Tschechische Spuren in Rom
Seit dem Mittelalter pilgerten die Bewohner der Böhmischen Länder nach Rom. Die ewige Stadt war in den vergangenen Jahrhunderten auch das Ziel vieler tschechischer Künstler. Vor kurzem ist hierzulande ein Buch über die tschechischen Spuren in Rom erschienen.
„Meine Frau ist Diplomatin. Als sie vor ein paar Jahren erfuhr, dass sie in den Vatikan entsandt wird, sind wir mit Kardinal Duka zusammengetroffen. Bei dem gemeinsamen Gespräch sind wir eben auf tschechische Spuren in Rom gestoßen. Zudem muss ich zugeben, dass mich das Buch ,Ein Jahr in Rom‘ vom deutschen Journalisten Stefan Ulrich motiviert hat. Bevor ich zu schreiben begann, habe ich zwei Jahre lang in Rom gelebt. Ich wäre froh, wenn das Büchlein andere Menschen dazu anregen würde, die ewige Stadt besser kennenzulernen.“
Den historischen Teil des Buchs hat Benedicta Hübnerová verfasst. Die Dominikanerin hat Geschichte studiert. Die ersten Pilger aus den böhmischen Ländern in Rom seien schwer zu belegen, sagt sie.
„Schon in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt war Rom so etwas wie das Zentrum der Welt. Auch aus den Gegenden sozusagen der Barbaren kamen viele Menschen in die Stadt. Die ersten bekannten Pilger, die zwar nicht hier geboren wurden, aber viel auch für das heutige Tschechien bedeuten, waren die Apostel Kyrill und Method. Sie gingen im 9. Jahrhundert nach Rom.“
Diplomatin und Ordensschwester Mlada
Aber nicht nur Geistliche, sondern auch Laien sind in die Stadt gereist. Was hat die Menschen alles an Rom angezogen?„Die Motivation war unterschiedlich. In der Renaissancezeit war es fast Mode, sich die antiken Sehenswürdigkeiten anzuschauen und die Baudenkmäler zu berühren. Viele der Rom-Besucher waren auch Diplomaten. In einigen Fällen ist es schwierig zu unterscheiden, ob es diplomatische oder eher religiöse Motive waren. Die Přemyslidin Mlada war beispielsweise Diplomatin und zudem Ordensschwester. Sie wurde von ihrem Vater, Fürst Boleslav I., als Vertreterin Böhmens nach Rom entsandt. Sie brachte von dort etwas nach Prag mit, was er sich gewünscht hat. Das war die Genehmigung zu einem selbständigen Bistum in Prag. Zudem durfte Mlada nach ihrer Rückkehr das erste Frauenkloster in Böhmen gründen. Es ist beachtenswert, dass damals kein Geistlicher, kein Mann, sondern die fürstliche Tochter nach Rom entsandt wurde. Sie hat ihre diplomatische Aufgabe mit Erfolg gelöst.“
Pilger aus den Böhmischen Ländern haben bis heute die Möglichkeit, in einer eigenen Herberge in Rom zu übernachten. Dieses besteht bereits seit dem 14. Jahrhundert. Benedicta Hübnerová.„Die Idee hatte zwar Karl IV., aber es dauerte dann noch zehn Jahre. Erst 1378 teilten drei Brüder aus der Rosenberger-Familie dem Kaiser mit, dass sie eine Unterkunft für Pilger einrichten werden. Denn die Rom-Fahrer hatten meist eine schwierige, kostspielige auch einige Jahre dauernde Reise hinter sich. Oft waren es arme Menschen, die auf dem Weg gelegentlich arbeiten mussten, um einen weiteren Abschnitt der Wanderung finanzieren zu können. Viele haben während der Pilgerfahrt auch gebettelt. Karl IV. entschied sich, die Idee der Rosenberger zu unterstützen. Er ließ ein Grundstück auf dem Marsfeld kaufen. Die Rosenberger sorgten für den Bau des Pilgerhauses. Aus den historischen Berichten wissen wir, wie das Haus ausgesehen hat. Es hatte einen großen Garten, eine St. Wenzel-Kapelle sowie einen großen Raum, in dem die Pilger übernachten konnten.“
Pilgerhaus Velehrad
Das Pilgerhaus wurde bis in die Hussitenzeit stark genutzt. Während der Hussitenkriege kamen dann aber kaum noch Bewohner aus den Böhmischen Ländern in die Heilige Stadt. Selbst die Katholiken von hier wurden bei der Kurie in Rom mit Misstrauen beäugt. Die Historikerin resümiert.„In der frühen Neuzeit hat sich dann kaum noch jemand um das Pilgerhaus gekümmert. Erst in den 1870er Jahren gab es Bemühungen, die Unterkunft wieder in Stand zu setzen. Doch die Pläne scheiterten. Während der Ersten Republik wurde das Gebäude vermietet, und zwar an die Polen. 1950 wurde das Haus verkauft, weil die Tschechen nicht mehr nach Westeuropa reisen konnten. Erst Kardinal Josef Beran wollte an die Tradition eines tschechischen Pilgerhauses in Rom anknüpfen. Mit Hilfe von Papst Pius kaufte er ein Anwesen in der Straße Via delle Fornaci. Das neue Pilgerhaus erhielt den Namen ‚Velehrad‘. Bis heute können dort Pilger aus Tschechien unterkommen.“
Velehrad ist übrigens einer der wichtigsten Wallfahrtsorte in Tschechien, er liegt in Südmähren.
