Tschechische Landwirte müssen sich Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen

Im nun folgenden Wirtschaftsmagazin von und mit Lothar Martin werden Sie mit Überproduktionen, Verbrennungen und EU-Subventionen konfrontiert. Alles Dinge, mit denen sich die tschechische Land- und Energiewirtschaft heute, knapp ein Jahr nach dem EU-Beitritt des Landes, auseinander zu setzen hat.

Aus Getreide macht man bekanntlich Mehl, und mit Hilfe des Mehls entstehen in der Regel einige unserer wichtigsten Grundnahrungsmittel wie Brot, Brötchen und andere leckere Backwaren. So haben wir es in der Schule gelernt, und so lehrt es uns auch die jahrhundertealte Tradition. Aber wir sind mittlerweile am Beginn des dritten Jahrtausends u. Z. angelangt - und da ist so manches anders. Getreide wird auch heute noch zu Korn gemahlen und das Mehl zu Brot gebacken. Aber spätestens mit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union vor knapp einem Jahr wissen auch die hiesigen Landwirte, dass das nicht alles ist, wozu Getreide nützlich ist. Und wenn dann noch eine Rekordernte wie im vergangenen Jahr hinzukommt, dann muss sich auch der einfachste Bauer fragen: Was wird eigentlich mit dem ganzen Schrot und Korn, das wir hier in Europa im Überfluss haben? Eine Frage, die die Europäische Union auf ihre Weise beantwortet. Denn mit ihrem generösen System der Subventionen und Regulierungen schafft sie für die Landwirte mitunter ein paradiesisches Feld der Ertragssicherheit. Das ist zum Beispiel beim Getreide der Fall, wo der tschechische Staat laut EU-Verordnung verpflichtet ist, den von seinen Bauern angebotenen Lebensmittelweizen vollständig abzukaufen, und das zu einem festgelegten Tonnenpreis von 101,31 Euro. Das hat die hiesigen Getreideproduzenten im vergangenen Jahr geradezu dazu animiert, den Verkauf ihrer Ware auf dem freien Markt solange hinauszuzögern, bis ein fetter Preis in Aussicht steht. Doch aufgrund der vorjährigen Rekordernten in Böhmen, Mähren und halb Europa blieb eine gesteigerte Nachfrage aus und die Marktpreise blieben unter dem von Brüssel festgelegten staatlichen Einkaufspreis. Die Folge: Der tschechische Staat sah sich bisher außerstande, alle 1,2 Millionen Tonnen des hierzulande überflüssig produzierten Lebensmittelweizens aufzukaufen. Neben der hohen finanziellen Belastung, die Prag mittels seines Staatlichen Landwirtschaftsförderfonds zu tragen hat, ist es vor allem die fehlende Lagerkapazität, die bisher nur eine Abnahme von 360.000 Tonnen ermöglicht hat. Ein Problem, das bereits auf die diesjährige Saison überzugreifen droht. Denn der Großteil des überschüssigen Weizens lagert nach wie vor noch in den Hallen und Lagerräumen der Produzenten, die langsam aber sicher Platz schaffen wollen für die heurige Ernte.

EU-Subventionen für tschechische Landwirte
"Das Getreide, das ich dem Staat zu dem ihm auferlegten Kauf angeboten habe, sollte bis spätestens zum 1. April aus unseren Lagern geräumt werden. Wahrscheinlich rechnet man damit, dass das überflüssige Korn einfach vergammeln wird. Ich werde daher rechtliche Schritte einleiten, um die Sache voranzutreiben", erklärte zum Beispiel Jan Miller vom Vorstand der Assoziation privater Landwirte gegenüber der Tageszeitung "Hospodarske noviny". Die ihnen laut EU-Recht zustehende staatliche Auslöse der unverkauften Überproduktion einklagen oder aber noch Großteile des Lagergetreides billiger oder anderweitig absetzen, dies sind derzeit die Alternativen, vor denen die Bauern stehen. Bei anderen landwirtschaftlichen Lebensmitteln war im März bereits ein Preisrückgang von 15 Prozent zu verzeichnen. Dass dieser Trend anhalten wird, davon ist die Analytikerin Helena Horska überzeugt:

"Meiner Meinung nach wird sich der Preisabfall bei Lebensmitteln in den nächsten Monaten fortsetzen. Eine Änderung könnte erst mit den Frühkartoffeln eintreten, da diese stets die Lebensmittelpreise erhöhen. Man wird sehen, ob die Ernte in diesem Jahr genauso gut ausfällt wie im vergangenen Jahr. Falls nicht, wird es zu einem Preisanstieg auf einem niedrigeren Niveau kommen."

