Tschechische Regierungskrise: Premier Gross gerät weiter unter Druck

Stanislav Gross (Foto: CTK)
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Ein gutes halbes Jahr amtiert der Parteivorsitzende der hiesigen Sozialdemokaten, Stanislav Gross, als tschechischer Ministerpräsident. Mit seinen 35 Jahren ist er der jüngste Regierungschef unter den 25 EU-Mitgliedsstaaten. Doch auf Grund der Affären, die mit seiner Person in Verbindung gebracht werden, drängt sich immer mehr die Frage auf: Wird er es auch noch am Ende dieser Woche sein? Über die neuesten Entwicklungen in der anhaltenden Koalitionskrise informiert Sie Lothar Martin.

Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Die hiesigen Sozialdemokraten sind derzeit auf der Suche nach einem Ausweg aus der Koalitionskrise, der "eine unumkehrbare Entscheidung" nach sich zieht. Mit diesen Worten beschrieb der Fraktionsvorsitzende der sozialdemokratischen Abgeordneten im Prager Parlament, Michal Kraus, am Dienstag die schwierige Situation, in der sich die führende Regierungspartei einen Tag vor der möglichen Entscheidung über den weiteren Werdegang des sozialliberalen Kabinetts befinde. Denn einige tschechische Tageszeitungen bezweifeln bereits, dass es aus dieser Krise überhaupt noch einen versöhnlichen Ausweg gibt. So schrieb zum Beispiel die "Mlada fronta Dnes" in ihrer Dienstagausgabe u. a., dass "eine schnelle Katastrophe in der Regel weniger Schaden anrichten würde als die Beibehaltung einer unverbesserlichen Beziehung". Und nachdem, was geschehen ist, sei vor allem die gestörte Beziehung zwischen Gross und Christdemokratenchef Miroslav Kalousek nicht mehr reparabel. Dabei spielte das Blatt auf die Äußerungen von Kalousek an, die dieser am Montag wie folgt formulierte:

Miroslav Kalousek  (Foto: CTK)
"Es ist selbstverständlich ein riesiges Problem, wenn der Regierungsvorsitzende mit seinem Einkommen in direkter ökonomischer Verbindung steht mit den Einnahmen aus einem zweifelhaften Unternehmen einschließlich der vermutlich durch Prostitution gemachten Einnahmen. Das birgt selbstverständlich das enorme Risiko in sich, dass die Entscheidungen dieser Regierung von vornherein nicht vertrauenswürdig sind. Der Premier kann dabei in die Position gelangen, dass er erpressbar ist."

Auch der bekannte Politologe Rudolf Kucera führt Gross vor Augen, dass die entstandene Situation schon längst nicht mehr seine persönliche Auseinandersetzung mit Christdemokratenchef Miroslav Kalousek sei:

"Ich denke, dass er sich zurzeit noch nicht ganz des völligen Ausmaßes seiner Situation bewusst ist. Einer Situation, wie sie die Gesellschaft sieht, und die weitgehende Auswirkungen hat sowohl für seine Partei als auch für die Koalition. Daher denke ich, wenn sich Gross dessen bewusst werden wird, dann wird er einsehen, dass es sich hier nicht um eine gezielte Kampagne gegen ihn handelt, sondern es leider nur um die Folgen davon geht, was er und seine Familie an Fehlern gemacht haben."

Vaclav Havel
Dem kann der ehemalige Präsident Vaclav Havel nicht ganz zustimmen. Havel ist vielmehr besorgt über das Erscheinungsbild der tschechischen politischen Szene als solcher:

"Mich ärgert es natürlich, dass es so bestellt ist um unsere Regierungsriege. Was mich aber vor allem befremdet, ist der Hang zu vielen eigenständigen Kampagnen. Wenn jemand bei uns der populärste Politiker ist, dann wird ihm zum Beispiel vor das Schienbein getreten, egal, ob er etwas getan oder nicht getan hat."

Auf dem für Mittwoch anberaumten Treffen der führenden Koalitionsvertreter wird voraussichtlich eine Entscheidung darüber fallen, ob das Kabinett Gross in derselben Zusammensetzung weiterregieren wird oder ob es strukturelle bzw. personelle Veränderungen innerhalb der Regierungskoalition geben wird.