Tschechisch-deutsche Partnerschaft hat sich in der Corona-Krise bewährt
Eine echte Herausforderung für die Staatsverwaltungen sowohl Tschechiens als auch Deutschlands – so resümiert die tschechische Generalkonsulin im München, Kristina Larischová, das Corona-Jahr 2020. Im Interview mit Radio Prag International berichtet sie von den plötzlich sichtbar gewordenen Grenzen des EU-Binnenmarktes und der besonderen Belastung für Arbeitspendler. Aber auch, wie die Krise für eine bessere Kommunikation zwischen den beiden Nachbarländern gesorgt hat und welche positiven Auswirkungen sie für das grenzüberschreitende zivilgesellschaftliche Engagement haben kann.
Seit anderthalb Jahren beschäftigt die Corona-Pandemie nicht nur die medizinischen Einrichtungen und die epidemiologische Forschung, sondern auch die Medien und die Politik. So manch Einer mag das Thema kaum noch hören wollen. Aber für die diplomatischen Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland kann auch Positives berichtet werden. An den Anfang unseres Gespräches platziert Generalkonsulin Larischová jedenfalls ein optimistisches Resümee, dass die gegenseitigen Beziehungen nämlich ihre Qualität bewiesen haben. Und dies auf verschiedenen Ebenen:
„Wir haben plötzlich realisiert, dass wir eigentlich schon viel enger in die EU eingebunden sind, als wir dachten. Man wusste natürlich von den engen Beziehungen im Wirtschaftsbereich. Es gibt sehr enge Verbindungen nicht nur zu Bayern und Sachsen, also mit den unmittelbaren Nachbarn, sondern auch insgesamt zu Deutschland. Unsere Wirtschaften sind sehr verflochten. Aber man war sich vielleicht nicht so ganz klar darüber, wie sehr auch die Gesellschaften miteinander verbunden sind und wie eng die familiären Beziehungen über die Grenzen reichen.“
Diesen Aspekt der gegenseitigen Beziehungen, die persönliche Ebene also, hat das Generalkonsulat besonders beschäftigt, als die Grenze plötzlich geschlossen wurde. Zweimal war dies der Fall: im Frühjahr 2020, als Tschechien bei Ausbruch der Pandemie die Grenze dicht machte, und erneut im Januar dieses Jahres, als Deutschland die Einreise auf ein notwendiges Minimum einschränkte. Larischová bezeichnet diese beiden Perioden als „eine der größten Herausforderungen der letzten Zeit“. Besonders die Arbeitspendler hätten dies zu spüren bekommen:
„Die Pendler und Grenzgänger stellten tatsächlich einen der wichtigsten Problemfälle dar, mit denen wir in unserer Arbeit konfrontiert wurden. Wir haben plötzlich sehr plastisch gesehen, dass der einheitliche EU-Binnenmarkt nicht so einwandfrei und glatt funktioniert, wie wir dachten oder wie es auf dem Papier steht. Diese Personen stehen zwischen zwei nationalen Systemen, wenn es darauf ankommt und die Grenze plötzlich geschlossen wird.“
Es sei besorgniserregend gewesen, dass die Pendler sowohl von den Medien als auch von der Politik mitunter zum Sündenbock für steigende Inzidenzen gemacht wurden, so die Generalkonsulin weiter. Im EU-System seien zudem Schwachpunkte deutlich geworden, was die Grenzgänger zeitweise an der Ausübung ihrer Arbeit hinderte und sie in eine prekäre Situation brachte:
„Wir haben festgestellt, dass wir im Rahmen der Europäischen Union zwar eine tolle Harmonisierung der sozialen Systeme der Mitgliedstaaten haben. Aber in der Realität zahlen diese Pendler und Grenzgänger ihre Sozial- und Krankenversicherung in einem anderen Staat. Dadurch gab es große Probleme mit der Quarantäne und mit der Auszahlung der Krankengelder, und wir mussten neue Wege und Umwege finden, damit fertig zu werden.“
Bedeutung der Arbeitspendler erkannt
Und diese wurden gefunden. Zahlreiche Teststationen in direkter Grenznähe ermöglichten es den tschechischen Pendlern, weiterhin täglich nach Bayern oder Sachsen zu fahren. Dies galt zumindest für Arbeitskräfte im sozialen und Pflegebereich. Weniger Glück hatten jene, die in der Gastronomie und Hotellerie arbeiten und deren Arbeitsstätten mehrere Monate lang geschlossen waren.