Foto: Archiv Radio Prag
Die Getreideproduzenten haben aber inzwischen noch einen anderen Weg entdeckt, wie sie ihr überschüssiges Korn absetzen und ihre Verluste damit minimieren können. Auch hierzulande ist man nämlich dazu übergegangen, minderwertiges Getreide neben energetischen Pflanzen oder Holzspänen als Brennstoff und damit für die Energiegewinnung zu nutzen. So ist zum Beispiel der staatliche Energieriese CEZ dahinter gekommen, dass das Korn eine relativ preisgünstige Energiequelle ist. Der Vorsitzende der Börsenkammer, Ladislav Svoboda, erklärte dazu:

"Ein Teil des Getreides ist in Depots, Schuppen und dergleichen gelagert, wo es verschimmeln kann und damit nicht einmal mehr als Futtermittel taugt. Für dieses Getreide haben die Landwirte viel in die Produktion und Lagerung investiert, so dass es schade wäre, es gänzlich verkommen zu lassen. Dieses Getreide hat nämlich einen ganz passablen Heizwert und für dessen Verbrennung erhalten die Bauern rund 1100 Kronen je Tonne."

Das ist immerhin gut ein Drittel dessen, was die Landwirte für den qualitativ hochwertigen Lebensmittelweizen erhalten. Eine solche Verwertung des nicht verkauften minderwertigen Getreides wird natürlich vom Staat begrüßt, da er ihn bei seiner Aufkaufpflicht entlastet. Weit weniger gutheißen die Ökologen dieses Geschäft zwischen den Energetikern und Landwirten. Angesichts der in vielen Gebieten der Welt herrschenden Hungersnot halten sie die Verbrennung des Getreides für moralisch unzulänglich. Während Europa, die Vereinigten Staaten und Japan mit einer

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Überproduktion an landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu kämpfen haben, leiden nämlich nicht weniger als 850 Millionen Menschen auf unserem Erdball an Hunger. Es sei zwar besser, Getreide zu verbrennen als es verfaulen zu lassen, sagte Vojtech Kotecky von der Organisation Hnuti Duha (dt. Regenbogen-Bewegung), aber es wäre noch besser, vorn vornherein gleich energiereiche Feldfrüchte zu diesem Zwecke anzubauen und zu züchten. Man sieht also, dass die tschechischen Landwirte auch ein Jahr nach dem EU-Beitritt des Landes nicht in dem von ihnen befürchteten Maße um ihre Existenz fürchten müssen. Sie müssen allerdings flexibler und marktgerechter handeln, um unter den neuen Bedingungen zu bestehen. Und sie müssen die Zeichen der Zeit erkennen.

"Die Produktion von Rohstoffen, die nicht als Lebensmittel genutzt oder zu solchen verarbeitet werden, ist eine der Prioritäten der Agrarpolitik der Europäischen Union", verweist Tomas Doucha vom Forschungsinstitut für Agrarökonomie auf einen solchen Trend. Neben minderwertigem Getreide sollen in Zukunft auch verstärkt Sauerampfer, Weidenbäume und energiehaltige Ölpflanzen als Brennstoff oder aber als Biosprit verwendet werden. Es scheint, dass auch in Tschechien allmählich das Feld der erneuerbaren Energien bestellt wird. Und das ist gut so. Denn die von der EU subventionierte Überproduktion von Lebensmitteln ist ein Relikt des 20. Jahrhunderts. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind jedoch weit komplexer, als dass finanzielle Mittel als Preisstütze für eine unkoordiniert ins Kraut schießende europäische Landwirtschaft vergeudet werden sollten. Da der europäische Agrarmarkt ein steigendes Maß an Effektivität erfordert, müssen sich auch die tschechischen Landwirte darauf einstellen.