Tschechisches Strafrecht wird erstmals nach 40 Jahren reformiert
Bisher gilt in Tschechien noch das Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1961. Nach der Wende war dieses Gesetzbuch aber eine ständige Baustelle. Über 60 Mal änderte das Parlament seitdem die Rechtsnormen aus kommunistischer Zeit. Jetzt aber steht der große Wurf bevor: eine komplette Neuversion des über 40 Jahre alten Strafgesetzbuches. Das Abgeordnetenhaus des Parlaments hat die Novelle am Dienstag mit den Stimmen der Regierung gebilligt.
Die Strafmündigkeit wird auf 14 Jahre gesenkt, Mörder können bis zu 30 Jahre hinter Gitter wandern und es wird zwischen weichen Drogen und harten Drogen unterschieden. Das sind drei zentrale Neuerungen. Dafür wäre es jedoch nicht nötig gewesen, ein komplett neues Strafgesetzbuch zu entwerfen. Der Regierungskoalition geht es aber auch um ein neues Prinzip bei der Beurteilung von Verbrechen. Der Bürgerdemokrat Marek Benda ist Vorsitzender des verfassungsrechtlichen Ausschusses des Abgeordnetenhauses und erläutert den Grundgedanken der Strafgesetz-Novelle:
„Im Mittelpunkt steht der Mensch, der geschützt werden soll – seine Würde und seine Unversehrtheit. Und erst an zweiter Stelle steht das Eigentum. Die kommunistische Rechtsauffassung hatte uns gelehrt, dass zuerst der Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums kommt. Das wurde mechanisch übertragen und heraus kamen unvergleichbare Strafmaße. So konnte für Vergewaltigung nur zwei Jahre Haft gegeben werden und für Betrug aber acht Jahre.“
Das neue Strafgesetzbuch ist aber noch nicht in trockenen Tüchern. Die linksgerichtete Opposition lehnt einzelne Punkte ab und hofft daher auf das Vetorecht des Senats als Oberhaus des Parlaments. Diskussionen gab es vor allem über die Senkung der Grenze für die Strafmündigkeit von 15 auf 14 Jahre. Der sozialdemokratische Rechtsexperte Zdeněk Jičinský:
„Ich persönlich halte diese Senkung nicht für gut. Ich hoffe, dass die Senatorinnen und Senatoren als weise Frauen und Männer das Strafgesetzbuch ablehnen und uns zur Überarbeitung zurückgeben.“Justizminister Jiří Pospíšil sagte jedoch, er sehe bei dieser Regelung kein Problem. In Nachbarstaaten wie Deutschland oder Österreich liege die Strafmüdigkeit auch bei 14 Jahren. Politiker der mitregierenden Grünen hatten wiederum vorgeschlagen, den Anbau und die Nutzung der weichen Droge Marihuana straffrei zu machen. Das traf auf Gegenwehr des christdemokratischen Koalitionspartners. Die Christdemokraten schlugen sogar härtere Strafen vor, ihr Fraktionschef Pavel Severa:
„Wir wollten durch den Vorschlag aber vor allem den Status quo bewahren: dass wie in anderen Staaten nicht zwischen weichen und harten Drogen unterschieden wird.“
Herausgekommen ist letztlich ein Kompromiss: Der Gebrauch weicher Drogen bleibt strafbar, das Strafmaß wurde aber herabgesetzt. Weitere neue Regelungen in der Strafgesetz-Novelle sind: Stadionverbote für Fußballrowdies, Haftstrafen für das so genannte Stalken und die Gleichstellung von Drogen und Doping.