Tschechische Pressekommentare zum Staatshauhalt, der künftigen Präsidenten-Pension und Europa

Liebe Hörerinnen und Hörer, wir begrüßen Sie recht herzlich zu einer neuen Ausgabe unseres Medienspiegels. Auch heute haben wir für Sie wieder eine Palette an Themen und Ereignissen zusammengestellt, die in der abgelaufenen Woche von den tschechischen Medien kommentiert wurden. Am Mikrophon sind Robert Schuster und Jitka Mladkova:

So, wie in vielen anderen Ländern, findet auch im tschechischen Parlament in diesel Tagen sozusagen die "Mutter aller politischen Schlachten" statt, nämlich die abschließenden Beratungen über den Staatshaushalt für das kommende Jahr. Kein Wunder, dass gerade in Zeiten, in denen die öffentliche Hand bemüht ist zu sparen und versucht überall den Rotstift anzusetzen, in den Medien Berichte auftauchen, wonach zum Beispiel durch die Einsparungen im Gesundheitswesen vielen Kinderkliniken im Land das Aus drohe, oder die Budgets der Hochschulen eingefroren werden sollen.

Während sich aber für die völlig überschuldeten tschechischen Krankenhäuser in der Vergangenheit meistens stets eine Lösung fand - versehen mit der Begründung, der Umfang der ärztlichen Betreuen dürfe nicht beeinträchtigt werden - können die Universitäten von einer ähnlich starken Position auf der Prioritätenliste der Politiker nur träumen.

Zu dieser Erkenntnis gelangte auch Martin Zverina in der Tageszeitung Lidové noviny, in dessen Kommentar u.a. zu lesen war:

"Die Hochschulen verlangen schon seit Jahren nach zusätzlichen Mitteln, um die notwendigen Strukturreformen in Angriff nehmen zu können, die ihnen zwar immer wieder versprochen wurden, aber ebensooft vom Schulministerium verwehrt blieben. Dieses hin und her wiederholt sich mittlerweile fast alljährlich, wobei die Regierung die Hochschulen immer wieder aufs nächste Jahr zu vertrösten versucht. Warum sind bisher alle Versuche den Hochschulen mehr Geld zukommen zu lassen gescheitert? Die Antwort ist ganz einfach: Weil sich die Politiker nur wenig und wenn überhaupt, dann lediglich zu Wahlzeiten für die Anliegen der Akademikem interessieren. Diesen Umstand zeigt wohl nichts deutlicher, als der Versuch der Hochschul-Vertreter sich mit Briefen bei den 200 Abgeordneten und 81 Senatoren Gehör zu verschaffen. Die Zahl der Antworten, die sie dabei erhielten, lassen sich jedoch an den Fingern einer Hand zählen."

Bei weitem geht es aber bei den Haushaltsberatungen nicht nur um atemberaubende Summen in Milliardenhöhe. Für die Abgeordneten ist nämlich dieses alle Jahre wiederkehrende Budget-Ritual auch ein Weg, um sich in den Augen ihrer eigenen Wähler zu profilieren und zu zeigen, dass sie deren Interessen auch wirklich vertreten würden. Der Erhaltungstreib der Politiker scheint zu funktionieren und viele von ihnen versuchen dann vor der Endabstimmung im letzten Augenblick noch die eine oder andere staatliche Zuwendung für Projekte, wie Schwimmbäder, Sporthallen etc. in ihren Wahlkreisen zu erreichen.

Diesem zähen Ringen widmet sich Martin Denemark in der Wirtschaftszeitung Hospodárské noviny:

"Wohin sind nur jene Politiker verschwunden, die sonst immer den Mund voll nehmen mit leeren Phrasen über die Notwendigkeit zu sparen, oder in die Zukunft zu investieren? Man konnte in den letzten Tagen leicht den Eindruck gewinnen, dass an deren Stelle Lobbisten im Parlament sitzen, mit dem Ziel Geld für so weltbewegende Projekte zu ergattern, wie die Reparatur von Kirchendächern oder den Bau von neuen Sportanlagen. Das alles ohne eine Spur von Weitblick und man könnte das Gefühl bekommen, hier werden nur Löcher geflickt, die irgendwo anders wieder auftauchen. Aber das eigentlich Absurde ist das System, dass dieses unwürdige Theater ermöglicht. Anstatt auf die Gemeinden und die neu geschaffenen Kreise neben der Verantwortung für viele Bereiche auch noch das notwendige Geld aus Steuererträgen zu überführen, spielen sich die Beamten in den Ministerien und die Politiker im Parlament wie Götter auf, die sich in Prag anmassen über jede Kleinigkeit in der Provinz entscheiden zu müssen."