Immerhin habe die Politik auf beiden Seiten erkannt, wie wichtig die Pendler für das jeweilige andere Land sind. Gute Arbeits- und vor allem Reisebedingungen für seine Landsleute werden deshalb auch in Zukunft ein Schwerpunkt für das tschechische Generalkonsulat in München sein. Schon in der heißen Phase der Corona-Pandemie ist ein so genannter Abstimmungskreis entstanden. In ihm tauschen sich regelmäßig Vertreter höchster Diplomatiekreise aus: Mitarbeiter des tschechischen Außenministeriums und des Auswärtigen Amtes in Berlin, Angehörige der beiden Botschaften und der Generalkonsulate in München und Dresden sowie Vertreter der Innen- und Gesundheitsministerien. Ergänzt wird die Runde durch die regionalen Repräsentanten aus den Vertretungen der Freistaaten Bayern und Sachsen in Prag. Diese Strukturen sollen nun weiter genutzt werden, berichtet Larischová:
„Das war eine sehr gute Erfahrung. Obwohl die ganze Pandemie eine riesige Herausforderung für die beiden Staatsverwaltungen, also für die Bürokratien dargestellt hat, hat man doch auch festgestellt, dass man noch nie vorher in solch einem engen Arbeitskontakt war. Jede Woche hatten wir ein sehr offenes, direktes Gespräch darüber, was uns Sorgen macht, worauf wir uns einstellen müssen, wo die Maßnahmen und die Vorkehrungen der einen oder der anderen Seite Probleme verursachen. Das Thema des geteilten Sorgerechts ist ein typisches Thema, mit dem wir zu tun hatten. Wir können das nicht immer einfach mit einer Ausnahme des zuständigen Gesundheitsamtes regeln, denn dies ist ein unheimlicher Aufwand.“
Hinzugezogen werden sollen zukünftig auch Gewerkschaften, Arbeitnehmerverbände und neu entstandene Interessenvertretungen der Pendler selbst. Die bisherige konstruktive Suche nach gemeinsamen Lösungen sei eine Bereicherung für sie gewesen, berichtet die Generalkonsulin weiter. Und sie habe einiges dazugelernt:
„Auch für uns als Tschechen, die sich mit Deutschland und der deutschen sowie Europa-Politik seit langem auseinandersetzen, war das noch einmal eine Schule des deutschen Föderalismus. Denn für uns war es zum Teil sehr unübersichtlich, was auf der föderalen und auf der Bundesebene geregelt wird, wie dies in den einzelnen Bundesländern implementiert wird, ob dazu weitere legislative Schritte notwendig sind – das war am Anfang überhaupt nicht einfach zu überblicken. Aber ich muss sagen, wir haben das ganz gut gemeistert.“
Wichtig seien in der Bewältigung der Krise auch die persönlichen Beziehungen auf höchster politischer Ebene:
„Vor allem habe ich nicht den Eindruck, dass das gegenseitige Vertrauen beschädigt wurde. Auch die Kommunikation auf der höchsten politischen Ebene war natürlich ganz wichtig. Es gab einen direkten Draht zwischen unserem Premier und den Ministerpräsidenten von Bayern und Sachsen. Dies war ein weiterer Beitrag, und es wurde deutlich, dass auch die persönlichen Beziehungen zwischen den Einzelnen eine Rolle spielen. Wenn Sie ein gemeinsames Problem lösen müssen und die Chemie nicht stimmt, ist es viel schwieriger, einen Ausweg zu finden.“
Unübersichtliche Einreiseregeln
