Tschechische Medienstimmen zur Nominierung von Angela Merkel
Pressestimmen zur Nominierung Angela Merkels zur künftigen deutschen Regierungschefin sind das Thema der neuesten Ausgabe von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag. Am Mikrophon sind diesmal Martina Schneibergova und Robert Schuster.
Auch Tschechiens Politiker blicken gern in Richtung Deutschland und versuchen zum Beispiel bestimmte Trends oder politische Entwicklungen des Nachbarlandes auch hierzulande einzuleiten. Ganz besonders stark lässt sich diese Tendenz etwa beim jetzigen sozialdemokratischen Regierungschef Jiri Paroubek feststellen, der sich im Juni kommenden Jahres, wenn die Wahl eines neuen tschechischen Parlaments ansteht, einen ähnlichen Meinungsumschwung zu Gunsten seiner Partei wünscht, wie es ihn auch in Deutschland gegeben hat.
Nun aber zu einigen Pressestimmen, die sich mit der Einigung auf der Person des künftigen deutschen Regierungschefs befassen. So fanden wir bei Adam Cerny in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny folgende Meinung:
"Als Gerhard Schröder am Wahlabend das Kanzleramt für sich reklamierte, hatte es den Anschein, als ob er vielleicht etwas mehr getrunken hätte, als sich gehören würde. Letztlich hat sich das ausgezahlt. Zwar nicht für ihn persönlich, aber für die deutschen Sozialdemokraten. Der Preis, den die Christdemokraten für den Kanzlersessel bezahlen mussten, ist bei dem ausgeglichenen Kräfteverhältnis zwischen den Koalitionspartnern hoch. Hoch kann aber auch der Preis sein, der Deutschland durch diese Koalition abgefordert werden könnte, denn die Hoffnung, dass die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union die notwendigen Impulse bekommen könnte, ist gering."Immer wieder wurde von vielen Kommentatoren auch die Frage gestellt, welche Auswirkungen auf den künftigen außenpolitischen Kurs Deutschlands wohl die Bildung einer großen Koalition hätte, denn schließlich würde es zwischen der SPD und CDU/CSU gerade in diesem Bereich divergierende Unterschiede geben. Darüber unterhielten wir uns mit unserem Kollegen und Chefredakteur des sechsten Programms des Tschechischen Rundfunks, Ivan Stern. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang in den Vordergrund drängt ist also, ob eine Allianz dieser Parteien im Endeffekt nicht kontraproduktiv sein und die deutsche Außenpolitik im Rahmen der Europäischen Union unberechenbarer machen würde?
"Ja, das kann sein, weil eigentlich alle diese Volksparteien ein bisschen anders orientiert sind, was zum Beispiel die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten betrifft. Die Regierung Schröder war in gewisser Weise antiamerikanisch und bildete eine Achse zusammen mit Paris und Moskau. Man muss sagen, dass die Freundschaft zwischen Schröder und Präsident Putin fast gefährlich war, nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Mitteleuropa. Auf der anderen Seite ist auch die Position der Christdemokraten klar, nämlich dass die Beziehungen zu Amerika aufrechterhalten werden müssen. Ich denke, dass in diesem Sinne die Politik der Christdemokraten überwiegen wird, auch deshalb, weil Gerhard Schröder, der als früherer 68er diesen Antiamerikanismus in der SPD darstellt, nun die Politik verlassen wird und Joschka Fischer gleich mit ihm. Die Beziehungen zu Amerika werden eine Korrektur erfahren."Vereinzelt tauchten schon während des deutschen Wahlkampfs in einigen Biografien Angela Merkels, die in den heimischen Zeitungen erschienen sind, Informationen auf, wonach die künftige Kanzlerin zu DDR-Zeiten eine Zeit lang in der damaligen Tschechoslowakei zu Studiengängen im Bereich physikalische Chemie weilte und damals sogar ein wenig Tschechisch gelernt haben soll.
Ob das auch irgendwelche Auswirkungen auf das in der Vergangenheit oft schwierige tschechisch-deutsche Verhältnis haben könnte, darüber machte sich zum Beispiel Lubomir Heger in der Tageszeitung Mlada fronta Dnes Gedanken:
"Die tschechisch-deutsche Partnerschaft könnte indirekt gedeihen, wenn es Frau Merkel gelingen würde die wichtigsten Punkte ihre Wahlprogramms zu erfüllen, nämlich den deutschen Arbeitsmarkt anzukurbeln - vielleicht würden dann auch für tschechische Arbeitnehmer die Zugangsbeschränkungen früher fallen - und das Verhältnis zu den USA wieder ins Lot gebracht werden. Gibt es da noch etwas? Ach ja, den obligatorischen Nachtrag: die Sudetendeutschen. Frau Merkel hat sich nie deren Anliegen zu Eigen gemacht und auch die mitregierende SPD wird sich als zuverlässige Bremse erweisen - dann, wenn etwa der künftige Wirtschaftsminister Edmund Stoiber diese Angelegenheit thematisieren sollte. Es werden höchstens stärkere Aufrufe von deutscher Seite, für irgendeine Form der Entschuldigung erwartet. Wären aber diese so amoralisch?", fragt sich abschließend Lubomir Heger von der Mlada fronta Dnes.In der Vergangenheit wurde gerade in diesem Zusammenhang auf tschechischer Seite oft bemängelt, dass die politische Elite des Landes zur Gänze aus der alten Bundesrepublik stammt und sie somit über kein Einfühlungsvermögen in die Stimmungslage einer postkommunistischen Gesellschaft, wie der tschechischen, verfügt. Gleichzeitig wurde auch die Hoffnung geäußert, dass dies besser werden könnte, wenn ein Politiker, der in der früheren DDR aufgewachsen ist, an die Spitze der Regierung gelangen würde. Dieser Fall wird nun eintreten. Könnte das bei der künftigen Entwicklung der tschechisch-deutschen Beziehungen eine positive Rolle spielen? Dazu meint abschließend Ivan Stern vom sechsten Programm des Tschechischen Rundfunks:
"Ich glaube, dass das im Prinzip gar keine Rolle spielen wird, weil sie ist Kanzlerin aller Deutschen und nicht nur der Ostdeutschen. Ich bin überzeugt, dass sie hier gar nicht unterscheiden wird. Weitaus gefährlicher wäre, wenn Edmund Stoiber Bundeskanzler wäre, denn er wird teilweise von seiner aus dem Sudentenland stammenden Frau beeinflusst. Seine Frau hat gewisse Beziehungen zu unserer Republik und diese nicht gerade im positiven Sinne."