Tschechische Regierungskrise: Diesmal wird es kein „Zurück an den Start“ geben
Die tschechische Regierung im Würgegriff einer privaten Sicherheitsagentur? Auch auf diese, obwohl zugegebenermaßen etwas plakative, Weise ließe sich wohl am besten die jüngste Krise der tschechischen Regierung darstellen. Über die Hintergründe berichtet Robert Schuster.
„Die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten ist eben keine standardmäßige politische Partei. Das ist so etwas wie ein unternehmerisches Projekt und wie sich zeigt: das Projekt einer Person. Es darf nicht sein, dass ein Unternehmen Bestandteil der Regierung ist. Da könnte bei den nächsten Wahlen gleich der Energiekonzern ČEZ oder das Wettunternehmen Sazka kandidieren.“
Viele Beobachter erwarten, dass am Montag Bewegung in die verfahrene Situation kommen könnte. Dann wird sich nämlich auch Präsident Václav Klaus offiziell in die Regierungskrise einschalten. Über das Wochenende hat er sich zwar bedeckt gehalten, auch wenn er gegenüber dem Tschechischen Rundfunk Folgendes durchklingen ließ:„Ich denke, dass die Regierung reif ist, umgebildet zu werden. Ich bin mir nicht sicher, ob man das im größeren Ausmaß tun kann, ohne dabei die gesamte Koalition neu zu formieren.“
Klaus hat schon bei der vorletzten Regierungskrise im Dezember vergangenen Jahres eine wichtige Rolle gespielt. Damals stritten sich ebenfalls die rechtsliberalen Bürgerdemokraten von Premier Petr Nečas mit der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten um die Person des Polizeipräsidenten. Klaus fädelte damals einen Kompromiss ein, der die Lage zu entschärfen half.
Wie schon so oft in der Vergangenheit, wenn es galt ähnliche innenpolitische Konflikte zu bewältigen, zeigt sich auch in diesem Fall, dass es eine gewisse Kluft gibt zwischen der geschriebenen tschechischen Verfassung und deren Auslegung in der realen Politik. Denn formell gesehen, kann der Regierungschef jederzeit über seine Minister verfügen, sie mit anderen Aufgaben betrauen oder sie im Extremfall sogar entlassen. In der politischen Wirklichkeit ist der Premier mit machtpolitischen Überlegungen konfrontiert, muss unter anderem Rücksicht auf seine Koalitionspartner nehmen. Dazu meint der Politikwissenschaftler Petr Just von der Prager Karlsuniversität:„Es gehört zu den Verfassungsrechten des Premiers Entlassungen vorzuschlagen, auch wenn der Koalitionsvertrag besagt, dass er zuvor die Unterstützung der entsprechenden politischen Partei suchen sollte. Aber Tatsache ist, dass das nicht festgeschrieben ist.“Unter diesem Aspekt kann der Plan von Premier Nečas, neben dem zurückgetreten Verkehrsminister Bárta auch um die Entlassung von Innenminister Radek John – also immerhin des formellen Vorsitzenden der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten -, sowie des Bildungsministers Josef Dobeš zu ersuchen, als sehr gewagt betrachtet werden. Zu welcher Dynamik innerhalb der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten kann das führen? Werden sich ihre Abgeordneten eher um Bárta, John und Co. scharen, oder Nečas´ Regierung weiter tolerieren? Dazu meint der Politologe Just:
„Es gibt hier immer noch eine große Unbekannte, und das ist die Kräfteverteilung innerhalb der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten. Insbesondere unter jenen ihrer Abgeordneten, die bereit wären eine Minderheitsregierung von ODS und TOP 09 zu unterstützen. Im Verlauf der vergangenen Woche wurden verschiedene Zahlen ins Spiel gebracht – es war die Rede von sechs bis elf Abgeordneten, aber bislang haben lediglich drei Abgeordnete ganz sicher ihre Unterstützung deklariert, was zusammen mit den Abgeordneten der verbliebenen zwei Regierungsparteien lediglich 97 Mandate im Abgeordnetenhaus darstellt.“ Welche Auswege der gegenwärtigen Regierungskrise bieten sich am ehesten an? Denn es scheint klar zu sein, dass es diesmal ein Zurück und etwa den Versuch eines Neustarts der Koalition, so wie nach ihrer Krise vom Dezember vergangenen Jahres, nicht geben kann. Hören Sie dazu abschließend noch einmal die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Petr Just von der Prager Karlsuniversität:„Die Bildung einer Minderheitsregierung hätte Übergangscharakter bis zu vorgezogenen Neuwahlen. Das würde dann allerdings auch von der Haltung der Sozialdemokraten abhängen. Deren Umfragewerte sind gegenwärtig sehr stabil und erfolgversprechend, was mögliche Neuwahlen angeht. Eine weitere Variante wäre die Einigung mit den Sozialdemokraten, aber da ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering, da sich die Sozialdemokraten in letzter Zeit relativ scharf gegenüber der jetzigen Regierung profiliert haben. Eine Einigung halte ich für unwahrscheinlich, aber hypothetisch kann sie natürlich erwähnt werden.“