Tschechische Pressestimmen zur Naturkatastrophe in Südostasien und der Neujahrsrede von Präsident Vaclav Klaus
Zu einer weiteren Ausgabe von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag begrüßt Sie nun Robert Schuster.
Der zweite Punkt, der in den Medien erwähnt wird, ist die große Solidarität, welche die Naturkatastrophe in Südostasien auch in Tschechien ausgelöst hat. Die Folge ist eine vorher noch nie da gewesene Spendenbereitschaft, die gemäß der Meinung einiger Kommentatoren vor allem angesichts der kurz zuvor veröffentlichten Berichte über die rekordverdächtigen Ausgaben der tschechischen Haushalte in der Vorweihnachtszeit, ganz besonders erfreulich sind.
Seine Gedanken zu diesem Thema machte sich unter anderem der Kommentator Viliam Buchert, dessen Text in der auflagenstarken tschechischen Tageszeitung Mlada fronta Dnes erschienen ist:
Die erfreulichen Zahlen über die vielen Spenden, die uns tagtäglich präsentiert werden, zeugen davon, dass den Tschechen das Schicksal der in Not geratenen Menschen nicht gleichgültig ist. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass es wichtig ist auch dann zu spenden, wenn die Bilder von den Folgen der Naturkatastrophe von den Titelseiten der Zeitungen verschwinden. Nehmen wir uns deshalb ein Beispiel an der Hilfe, die der Tschechischen Republik nach der katastrophalen Jahrhundertflut des Jahres 2002 von der Europäischen Union zu Gute kam, als das Land noch gar nicht EU-Mitglied war. Noch im vergangenen Jahr konnten dank dieser Gelder neue Straßen und Brücken eröffnet werden. Auch jetzt geht es also darum, die Spendenbereitschaft aufrecht zu erhalten. Nun kommen wir aber in unserem Medienspiegel auf die bereits eingangs kurz erwähnte Neujahrsansprache des tschechischen Präsidenten zurück. Für Vaclav Klaus war es die zweite Rede seit seiner Wahl Ende Februar 2003. Vor allem dessen Vorgänger im Präsidentenamt, Vaclav Havel, nutzte die Gelegenheit oft, um in seiner Neujahrsbotschaft die Missstände im Land anzuprangern, oder aber auch - ohne die Nennung von konkreten Namen - indirekt seine politischen Gegner anzugreifen. Vaclav Klaus enttäuschte jedoch diesmal alle, die etwas Ähnliches auch von ihm erwartet hatten. Er hielt weder eine Brandrede gegen die Europäische Union, noch unterzog er die amtierende Regierung einer harschen Kritik. Die Präsidentenrede war also eher unspektakulär, das Staatsoberhaupt appellierte an seine Mitbürger, sich in ihrem unmittelbaren Umfeld stärker zu engagieren.Beim Bilanzieren der Ereignisse des abgelaufenen Jahres, welches ebenfalls ein fester Bestandteil solcher Reden ist, beschränkte sich Klaus auf eine Aufzählung einiger wichtiger Ereignisse. So erwähnte er zum Beispiel den im Mai vergangenen Jahres erfolgten Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union fast nur am Rande. Gerade diesen Umstand nahmen einige Kommentatoren zum Anlass und stellten ihn in den Mittelpunkt ihrer Bewertung der Präsidentenrede, wie etwa Jiri Hanak, dessen Kommentar in der links orientierten Tageszeitung Pravo erschienen ist:
