Tschechisch-deutsche Dichterschlacht beim Poetry-Slam in Usti

Jeder von ihnen will Meister in der eigenen Sprache sein und dem Publikum gefallen. Er provoziert mit den Texten, er zieht alle Register des Vortags, schreit, flüstert oder jault sogar. Der so genannte Poetry-Slam, was man vielleicht mit "Dichter-Schlacht" umschreiben könnte, hat wenig mit einer Gedichtrezitation gemein. Es ist ein Wettkampf auf der Bühne. Doch was, wenn der Künstler plötzlich auf der Bühne steht, und das Publikum versteht ihn nicht? Till Janzer hat die teils hochkarätig besetzte tschechisch-deutsche Poetry-Slam-Show in Usti nad Labem/ Aussig an der Elbe besucht, die gestern zum zweiten Mal stattfand. Nur eines sei vorweg angemerkt: Hovno heißt Scheiße.

Bohdan Blahovec
"Ich bin ein, ich bin ein Benes-Dekret/ ich bin ein hovno-Sekret/ ich bin ein, ich bin ein, ich bin ein neuer Führer/ ich bin ein Albrecht Dürer"

So provokant begann der tschechische Poetry-Slam-Meister von 2005, Bohdan Blahovec, den Abend in der In-Kneipe Circus der nordböhmischen Stadt Usti. Er war der einzige, der seine Texte komplett improvisierte. Und als einziger trug er sie in einem Mix beider Sprachen vor. Gerade die Deutschen, wie auch der Dresdener Künstler Stefan Seyfarth bestätigte, traten hingegen mit stark ausgearbeiteten Texten auf.

Dennoch lösten die jeweils drei Künstler aus Tschechien und aus Deutschland das Problem der Verständigung unterschiedlich. So setzte zum Beispiel die Berlinerin Lydia Daher, die erfolgreichste weibliche Slam-Poetin in Deutschland, bei ihrem zweiten Auftritt an dem Abend auf gerappte Reime:

Lydia Daher
Für das meistenteils junge tschechische Publikum lag ein Heft mit der tschechischen Übersetzung der deutschen Beiträge aus. Auch das half beim Verstehen, und so ernteten die Poetry-Slammer aus beiden Ländern gleichfalls Applaus, viele Lacher und sogar Jubel. Viktor, einer der Zuschauer, verriet später seine Eindrücke und wer ihn am meisten an dem Abend beeindruckt hatte:

"Am besten waren meiner Meinung nach Bohdan Blahovec und die deutsche Dichterin Lydia Dahe. Bei ihr habe ich zwar nur wenig verstanden und las am Anfang die Übersetzung. Dann bin ich aber lieber dazu übergegangen, nur noch ihrer Performance zu folgen, ihrer Mimik und Intonation. Ich denke, dass ich die Übersetzung später durchlese."

Dass das Fazit positiv ist, empfand auch Jennifer Schevardo vom Collegium Bohemicum, dem Mitveranstalter neben der Brücke/Most-Stiftung, so. Sie resümiert:

"Ich würde sagen, es war eine sehr gelungene Veranstaltung, was ich daran ermesse, dass viele Leute da waren, mehr als letztes Jahr hier beim deutsch-tschechischen Poetry-Slam. Es ist ein signifikanter Zuwachs. Zudem habe ich gemerkt, dass es den Leuten sehr gefällt."

Mehr zur tschechisch-deutschen Poetry-Slam-Show in Usti nad Labem, so unter anderem auch mit Stimmen der Künstler dazu, können Sie am 14. November in unserer Rubrik Begegnungen hören.

Foto: Andreas Wiedemann