Petr Nečas zum Premierminister ernannt - Endspurt bei Koalitionsgesprächen
Seit Montag hat Tschechien einen neuen Premierminister. Petr Nečas ist am Vormittag von Staatspräsident Václav Klaus ernannt worden. Die Verhandlungen zur Bildung einer Mitte-Rechts-Regierung gehen indes weiter. Schien bisher weitgehend alles klar zu sein, mischen sich seit der vergangenen Woche auch einige Misstöne in die Gespräche der Neuner-Runde – kurz K9 genannt – aus Vertretern von ODS, TOP 09 und der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten. Als besonders heikel erweisen sich dabei Personalfragen.
"Staatspräsident Václav Klaus hat gemäß Artikel 62a der Verfassung der Tschechischen Republik Petr Nečas zum Premierminister ernannt."
Es folgt die feierliche Vereidigung des neuen Regierungschefs, die durch eine Unterschrift und einen Handschlag mit dem Staatsoberhaupt besiegelt wird. Danach gratuliert Václav Klaus dem frisch ernannten Premier Petr Nečas:
„Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses hohe Staatsamt in den richtigen Händen liegt. Ich bin mir sicher, dass es Ihnen innerhalb kurzer Zeit gelingt, eine Regierung zusammenzustellen und 14, 15 Minister hierher zur Vereidigung zu bringen. Sie werden Ihre Aufgabe mit Sicherheit bewältigen. In den etwas mehr als sieben Jahren meiner Amtszeit sind Sie bereits der sechste Premierminister, den ich ernenne. Das ist mehr als genug und zeugt nicht gerade von besonders stabilen Verhältnissen. Ich bin mir sicher, dass ich keinen weiteren Regierungschef mehr ernennen muss und Sie bis zum Ende meiner Amtszeit Premierminister bleiben werden. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“ Petr Nečas dankte dem Präsidenten für die Ernennung. Er sei stolz, zum Premierminister ernannt worden zu sein und versichere, gemeinsam mit seinen Kollegen hart daran zu arbeiten, bald eine Regierung zu bilden:„Dieses Land braucht eine stabile und tatkräftige Regierung, die die grundlegenden Probleme unseres Landes anpackt. Das ist vor allem die Haushaltsfrage. Wir müssen aktiv daran arbeiten, ein ordentliches Budget für das Jahr 2011 und die kommenden Jahre zu erstellen. Und die Bürger erwarten sich eine Regierung, die vor allem arbeiten wird und sich nicht in politischem Gezänk verliert.“
Somit hat Petr Nečas nun auch offiziell den Auftrag zur Regierungsbildung in der Tasche. Die Gespräche über die Bildung einer Dreier-Koalition aus Demokratischer Bürgerpartei (ODS), TOP 09 und der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten laufen freilich bereits seit mehreren Wochen. Und bisher drangen stets nur positive Nachrichten aus der K9 genannten Verhandlungsgruppe nach außen. Problemlos geeinigt hat man sich zum Beispiel auf die Besetzung der Spitzenposten und die Reduktion der Ausschüsse und Kommissionen im Abgeordnetenhaus oder die Einführung von Studiengebühren. Am vergangenen Dienstag allerdings war erstmals ein deutliches Krachen im Koalitionsgetriebe zu vernehmen. Zu ersten Mal wurden neben Inhalten nämlich auch Personalfragen besprochen. Auf dem anschließenden Pressebriefing war von der üblichen Harmonie wenig zu spüren. Karel Schwarzenberg, der Vorsitzende der TOP 09 und ODS-Chef Nečas lieferten sich vor laufenden Kameras und Mikrofonen ein Wortgefecht:Schwarzenberg:„Die einzelnen Ministerien haben natürlich ein unterschiedliches Gewicht. Wie auch immer, wir verlangen eine gleiche Verteilung der Ministerposten zwischen TOP 09 und ODS.“Nečas:„Das ist unangenehm. Ich habe gehofft, ich muss dieses Papier nicht hervorziehen, aber es bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Es sind drei Unterschriften darunter: Petr Nečas, Karel Schwarzenberg, Radek John. ‚Wir haben uns auf einen Schlüssel zur Verteilung der Regierungsämter geeinigt: 6-5-4. Bedingung dafür ist die Einigung über die Verteilung der Ressorts.’ Punkt!“