Nun aber zu zwei anderen Themen, die in der tschechischen Medienlandschaft ebenfalls kommentiert wurden. Das Parlament nahm vergangene Woche nach einem langem Hin und Her auf ein Gesetz an, dass die Höhe der Pension und anderer Entschädigungen für frühere Präsidenten regelt. Eigentlich sollte dieses Gesetz bereits Anfang diesel Jahres verabschiedet werden, als der erste Präsident der Tschechischen Republik, Vaclav Havel, aus dem Amt geschieden ist, doch fand sich dafür im Parlament nicht die notwendige Mehrheit. Erst, als die Regierung ihre Vorschläge änderte und insbesondere die Höhe der Rente, samt den übrigen Leistungen senkte, fand die Vorlage - mit Ausnahme der Kommunisten - breite Unterstützung. Die Kommentatorin Patricie Polanska von der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny meint den Grund dieses Meinungswandels, der vor allem in den Reihen der oppositionellen Abgeordneten stattfand, zu wissen:

"Es lässt sich nur schwer sagen, inwieweit der Sinneswandel der Abgeordneten, der in die Einsicht mündete, dass auch ehemalige Präsidenten weiterehin ein Gehalt oder eine Rente vom Staat bekommen sollten, durch den Wachwechsel auf der Prager Burg motiviert war. Er war aber dabei sicherlich nicht ganz unwichtig. Wahrscheinlich hat auch das Herabsetzen der Summe, welche den tschechischen Ex-Präsidenten künftig monatlich gezahlt werden soll, ein Ja vieler Mandatare wesentlich erleichtert. Das Grundproblem der tschechischen Politik, nämlich, wie man mit verdienten ehemaligen Staatsmännern umgeht, nachdem sie aus ihren Ämtern geschieden sind, wurde jedoch dadurch nicht gelöst. Es wäre schade, wenn das so bleiben würde und käme einer weitaus größeren Verschwendung gleich, als der von einigen Politiker im Zusammenhang mit der Höhe der Präsidenten-Pension ins Spiel gebrachte Vorwurf, hier würde Steuergeld verschwendet werden."

Abschließend noch ganz kurz zu einem außenpolitischen Thema, das hierzulande starke Beachtung fand, nämlich der Entscheidung des Rates der europäischen Finanzminister die beiden größten EU-Mitgliedsländer Frankreich und Deutschland nicht wegen deren wiederholten Verletzung des Euro-Stabilitätspaktes zu ahnden. Daniel Kaiser von der tschechischen Redaktion der britischen BBC sieht in dieser Entscheidung auch mögliche negative Folgen für die gegenwärtigen Bestrebungen der Prager Regierung die Defizite der öffentlichen Haushalte abzubauen. Kaisers Kommentar erschien in der Tageszeitung Lidove noviny:

"Die Tschechen sind noch nicht Bestandteil der Euro-Zone und werden es in absehbarer Zeit auch nicht werden. Dennoch sollte man der Entscheidung der EU-Finanzminister auch hierzulande größere Aufmerksamkeit widmen. Einerseits lässt sich vermuten, welche Richtung die Reformen der tschechischen Haushalte künftig nehmen werden. Wenn schon die Brüsseler Euro-Wächter nun zahnlos dastehen, wird wohl auch Prag nicht mehr so radikal vorgehen wollen. Zum anderen wurde auch in aller Offenheit deutlich, was diesem Land in der Europäischen Union für den Fall blühen würde, wenn die Union tatsächlich die neue Verfassung annehmen."