Die Neujahrsansprache des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus hat mich dadurch beeindruckt, dass sie nicht wie gewöhnlich durch die Präsidentenfanfare eingeleitet wurde, und für die Live-Übertragung diesmal eine private Fernsehanstalt verantwortlich war. Ansonsten hörte sich die Rede wie die Meldung eines Dienst habenden Unteroffiziers, frei nach dem Motto: "Während meines Dienstes gab es keine besonderen Vorkommnisse." Ja es stimmt, Tschechien ist im vergangenen Jahr Mitglied der Europäischen Union geworden, aber so etwas Profanes kann man doch nicht als Schlüsselereignis bezeichnen, oder doch?Einen anderen Aspekt der Präsidentenrede nahm der Publizist Ondrej Neff in seiner Internet-Zeitung Neviditelny pes unter die Lupe. Seiner Meinung nach hat Klaus eine kleine Kostprobe seiner künftigen politischen Stoßrichtung gegeben, nämlich indem er seine Mitbürger dazu aufgefordert hat, alltägliche, menschliche, etwas traditionalistische, und deshalb unideologische Ziele zu verfolgen. Das könne jedoch, so Neff in seinem Beitrag, auch gewisse Risiken mit sich bringen, wie er im Folgenden meint:
Unspektakuläre, also im Sinne des Präsidenten gewöhnliche menschliche und unideologische Werte, sind der Kern seiner Gedankengänge, genauso wie auch der Leitfaden von Klaus´ politischer Tätigkeit. Gleichzeitig ist es auch ein großes Paradox, denn die vom Präsidenten nun eingeforderte Besinnung auf die gewöhnlichen Ziele des Lebens ist nämlich gleichzeitig auch etwas Ideologisches. Der Versuch, einen bestimmten Wertekanon als unideologisch zu bezeichnen, ist nämlich schon rein prinzipiell ein Widerspruch an sich, auch wenn uns Klaus damit weismachen will, wie misstrauisch er gegenüber hohen Zielen ist.Ein weiteres Thema des kommenden Jahres, auf das wir abschließend eingehen wollen, wird die geplante Verabschiedung der Europäischen Verfassung sein. In Tschechien herrscht in dieser Frage allgemeiner Konsens, dass es eine Volksabstimmung geben sollte. Über das Wann und Wie herrscht aber noch Unklarheit. Während die Regierung seit Jahresbeginn dafür plädiert, das Referendum gleichzeitig mit den nächsten Parlamentswahlen, also im Juni 2006 abzuhalten, ist die größte bürgerliche Oppositionspartei strikt dagegen.
Ähnlich unterschiedlich sind auch die Positionen der einzelnen Parteien zur Frage, ob Tschechien dem Verfassungstext zustimmen sollte oder nicht. Insbesondere die bereits kurz angesprochene europakritische oppositionelle Demokratische Bürgerpartei versucht schon seit geraumer Zeit für ihren ablehnenden Standpunkt bei der Bevölkerung Stimmung zu machen. Dazu fanden wir in der Tageszeitung Lidove noviny einen Kommentar von Tereza Nosalkova, aus dem wir Ihnen gegen Ende unseres heutigen Medienspiegels noch einige Passagen zitieren wollen. Die Autorin dieses Meinungsartikels kommt dabei zum Schluss, dass die heutigen Regierungsparteien, allen voran die Sozialdemokraten, die die Verfassung fast vorbehaltlos unterstützen, den oft stark vereinfachenden Argumenten der Gegenseite bislang nichts entgegen setzen konnten, wenn sie schreibt:
"Gegen diese oppositionellen Schwergewichte sollten die Sozialdemokraten, die den Einigungsprozess unterstützen, mit effizienteren Waffen antreten. Gegenwärtig sieht es nämlich so aus, als ob die größte Regierungspartei lediglich versuchen würde, die ideologisch motivierten Argumente der Opposition nur als unwahr zu bezeichnen. Um Erfolg zu haben, muss man aber mit eigenen und vor allem sachlichen Argumenten kommen, was in erster Linie heißen müsste, den Text des Verfassungsvertrags übersetzen zu lassen und an die Bevölkerung zu verteilen. Sollte aber die Regierungspartei, wie schon im Sommer, wieder nur mit Großplakaten werben wollen, dann werden die Befürworter der Verfassung wohl hoffen müssen, dass die Tschechen geborene Eurooptimisten sind."