Tschechisch-Slowakisches Magazin: Gemeinsame Grenze

Slowakische Flagge

Vorletzte Woche weilte der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman zu einem zweitägigen Arbeitsbesuch in der Slowakei. Aus anderen als Arbeitsgründen besuchte Zeman Bratislava erneut am Dienstag diese Woche, als hier des 80.Geburtstages von Alexander Dubcek gedacht wurde. Nun möchte man glauben, dass das Verhältnis zwischen beiden Ländern gut ist, wenn man sich gegenseitig Besuche auf höchster Ebene relativ oft abstattet. Schließlich hielt sich auch Zeman´s slowakischer Amtskollege, Mikulas Dzurinda, in den letzten zwei drei Jahren wiederholt in Prag auf. Die Beziehungen sind - und dies nicht nur auf höchster Ebene - tatsächlich gut und in gewisser Hinsicht für beide Länder auch exklusiv. In jüngster Zeit aber kamen bestimmte Dissonanzen auf, die heimische Presse berichtet sogar vor einem bevorstehenden Krach. Der Grund dafür hat einen Namen: die gemeinsame Grenze, die sich in zunehmendem Masse als zu durchlässig für illegale Immigranten erweist. Damit willkommen zu Begegnungen, am Mikrophon ist Jitka Mladkova.

Slowakische Flagge
Als im Herbst 1992 die Trennung der Tschechoslowakei von den politischen Repräsentanzen beider bisherigen Teilrepubliken der gemeinsamen Föderation vorbereitet wurde, konnte man sich auf eine Reihe von Regelungen und Maßnahmen einigen, die einem - wie es hieß - den üblichen Standard übersteigenden Regelwerk entsprechen. Nun soll aber vieles anders werden. Auf Initiative der tschechischen Seite führen beide Länder seit mehreren Monaten Gespräche über die Aufhebung des bestehenden und die Aufsetzung eines neuen Vertrages, auf dessen Grundlage sich der tschechisch-slowakische Grenzverkehr keineswegs von dem tschechisch-deutschen oder tschechisch-polnischen unterscheiden soll. Es sei die EU, die die Einführung strengerer Schutzmaßnahmen an der tschechisch-slowakischen Grenze fordere, nämlich als Bedingung für den EU-Beitritt Tschechiens, behauptet der tschechische Innenminister Stanislav Gross. In einem Gespräch mit Radio Prag hat er diesbezüglich gesagt:

Tschechische Flagge
"Die EU hat nie gesagt, dass wir diese und jene administrative Maßnahme treffen sollen. Die EU hat klar gesagt, und das ist eine Bedingung für alle Kandidatenländer, nicht nur für die Tschechische Republik, dass wir ein sogenanntes standardisiertes Grenzregime einführen müssen. Und es ist wahr, dass die gegenwärtigen vertraglich fixierten Beziehungen mit der Slowakei nicht dem üblichen Standard des Grenzverkehrs entsprechen. Wir waren bemüht, diesen so zu gestalten, wie es z.B. an der tschechisch-deutschen oder tschechisch-polnischen Grenze der Fall ist, und gleichzeitig auch darum, unmittelbar an der gemeinsamen Grenze den Menschen keine Komplikationen zu bereiten, wenn sie in das jeweils andere Land wegen Arbeit oder wegen ihres jenseits der Grenze befindlichen Eigentums reisen."

Und dies sei, so Minister Gross, durch standardmäßige Regelungen wie z.B. einen Vertrag über den kleinen Grenzverkehr oder verschiedene Verträge über Beschäftigung zu lösen. Beide Seiten hätten sich vor einiger Zeit bei Gesprächen zwischen den stellvertretenden Innenministern beider Länder bereits auf diese Maßnahmen wie auch auf die Aufhebung des bestehenden Staatsvertrags und Schaffung eines neuen geeinigt. Nun kam aber vorige Woche bei den Verhandlungen der Innenminister Gross und Simko in Prag eine für die tschechische Seite offensichtlich unerwartete Wende. Bei dem Treffen deklarierte der slowakische Minister eine neue Position: die Slowakei wolle bis zum Zeitpunkt des EU-Beitritts beider Länder über eine Änderung der Modalitäten an der gemeinsamen Grenze nicht mehr verhandeln. Stanislav Gross dazu:

"Das, was sich vergangene Woche abgespielt hat, war eine Wende in der Position der slowakischen Seite um 180 Grad. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es nicht eine endgültige Position ist und dass wir zu einem vernünftigen Konsens werden gelangen können."