Überhaupt einen Ausweg aus der Corona-Krise zu finden, war und ist keine einfache Aufgabe. Viel wurde ausprobiert und so manche Maßnahme schnell eingeführt und noch schneller wieder aufgehoben. Unübersichtliche Einreiseregelungen in beiden Ländern waren die Folge. Für das Generalkonsulat sei es eine Herausforderung gewesen, die Lage jederzeit zu überblicken und die Bürger über den aktuell geltenden rechtlichen Rahmen zu informieren:
„Wir sind jetzt schon in einer viel stabileren Phase. Ich hoffe sehr, dass es künftig zu keinen flächendeckenden Lockdowns mehr kommt, auch dank der Impfung. Deutschland hat etwa die Kategorisierung der Länder deutlich vereinfacht. Es gibt nur noch drei Kategorien. Zur ersten gehört Tschechien, das heißt kein Risikogebiet und normale Reisebedingungen. Auch wenn diese jetzt etwa verschärft wurden in Erwartung des Ferienendes. Dann gibt es das Risikogebiet, in dem das Ansteckungsrisiko etwas höher ist, und das Variantengebiet. Dies ist schon eine Vereinfachung. Auf der tschechischen Seite gibt es nach wie vor die Karte mit verschiedenen Farben, nach denen man sich orientieren kann. Ich glaube, beide Seiten haben jetzt sehr vergleichbare Bedingungen für den Grenzverkehr. Das ist schon ein Fortschritt.“
Auch wenn sich beide Seiten einig sind, dass es nicht wieder zum Extremfall der Grenzschließungen kommen soll, ist eine Normalität in den zwischenmenschlichen Kontakten zwischen Tschechien und Deutschland bisher noch nicht wieder hergestellt. Seien es Programme zum grenzüberschreitenden Jugendaustausch oder bilaterale Kulturprogramme – das zivilgesellschaftliche Engagement vieler kleiner Organisationen ist weiterhin nur eingeschränkt möglich. Larischová ist seit langen Jahren auch ehrenamtliches Mitglied des Verwaltungsrates im Deutsch-tschechischen Zukunftsfonds. Mit seinen Partnern suche dieser nun Wege, den gegenseitigen Austausch wieder zu erleichtern:
„Die Akteure werden direkt dazu motiviert, sich Gedanken zu machen, wie man neue Formate entwickelt, damit diese Zusammenarbeit nicht ganz zum Erliegen kommt und wie man im Austausch bleiben kann. Das ist zum großen Teil gelungen, und zwar nicht nur bei der jungen Generation, bei der man das eher erwarten würde. Sondern auch bei grenzüberschreitenden Projekten von Organisationen, die traditionell ein eher älteres Klientel haben. Bei sudetendeutschen Organisationen etwa war ich total verblüfft, wie sie es gemeistert haben, auch Online-Formate anzubieten und wie dies positiv angenommen und gut besucht wurde.“
Wichtig sei also, die Arbeit nicht liegenzulassen, betont die Generalkonsulin. Auf der anderen Seite müsse die finanzielle Unterstützung auch in Krisenzeiten gewährleistet werden:
„Zudem brauchen diese Akteure der Zusammenarbeit, also NGOs und ähnliches, eine bestimmte Planungssicherheit. Sie müssen mit einem bestimmten Vorlauf wissen, ob sie das Geld bekommen, das sie etwa für einen Jugendaustausch beantragt haben. Darum wollten wir eine möglichst niedrigschwellige – was die bürokratischen Hürden angeht – und einfache Regelung finden, damit diese Gelder schneller und einfacher abgerufen werden können. Dies ist gelungen und wird auch sehr viel in Anspruch genommen.“
Darauf könnten die Akteure der tschechisch-deutschen Partnerschaft durchaus stolz sein, findet Larischová. Denn nach all den schlechten Nachrichten in der Corona-Krise sei es schließlich wichtig, auch auf die positiven Seiten dieser Zeit zu verweisen.