Schwarzenberg:„Der Herr Vorsitzende Nečas hat den Text korrekt vorgelesen. Allerdings, zuvor haben wir darüber debattiert, dass die TOP 09 auf gleich vielen Ministerposten wie die ODS besteht. Das will ich betonen“Nečas:„Ja ja, diese Debatte hat es gegeben, aber dann haben wir uns auf etwas geeinigt.“
Schwarzenberg:„Und das Ergebnis war, dass es diese Gleichberechtigung geben wird.“
Nečas:„Wir haben doch etwas unterschrieben!“
Schwarzenberg:„Die ODS hat immerhin schon den Vorteil, dass sie den Premier stellen wird. Das stelle ich auch nicht in Frage. Schließlich hat die ODS ein wenig mehr Stimmen als die TOP 09. Aber wir bestehen darauf, gleich viele Minister in der Regierung zu haben.“
Noch einmal zur Erinnerung: Bei den Parlamentswahlen Ende Mai erreichte die ODS 20,2 Prozent der Stimmen, die TOP 09 16,7 und die Partei der Öffentlichen Angelegenheiten 10,9 Prozent.À propos Partei der Öffentlichen Angelegenheiten: Auch der kleinste Partner in der entstehenden Koalition ließ mit einer Forderung aufhorchen. Entweder, ihr Vorsitzender Radek John bekommt das Amt des Innenministers, oder man werde gar keine Minister in die Regierung entsenden, betonte eine der Verhandlerinnen der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten, Kristýna Kočí, am Sonntag im Tschechischen Fernsehen:
„Ja, das Amt des Innenministers für den Vorsitzenden unserer Partei, Radek John, ist eine absolute Bedingung. Das hat der Parteivorstand am Freitag beschlossen. Das ist eine Schlüsselposition.“
John sei der Garant für die Umsetzung des Anti-Korruptions-Programms, einer der Schlüsselpositionen des Wahlprogramms der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten. Außerdem würde die kleinste der drei Koalitionsparteien gerne ihren stellvertretenden Vorsitzenden Josef Dobeš ins Bildungsministerium entsenden. Zwar gibt es bisher keine offizielle Reaktion darauf, aber die Begeisterung von ODS und TOP 09 über diese weitreichenden Forderungen des Juniorpartners dürfte enden wollend sein. Vít Bárta, einflussreiches und finanzkräftiges Mitglied der Partei der Öffentlichen Angelegenheiten, sieht die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung seiner Partei bei nur mehr 20 Prozent. Eine zu pessimistische Sichtweise, wie Parteichef Radek John im Gespräch mit dem Tschechischen Rundfunk meint:„Ich schätze die Chancen viel höher ein. Denn wir haben uns schon in vielen Punkten geeinigt. Klar, es gibt noch Auffassungsunterschiede und solange nicht alles abgemacht ist, ist gar nichts abgemacht. Aber dort, wo es eine Übereinstimmung mit unseren Partnern gibt, waren die Gespräche sehr konstruktiv. Also, ich glaube wirklich, dass die Chancen auf einer Regierungsbeteiligung höher sind.“Noch in dieser Woche wollen die Partner in der künftigen Mitte-Rechts-Koalition die letzten strittigen Fragen klären. Danach soll es, wie TOP-09-Vorsitzender Schwarzenberg zu sagen pflegt, den letzten „Teufelchen, die im Detail stecken“, an den Kragen gehen. Sind diese erfolgreich vertrieben, könnte Präsident Klaus auf der Prager Burg schon in der kommenden Woche Besuch vom neuen Regierungskabinett bekommen. Die wichtigsten Programmpunkte dabei: die Vereidigung der neuen Ministerinnen und Minister und der anschließende gemeinsame Umtrunk.