter zum Sieg gefehlt haben. Auf der anderen Seite aber muss ich sagen: Johannes war heute einfach der Beste, und vor seiner Leistung ziehe ich den Hut.“

Respekt und größte Anerkennung wiederum zollte Tomáš Dvořák dem Auftreten eines 29-jährigen tschechischen Mittelstreckenläufers:

„Ungemein überrascht hat mich Jakub Holuša. Jetzt wird er sicher damit hadern, dass letztlich nur der fünfte Platz für ihn herausgesprungen ist, denn der Verlauf des Finales sah verheißungsvoll aus. Es hätte aber ebenso schlechter für ihn ausgehen können, von daher ist der fünfte Platz ein tolles Ergebnis. Zudem denke ich, dass er aus den letzten 150 bis 200 Metern die entsprechenden Lehren zieht und sich beim nächsten Mal mit einer Medaille auch belohnt.“

Jakub Vadlejch: „Ich bin sehr zufrieden, dass ich hier meine Saisonbestleistung und einen persönlichen Rekord erzielt habe. Mit diesem Anspruch bin ich nach London gekommen, und ich habe ihn erfüllt.“

Der Gelobte selbst hatte nach dem Rennen gemischte Gefühle. Erneut konnte er sich auf sein starkes Finish verlassen, mit dem er auf der Zielgeraden noch drei Läufer überspurtete. Diesmal aber war die Lücke zur bis dahin führenden Sechser-Gruppe zu groß, um noch ganz nach vorn zu kommen. Die Kenianer Manangoi und Cheruiyot, die Gold und Silber holten, aber hatten ein Höllentempo vorgelegt, dem Holuša zunächst nicht folgen konnte. Dennoch machte er sich gerade diesen taktischen Fehler zum Vorwurf:

„Wenn ich in der Verfolgergruppe dabei gewesen wäre, hätte ich womöglich mit dem Norweger Ingebrigtsen und den Spanier Mechaal um Bronze kämpfen können. Dann hätte ich die Chance wohl beim Schopf gepackt, aber das ist jetzt nur noch: Was wäre wenn…“

Zuzana Hejnová  (Mitte). Foto: ČTK
Am Ende aber konnte sich Holuša damit trösten, neben 400-Meter-Läufer Pavel Maslák der bisher beste Tscheche in einer Laufdisziplin bei einer WM zu sein. Der vierfache Olympiasieger Emil Zátopek konnte diesen Nachweis leider nie erbringen, weil die erste Weltmeisterschaft erst 1983 ausgetragen wurde.

Viel hätte nicht gefehlt, und eine andere Tschechin hätte sich in noch größeren Lettern in die Geschichtsbücher der WM eingetragen: die 400-Meter-Hürdenläuferin Zuzana Hejnová. Sie war als Titelverteidigerin nach London gereist, und sie hatte die Goldmedaille auch schon zwei Jahre zuvor errungen – bei der WM 2013 in Moskau. Gegen den Titelhattrick sprach, dass Hejnová drei Monate vor der WM urplötzlich ohne Trainer dastand. Im Mai hatte sie sich vom dem deutschen Fachmann Falk Balzer getrennt, der aus ihr eigentlich noch das eine oder andere Zehntel an Schnelligkeit herauskitzeln sollte. Doch die Trainingsmethodik von Balzer sagte Hejnová nicht zu. Mit ihrer neuen Trainerin Dana Jandová brachte sich die 30-Jährige immerhin binnen zwei Monaten noch sehr gut in Form. In London gewann sie sowohl den Vor- als auch den Halbfinallauf, von daher hegte sie große Hoffnungen auch für das Finale. In einem sehr schnellen Endlauf reichte es aber letztlich nur für den undankbaren vierten Platz:

Zuzana Hejnová: „Ich habe mich von der tollen Atmosphäre anstecken lassen. Ich bin das Rennen zu schnell angegangen, und auf der Zielgeraden haben mir dann die Kräfte gefehlt. Der Gewinn einer Medaille war also durchaus drin gewesen.“

„Ich habe mich von der tollen Atmosphäre anstecken lassen. Ich bin das Rennen zu schnell angegangen, und auf der Zielgeraden haben mir dann die Kräfte gefehlt. Der Gewinn einer Medaille war durchaus drin gewesen, doch ich habe meine Körner zu früh verheizt.“

Angesichts ihrer Vorgeschichte, bei der sie im Frühjahr eine Zeitlang ohne Trainer war, ist die Athletin aus Liberec / Reichenberg schließlich noch ganz zufrieden mit ihrem Ergebnis. Ein Nachtreten in Richtung ihres Ex-Trainers aber konnte sie sich doch nicht verkneifen:

„Ich denke, am Ende war ich auf diese WM ganz gut vorbereitet. Dafür muss ich meiner Trainerin danken, die zusammen mit mir zwei Monate lang ein großes Stück Arbeit geleistet hat. Wenn ich nicht zu ihr gewechselt wäre, dann wäre ich gar nicht ins Finale gekommen. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.“

Barbora Špotáková  (Foto: ČTK)
Mit der Ausbeute von jeweils einmal Gold, Silber und Bronze belegte die Tschechische Republik in der Medaillenwertung den elften Platz und liegt damit nur einen Rang hinter Deutschland. Und der WM-Titel von Barbora Špotáková war insofern wichtig, dass Tschechien in der WM-Historie – unter Einbeziehung der Medaillen, die unter der Flagge der ehemaligen Tschechoslowakei geholt wurden – weiterhin auf dem sehr guten neunten Platz steht. Die nachfolgenden Polen sind mit nunmehr 17 WM-Titeln aber schon bis auf eine Goldmedaille an Tschechien herangerückt. Für die Sportfans hierzulande ist jedoch eine andere Nachricht fast noch wichtiger als der historische Medaillenspiegel. Es besteht nämlich die Hoffnung, dass die 36-jährige Špotáková ihr Karriere-Ende wohl noch etwas hinausschiebt:

„Das war London, und London ist für mich das Größte in der Leichtathletik. Nirgendwo anders ist die Stimmung im Stadion so gut. Nach London aber kommt für mich Olympia. Und das wiederum ist für mich eventuell ein Motiv, noch weiterzumachen.“

Und das heißt nichts anders, dass sich Barbora Špotáková ernsthaft damit befasst, auch noch an den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio teilzunehmen.

Autor: Lothar Martin
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