Tschechische Schulen und russische Propaganda – in Prag hat ein Fall Wellen geschlagen

An einer Prager Schule hat eine Lehrerin vorige Woche den Tschechisch-Unterricht dafür missbraucht, Lügen und Desinformationen über Russlands Krieg gegen die Ukraine zu erzählen. Der Fall weckte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sowie der Medien. Mittlerweile ist die Lehrerin suspendiert. Bohumil Kartous ist Leiter des Prager Innovationsinstituts, das sich auf die Entwicklung von Bildungskonzepten für die breite Bevölkerung konzentriert. Am Dienstag hat er in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks über das Thema gesprochen.

Illustrationsfoto: Tumisu,  Pixabay,  Pixabay License

Die Lehrerin sollte der achten Klasse eigentlich das Schreiben von Essays beibringen. Stattdessen entschied sie sich, die Kinder über den Krieg in der Ukraine auf ihre Weise zu „belehren“. Als die Kinder begriffen, dass die Erklärungen der Lehrerin der Wirklichkeit widersprechen, begannen sie damit, die Unterrichtsstunde aufzuzeichnen. Unter anderem sagte die Pädagogin, dass in Kiew gar nichts passiere. Des Weiteren behauptete sie unter anderem, der russischsprachigen Bevölkerung werde in der Ostukraine die Haut abgezogen.

Bohumil Kartous leitet das Prager Innovationsinstitut und ist Sprecher des Vereins „Čeští elfové“ (Tschechische Elben), der sich auf die Enthüllung von Desinformationen konzentriert. Nicht immer sei es vermutlich für die Schüler und auch die Schulleitung so einfach, Propaganda zu erkennen, wie in dem jüngsten Fall der Prager Lehrerin, sagt er. Den Fall bezeichnet Kartous als traurig:

Bohumil Kartous | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Denn dort kam es zur reinen Wiedergabe von Kreml-Propaganda. Russland ist durch seine eigene Entscheidung ein gegenüber Tschechien feindlicher Staat. Und es handelte sich um eine Beeinflussung der Meinungen von Schülern im Widerspruch mit den demokratischen Werten. Dies widerspricht den Pflichten eines Lehrers, die im Schulgesetz verankert sind. Daher ist auch die Entscheidung der Schulleitung völlig in Ordnung, die Lehrerin von der Schule zu verbannen.“

Schulen sollen laut Kartous unparteiisch sein. Aber sie seien nicht apolitisch in dem Sinne, dass sie Themen wie den Krieg in der Ukraine meiden sollten, so der Experte.

Flüchtlinge aus der Ukraine | Foto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

„Das ganze Bildungssystem sollte sich im Gegenteil sehr konsequent daran beteiligen, Schülern nötige Einsichten zu vermitteln. Unter dem Aspekt von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine stützen sich diese auf eine klare und mit Beweisen begründete Auswertung der Lage. Ich denke, die Schulen sollten derzeit aktiv vorgehen. Schließlich hat Tschechien mehrere Hunderttausend Geflüchtete aufgenommen, darunter viele Kinder, die natürlich Grundschulen, weiterführende Schulen und Kindergärten hierzulande besuchen. Deswegen kommen die Schulen nicht um das Thema herum.“

Illustrationsfoto: Max Fischer,  Pexels,  CC0 1.0 DEED

Gibt es eine Erklärung dafür, warum auch gebildete Menschen, nicht nur Lehrer, auf einmal die Tatsachen ignorieren und an Verschwörungstheorien glauben? Diese Frage könnten Experten nur schwer beantworten, sagt Kartous. Dennoch merkt er an:

„Meine Hypothese geht davon aus, dass es sich um Menschen handelt, die beispielsweise unzufrieden sind mit der Wirklichkeit, in der sie leben. Sie sind unzufrieden mit der Welt und damit, wie sie diese erleben. Dies führt sie vielleicht zur Suche nach alternativen Erklärungen der Lage. Es ist aber nur eine Hypothese. Ich wäre froh, wenn wir dazu Forschungsergebnisse hätten.“

Petr Gazdík | Foto:  Regierungsamt der Tschechischen Republik

Bildungsminister Petr Gazdík (Stan) lobte zuvor die Schulleitung dafür, dass sie der Lehrerin gekündigt hat. Er erinnerte daran, dass sein Ressort vor einigen Wochen bereits methodische Anleitungen an alle Schulen im Land geschickt hat.

Autoren: Martina Schneibergová , Věra Štechrová
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