Der Rahmenvertrag ermögliche schon die Grenze von Grenzposten zu bewachen und damit dicht zu machen, meinte der tschechische Innenminister. Zugleich wäre es aber seiner Meinung nach problematisch, technische Hindernisse wie z.B. Sperren an verschiedenen Wald-, Feld- und anderen Wegen an der Grenze zu installieren, wie dies die slowakische Seite vorschlägt. Dies wäre aus der rechtlichen Sicht kaum akzeptabel, und damit auch aus der Sicht der Bürger, denen das Vertragswerk garantiere, die tschechisch-slowakische Grenze ungehindert, wo auch immer, zu überqueren. Die Argumentation der tschechischen Seite hält Gross nach wie vor für nicht anzweifelbar und behauptet:

"Sowieso werden wir früher oder später über die Änderung des Rahmenvertrags erneut verhandeln müssen. Das erfordert natürlich auch eine konstruktive Einstellung des Vertragspartners, damit wir gute Arbeit leisten und keinen Schaden in den gegenseitigen Beziehungen anrichten."

Eine einseitige Kündigung des Vertrags sei etwas, was keineswegs zu einer Lösung der Dinge führen würde, und deshalb habe man sie nie diskutiert, sagte abschließend Stanislav Gross zu Radio Prag. Soweit der tschechische Teil von Begegnungen, den folgenden Beitrag haben wir aus Bratislava erhalten:

Die Frage der Änderung des Visaregimes an der tschechisch-slowakischen Grenze weiterhin offen

Die Initiative der tschechischen Seite zur Änderung des visafreien Verkehrs an der Grenze zwischen der Tschechischen und der Slowakischen Republik wurde in der Slowakei zurückhaltend entgegengenommen. Die Stellungnahme der Slowakei präsentiert der slowakische Innenminister Ivan Simko:

"Falls es Probleme mit der illegalen Migration an der tschechisch-slowakischen Grenze gibt, ist die Slowakei bereit, mit der tschechischen Seite über entsprechende Maßnahmen zu verhandeln. Doch diese Maßnahmen sollten den jetzigen Stand des Visaregimes für die tschechischen und slowakischen Bürger nicht beeinflussen. Ich habe der tschechischen Seite vorgeschlagen, über die Änderung des Visaregimes weiter nicht verhandeln. Dies betrifft den visafreien Verkehr, Regimevertrag sowie den Vertrag über gegenseitige Beschäftigung".

Laut Minister Simko seien die Argumente der Tschechischen Republik nicht ausreichend und innerlich widerspruchsvoll:

"Auf der einen Seite argumentierten die tschechischen Partner mit der Forderung der EU, das Regime an der tschechisch-slowakischen Grenze zu ändern. Diese Forderung bezieht sich jedoch auf den Zeitpunkt des EU-Beitritts. Jedes neue Mitglied wird dann verpflichtet, die in der EU gültigen Normen in diesem Bereich zu übernehmen. Das zweite Argument war, wie bereits erwähnt, die Bekämpfung der illegalen Migration. Die Sicherung der Grenze gegen die illegale Migration obliegt aber den zuständigen Staatsorganen, deren Maßnahmen den bestehenden Rechtsbestand nicht ändern sollten".

Die Frage der Änderung des visafreien Regimes hat sowohl in der Slowakei als auch in Tschechien fürs Aufsehen gesorgt. Die Unterbrechung der Verhandlungen präsentierten die Medien als ablehnende Stellungnahme der Slowakei. Minister Simko dazu:

"Wir haben uns mehrmals klar ausgesprochen, daß wir über die Änderung der diesbetreffenden Rechtsstellung der Bürger beider Länder nicht mehr verhandeln wollen. Doch wir sind bereit, die Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration zu diskutieren. Die Slowakei betrachtet den Eingriff in die bestehenden Überstandardsbeziehungen zwischen beiden Republiken als kontraproduktiv. Dies stellten auch die Prermierminister Tschechiens und der Slowakei bei ihrem letzten Treffen in Bratislava fest."

Wie Minister Simko betonte, konzentriert sich die Slowakei auf die Ostgrenze des Landes, die künftig zur Schengener Außengrenze wird. Deswegen sei es notwendig, die Sicherheitsmaßnahmen an der slowakisch-ukrainischen Grenze zu stärken, denn gerade diese am meisten von illegalen Migranten übertreten wird.