Tschechische Gauck-Behörde beschlossen - soll zugleich Forschungsstelle sein

Foto: CTK

Bei der Abstimmung über die Errichtung einer Art tschechischen Gauck-Behörde ging es am Mittwoch heiß her im Abgeordnetenhaus. Zum Schluss verließen die meisten Oppositionspolitiker aus Protest den Sitzungssaal. Verhindert haben sie dennoch nicht, dass nun ein zentrales Institut entstehen soll, dessen Aufgaben noch weit über die der deutschen Gauck-Behörde hinausgeht. Es soll Institut für das Studium totalitärer Regime heißen.

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Eigentlich wurde das Entstehen zweier Institutionen am Mittwoch im Abgeordnetenhaus auf den Weg gebracht. Längere Zeit wurde bereits diskutiert, die Archive der Geheimdienste aus der kommunistischen Zeit zusammenzuführen. Bisher haben die jeweiligen Nachfolgeinstitutionen, also die Nachrichtendienste diese Archive verwaltet. Was nun beschlossen wurde, beschreibt der bürgerdemokratische Abgeordnete Marek Benda:

"Ein Archiv der Geheimdienste, das alle Materialien aus den Jahren 1938 bis 45, also aus der Zeit der nazistischen Besatzung, sowie aus den Jahren 1948 bis 89, also aus der Zeit des kommunistischen Regimes zusammenfassen soll. Über diesem soll das Institut für das Studium totalitärer Regime stehen."

Und das soll in großem Umfang Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Als leitendes Organ des Instituts will man einen siebenköpfigen Rat einrichten. Die sieben Ratsmitglieder würden vom Oberhaus des tschechischen Parlaments, dem Senat bestimmt und zwar auf Vorschlag des Abgeordnetenhauses, des Präsidenten sowie von Bürgervereinigungen. Für die oppositionelle Linke ein Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft:

"Das ist aus meiner Sicht ein politisches Institut. Es wird einige hundert Angestellte haben, einen sehr gut bezahlten Leiter, jede Mange Dienstwagen, Sekretärinnen und es wird komplett von Politikern geleitet. Es handelt sich also, mit etwas Übertreibung, um ein umgedrehtes Institut für Marxismus-Leninismus", sagte der Sozialdemokrat David Rath.

Ivan Langer
Innenminister Ivan Langer von der Demokratischen Bürgerpartei entgegnete, dass eine neue Institution notwendig sei. So arbeiten bei den tschechischen Nachrichtendiensten, die bisher die Archive verwalten, weiterhin auch ehemalige Mitarbeiter des kommunistischen Geheimdienstes und haben somit Zugang zu Archivmaterialien. Mit dem Institut werde sich das ändern:

"Leute, die bisher negative Lustrationsbescheinigungen und Sicherheitsüberprüfungen haben, werden in Zukunft solche Unterlagen nicht mehr in ihre Hände bekommen", so Langer.

Als weiteres Argument führten Regierungsvertreter an, dass das Institut für das Studium totalitärer Regime auch keinerlei Neubau erfordere. Man wolle es ganz einfach im Gebäude des bisherigen Ministeriums für Informatik im Prager Stadtteil Zizkov unterbringen. Das Ministerium soll im Herbst abgeschafft werden.

Drei Stunden dauert am Mittwoch die Diskussion über das Institut. Letztlich konnte die Regierung ihr Projekt durchsetzen, weil sie sich auch auf zwei ehemalige sozialdemokratische Abgeordnete stützen konnte. Der entsprechende Gesetzesvorschlag muss jetzt noch in den Senat, in dem die Regierung ohnehin die Mehrheit stellt, und zum Schluss Präsident Vaclav Klaus vorgelegt werden.

Autor: Till Janzer
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