Tschechisch-slowakische Grenze: Ein Problem in den gegenseitigen Beziehungen?

Ivan Simko und Stanislav Gross in Prag am 22. November 2001 (Foto: CTK)

Plötzlich ist sie, leicht übertrieben gesagt, in aller Munde - die tschechisch-slowakische Grenze, die sich in zunehmendem Masse als durchlässig erweist. Die tschechische Seite drängt darauf, dies zu ändern. Paradoxerweise sollte aber der am 29. Oktober 1992 unterzeichnete Vertrag zwischen den künftig selbständigen Republiken - der Tschechischen und der Slowakischen Republik über die gemeinsame Grenze von Grund auf geändert werden. In diesem sind nämlich Maßnahmen für den Grenzverkehr verankert, in deren Genuss nur und allein die Bürger beider Länder kommen. Es geht zum Beispiel um die Möglichkeit, die Grenze an jedem beliebigen Ort nur mit einem Personalausweis überschreiten zu können. Das soll künftig anders sein. Die Rede ist auch von der Einführung der Visumspflicht für einen mehr als 3-monatigen Aufenthalt im jeweiligen Nachbarland. Hören Sie mehr dazu im folgenden Beitrag von Jitka Mladkova:

Auf dem Spiel steht mehr als der ungehinderte Grenzübergang. Von den vorbereiteten Änderungen, die in der Amtssprache als "Standardisierung des Grenzregimes" bezeichnet werden, wären vor allem slowakische Bürger betroffen. In der Tschechischen Republik arbeiten derzeit ca. 65 Tausend Slowaken, dreißig Mal weniger Tschechen haben ihren Job in der Slowakei. Fünf Mal mehr Slowaken studieren an tschechischen Hochschulen, als es umgekehrt der Fall ist. Auf Initiative der tschechischen Seite führen beide Länder seit mehreren Monaten Gespräche über die Aufhebung des bestehenden und die Aufsetzung eines neuen Vertrages, auf dessen Grundlage sich der tschechisch-slowakische Grenzverkehr keineswegs von dem tschechisch-deutschen oder tschechisch-polnischen unterscheiden sollte.

Es sei die EU, die die Einführung strengerer Schutzmaßnahmen an der tschechisch-slowakischen Grenze fordere, nämlich als Bedingung für den EU-Beitritt Tschechiens, behauptet der tschechische Innenminister Stanislav Gross.

Ivan Simko und Stanislav Gross in Prag am 22. November 2001  (Foto: CTK)
Bei dem jüngsten Treffen der Innenminister beider Länder in Prag, Stanislav Gross und Ivan Simko, vor einer Woche deklarierte die slowakische Seite eine neue Position: sie wolle bis zum Zeitpunkt des EU-Beitritts beider Länder über eine Änderung der Modalitäten an der gemeinsamen Grenze nicht mehr verhandeln. Es bestehe auch nicht der geringste Grund dafür die gegenseitigen Rechtsbeziehungen zu ändern, sagte Simko buchstäblich. Gross sagte diesbezüglich gegenüber Radio Prag:

"Das, was sich vergangene Woche abgespielt hat, war eine Wende in der Position der slowakischen Seite um 180 Grad. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es nicht eine endgültige Position ist und dass wir zu einem vernünftigen Konsens werden gelangen können."

Befragt nach der Behauptung von slowakischer Seite, der bestehende tschechisch-slowakische Vertrag erlaube Maßnahmen zu treffen, die das Überschreiten der gemeinsamen Grenze durch illegale Immigranten erschweren würden, konterte Stanislav Gross:

"Der Rahmenvertrag macht es natürlich möglich, die gemeinsame Grenze von einem größeren Aufgebot Grenzschutzsoldaten bewachen zu lassen und sie auf diese Weise dicht zu machen. Auf der anderen Seite ist es schon schwierig, aufgrund des Dokuments technische Hindernisse an der Grenze zu installieren. In dem Vertrag, Artikel 3, über den visafreien Verkehr ist nämlich das Recht unserer Bürger verankert, die Grenze an jedem beliebigen Ort zu überschreiten. Die Aufstellung verschiedener Hindernisse/Schranken z.B. an Wald- , Feld- und anderen Wegen würde man dann aus rechtlicher Sicht kaum rechtfertigen können."

Die Argumentation beider Seiten geht also weit auseinander. Ob sie auf ihren Positionen weiter verharren werden und dadurch das gute gegenseitige Verhältnis in Frage stellen, wird sich wohl schon in den nächsten Monaten zeigen. Über die Möglichkeit, den tschechisch-slowakischen Vertrag einseitig zu kündigen, sei nie die Rede gewesen, sagte uns Stanislav Gross.

Über die Ausführungen des tschechischen Innenministers und die Stellungnahme seines slowakischen Amtskollegen Ivan Simko erfahren Sie mehr am Donnerstag im tschechisch-slowakischen Magazin, das wir einmal im Monat im Rahmen der Sendereihe Begegnungen ausstrahlen.