„Nicht wirklich gut“ – Politologe Schuster über ein Jahr Kabinett Nečas
Die tschechische Regierung hat ihren ersten Geburtstag gefeiert. Seit vergangenem Sommer amtiert in Tschechien unter der Leitung von Premier Petr Nečas eine Mitte-Rechts-Regierung, bestehend aus den rechtsliberalen Bürgerdemokraten, der konservativen Top 09 und der populistisch agierenden Partei der Öffentlichen Angelegenheiten. Ob es überhaupt etwas zu feiern gibt, dazu ein Gespräch mit dem Politologen und Radio-Prag-Mitarbeiter Robert Schuster.
„Das stimmt. Die Zustimmung zu der Regierung ist auf einem Rekordtief. Und da natürlich jeder Politiker von den Wählern nicht nur gewählt, sondern auch geliebt werden will, wertet die Regierung diese Situation sicherlich als ein gefährliches Alarmzeichen. Andererseits kann dieser schlechte Stand in den Umfragen auch in gewisser Weise disziplinierend wirken. Die Regierung hat sich sehr viel vorgenommen vor einem Jahr: die Reform des Renten- und Gesundheitssystems beispielsweise. Die Steuerreform kann ebenfalls disziplinierend wirken. Die Regierung kann infolgedessen also ruhig zugeben, dass sie schlecht in der Öffentlichkeit dasteht und dennoch zusammenhalten und versuchen, so lange wie möglich im Amt zu bleiben. Es geht dabei darum, die meisten der geplanten Reformen umzusetzen. Meiner Meinung nach wird das die Strategie sein, welche die Regierung fahren wird. Interessant am derzeitigen Kabinett ist vor allem die personelle Zusammensetzung. Einige Minister, meist in Schlüsselpositionen, hatten schon in der vorletzten bürgerlichen Regierung unter Premier Mirek Topolánek die gleichen Positionen inne.
Es ist interessant zu beobachten, wie sich die Stellung der Minister innerhalb der Regierung verändert hat. Miroslav Kalousek, der bereits Finanzminister unter Topolánek gewesen ist, war damals eher ein Teamplayer. Heute agiert er unter Premier Nečas fast als Schattenpremierminister - das heißt als jemand, der sich so gibt, als ob er mächtiger und einflussreicher wäre als der Premier selbst. Ein anderes Beispiel ist Karel Schwarzenberg, der auch schon Außenminister unter Topolánek gewesen ist. Eigentlich war er damals der Star der Regierung, der immer für einen Spruch gut war. Er war derjenige, der die öffentliche Aufmerksamkeit genoss. Jetzt ist er eher zurückgezogen, er gehört zum Team und ist einer von vielen. Es gibt natürlich auch positive Überraschungen. Zum Beispiel Gesundheitsminister Leoš Heger. Ursprünglich hatte man ihm nicht viel zugetraut, und dennoch hat er einen Großteil der Gesundheitsreform mit auf den Weg gebracht. Er konnte im Frühjahr dieses Jahres beispielsweise den großangelegten Streik der Ärzte beilegen. Mit Sicherheit hat die Regierung auch ihre guten Seiten, vielleicht auch ihre Aushängeschilder. Das erklärt aber natürlich auch nur einen Bruchteil des Ganzen.“Einige Regierungskrisen haben wir bereits erlebt. Stand denn diese Regierung bereits im ersten Jahr ihres Bestehens auf der Kippe?„Die letzte Krise Ende Juni ist schon sehr heftig gewesen. Damals bin ich davon ausgegangen, dass die Regierung scheitern wird. Wenn eine dieser drei Regierungsparteien wie die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten öffentlich ein Ultimatum an ihre beiden Regierungspartner stellt, dann will das schon etwas heißen. Ein Ultimatum kann man ja nicht einfach verstreichen lassen. Auf ein Ultimatum muss auch etwas folgen. Noch in letzter Minute haben es die Parteien dann geschafft, die Krise zu entschärfen und die Regierung zu retten. Aber ich denke, sollte es noch einmal zu einem solchen Ultimatum kommen, dann wird die Regierung tatsächlich scheitern. Es ist einfach zuviel Porzellan zerbrochen und vor allem ist das Vertrauen zwischen den drei Regierungspartnern verloren gegangen.“
Welche Gesamtnote würdest du also der Regierung Nečas geben?
„Das ist eine sehr schwierige Frage. Wenn man die Noten eins bis fünf hat, dann muss man irgendwo bei drei ansetzen. Aber wenn drei gut bedeutet, dann kann man die Arbeit der Regierung eigentlich nicht als wirklich gut bezeichnen. Ich würde also eher irgendwo zwischen gut und genügend ansetzen. Vor allem deshalb, weil die Regierung sehr viel Zeit durch ihre Koalitionskonflikte vergeudet hat. Es wurde sehr viel gestritten und dabei ist sehr viel kostbare Zeit verlorengegangen. Auch, wenn immer wieder im gleichen Atemzug erklärt wurde, dass zwar gestritten wird, aber auf der anderen Seite die Reformprojekte weiterlaufen. In der Öffentlichkeit bleibt zum Schluss immer nur dieser Zwist hängen. Dieser ist dann auch ausschlaggebend für dieses schlechte Image, das die gegenwärtige Regierung ein Jahr nach ihrem Amtsantritt hat.“