Komponist Mysliveček
Benedicta Hübnerová geht in ihrem Buch auch auf die Motivation der Künstler ein, die Rom unbedingt sehen mussten.„Rom nicht zu sehen, bedeutete für einen Künstler zu stagnieren. Sie mussten der Erfahrung wegen die Ewige Stadt besuchen. In einem Kapitel befasse ich mich mit dem 19. Jahrhundert, als eine ganze Künstlergeneration durch den Aufenthalt in Rom beeinflusst wurde. Die besten Studenten von tschechischen Kunstschulen bekamen damals Stipendien vom Mäzen Alois Klar. Damals reisten sowohl Maler als auch Bildhauer nach Rom. Sie wohnten nahe der Piazza Venezia im sogenannten ,Kunstturm‘. Einer erbte die Wohnung vom anderen. Mindestens zwei Generationen von Künstlern des 19. Jahrhunderts haben auf diese Weise in Rom studiert und ihre Erfahrungen gesammelt.“
„Myslbek sah in Levý sogar den Begründer der modernen tschechischen Bildhauerei. Levý hat zwölf Jahre lang in Rom verbracht. Oft hat er an die Stadt gedacht und sehnte sich danach, wieder dorthin zurückzukehren. Selbst Papst Pius IX. war von Levýs Werk angetan, er hat den Künstler in seinem Atelier besucht und die Plastiken bewundert.“
Aber nicht nur Maler und Bildhauer hat es nach Rom gezogen, sondern auch Musiker. Benedicta Hübnerová geht in ihrem Buch besonders auf Josef Václav Mysliveček ein, einem Komponisten des Spätbarock und des Klassizismus aus dem 18. Jahrhundert.„Er hat den größten Teil seines Lebens in Italien verbracht. Die letzten Jahre lebte er in Rom. Damals begann jedoch sein Stern schon zu sinken. Das Publikum hat seine Werke ausgepfiffen. Myslivečeks Oper Armida fiel durch. Der Komponist starb in Rom fast in Vergessenheit.“
Kardinal Špidlík
Später dann wurde die Hauptstadt Italiens zum Zufluchtsort für viele tschechische Exilanten, die nach 1948 und 1968 aus der Tschechoslowakei flohen. Dazu David Válka:
„Ich habe mehrere von ihnen getroffen, darunter phantastische Menschen – viele Ärzte, Lehrer und nicht zuletzt Priester. Ich hatte das Glück, Kardinal Tomáš Špidlík noch kennengelernt zu haben. Wenn ihn Touristen oder Pilger aus Tschechien besuchten, ohne sich im Voraus angemeldet zu haben, hat er sie wirklich herzlich empfangen. Er hat uns als ,Kinder‘ angesprochen und oft gefragt: ,Was soll ich Euch erzählen? Wenigstens einen Witz.‘ Wenn wir ein Foto mit ihm machen wollten, fragte er, ob uns nicht stört, dass er gerade nicht gekämmt ist. Er hatte aber keine Haare mehr.“
Heute leben in Rom auch einige tschechisch-italienische Familien, wie David Válka beschreibt. Es besteht dort zudem eine tschechische Schule. Diese werde zum Teil von den Eltern der Schüler finanziert, erzählt der Verfasser.„Sie haben aber auch die Gunst des päpstlichen Kollegs Nepomucenum gewinnen können. Das ist eine Art Kulturzentrum der tschechischen Community in Rom. Zudem wird die Schule vom tschechischen Außenministerium gefördert. Und natürlich hat sie auch Sponsoren. Innerhalb der tschechischen Community besteht ein starker Wille, die Schule zu erhalten. Dadurch lässt sich bei den Kindern das Interesse an der tschechischen Sprache und Literatur wecken. Das ist bewundernswert.“