Tschechischer Berlusconi? Milliardär und Politiker Babiš kauft sich Medienimperium
Andrej Babiš steht zurzeit mit seiner Partei Ano im Rampenlicht. Die Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten laufen vielversprechend, und der Milliardär könnte sogar Finanzminister werden. Bereits vor der Wahl hatte Babišs Konzern die beiden größten Tageszeitungen Tschechiens gekauft. In der vergangenen Woche kam auch noch der größte private Rundfunksender des Landes hinzu, Radio Impuls. Viele sehen nun in dem Milliardär einen kommenden Berlusconi, denn neben der politischen Macht könnte er auch die Medien kontrollieren.
Der meistgehörte private Radiosender ist nun Teil der Aktiengesellschaft Agrofert. Der Kauf muss zwar noch vom Kartellamt abgesegnet werden, aber schon jetzt ist klar, dass Andrej Babiš nicht nur auf dem Markt für Agrarprodukte, sondern auch auf der medialen und politischen Bühne eine bestimmende Rolle einnimmt.
Begonnen hatte die Einkaufstour des Milliardärs bereits im Juni, die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Babiš kauft die Mafra. Die Mafra ist eine Verlagsgesellschaft, die die beiden meistgelesenen Tageszeitungen Tschechiens herausgibt: die Mladá Fronta Dnes und die Lidové Noviny. Da Babiš zur gleichen Zeit auch den Gang in die Politik mit seiner Partei Ano vorbereitete, ging in der Öffentlichkeit schnell die Angst um vor dem „tschechischen Berlusconi“. Der Milliardär versuchte dies zu kontern:
„Einige Leute versuchen mir zu unterstellen, ich wolle ein zweiter Berlusconi werden. Das will ich aber nicht wirklich werden, ich habe nämlich kein Interesse an minderjährigen Mädchen.“
Wirklich überzeugen konnte Babiš mit diesen Argumenten aber niemanden. Schließlich gehören zur Verlagsgesellschaft Mafra nicht nur die beiden Zeitungen, sondern auch das Internet-Nachrichtenportal iDnes.cz, die kostenlose Zeitung Metro sowie diverse andere Medien. Die Mafra gehörte vorher der Rheinisch-Bergischen Verlagsgesellschaft, die in Düsseldorf die Rheinische Post herausgibt. Babiš versuchte daher auch, in einem Interview mit dem Tschechischen Rundfunk die nationale Karte zu ziehen:
„Jetzt sind die Zeitungen also in tschechischen Händen. In Frankreich ist es zum Beispiel verboten, dass Zeitungen in ausländischem Besitz sind. Daher verstehe ich nicht, warum hier ein Problem mit mir sein soll.“
Im gleichen Interview sagte er noch, er plane keine Eingriffe in die Presse-Publikationen:
„Ich habe bereits erklärt, dass ich die Journalisten niemals beeinflussen werde. Ich werde sie schreiben lassen, was sie wollen - und wenn sie über mich schreiben wollen, dann sollen sie fragen und mir die Möglichkeit lassen, zu antworten.“
Nicht einmal einen Tag später folgte dann ein Anruf des Milliardärs in der Redaktion der Tageszeitung Lidové Noviny. Er beschwerte sich darüber, dass die Zeitung nicht über eine Pressekonferenz von seiner Partei Ano berichtet habe. Das Telefonat wurde mitgeschnitten und fand seinen Weg in den Tschechischen staatlichen Rundfunk:
„Ich habe in die Medien geschaut und einen großen Artikel in der Hospodářské Noviny gefunden, in der Lidové Noviny jedoch nichts nichts.“
Das erklärte Babiš dem überraschten Redakteur am Telefon. Dieser wollte zunächst nicht sagen, warum kein Artikel über die Pressekonferenz erschienen war. Auf Druck des Milliardärs gab er aber irgendwann zu, dass sein Chef die Anweisung gegeben habe, keinen Bericht zu bringen. Das Gespräch dauerte mehr als drei Minuten lang. Babiš sagte am Ende:
„Ich hoffe, dass die Leute wissen, was sie tun. Vielleicht wissen sie ja nicht, mit wem sie die Ehre haben.“
Nachdem dieser Anruf seinen Weg an die Öffentlichkeit gefunden hatte, besuchte Babiš die Redaktion der Lidové Noviny und entschuldigte sich persönlich. Der Schaden war aber angerichtet. Jaromír Volek ist Mediensoziologe an der Masaryk-Universität in Brno / Brünn:
„Ich möchte da auf eine typisch tschechische Sache verweisen, die wir sowohl vor, als auch nach der Wende beobachten konnten: die Selbstzensur. Babiš wird gar nicht auf besondere Art Druck ausüben oder jemanden beeinflussen müssen, denn die tschechischen Journalisten sind in ihrer Mehrheit loyal zum Eigentümer.“
Und Volek erklärte auch, welche Richtung die Zeitungen in Babišs Besitz wohl nehmen werden:
„Ich habe das Gefühl, dass Andrej Babiš die Mladá Fronta in Richtung Mitte drücken wird, weil seine Partei Ano anscheinend auf die Mitte zielt. Die Mladá Fronta ist jetzt leicht rechts von der Mitte orientiert. Das bedeutet aber auch: Der Schritt wird für die Zeitung und die Redaktion nicht so dramatisch und bedeutend ausfallen.“
Bei den Wahlen Ende Oktober konnte die Partei Ano das zweitstärkste Ergebnis einfahren. Mit etwas über 18 Prozent wird sie höchstwahrscheinlich eine Koalition mit den Sozialdemokraten eingehen. Trotz aller Versicherungen von Seiten des Milliardärs hat sich seitdem aber eine ganze Reihe von Journalisten aus den Redaktionen beider Zeitungen verabschiedet. Eine Woche nach der Wahl trat der Chefredakteur der Mladá Fronta, Robert Časenský, nach acht Jahren ab. Eine weitere Woche später folgte ihm der Chefredakteur der Lidové Noviny, Dalibor Balšínek.
Allerdings gelang es Babiš, den Abgang der beiden durch einen Coup zu kompensieren. Mitte November gab die Mafra bekannt, dass Sabina Slonková ab 1. Januar 2014 die Mladá Fronta als Chefredakteurin übernehmen werde. Slonková ist eine der profiliertesten Journalistinnen. Sie ist mehrfach ausgezeichnet worden für ihren investigativen Journalismus und hat mehrere Skandale in Tschechien aufgedeckt. Im Tschechischen Rundfunk nahm sie Stellung zu ihrer neuen Aufgabe und zur Problematik um den Besitzer Andrej Babiš:
„Andrej Babiš hat mich überzeugt, dass er den Inhalt der Mladá Fronta Dnes nicht beeinflussen wird. Und ich denke, er wäre verrückt, wenn er eine solche Summe für den Kauf des Mafra-Verlags investiert hätte, und seine Investition damit gefährden würde, dass er den Inhalt des Mediums beeinflussen würde.“Slonková habe eine Garantie bekommen, sowohl von Babiš als auch von der Führung des Verlags, dass es keine Eingriffe geben werde. Sie hat aber auch Gespräche mit Redakteuren geführt, die das Blatt verlassen haben:
„Man kann nicht sagen, dass alle gegangen sind, weil Andrej Babiš der neue Besitzer geworden ist. Ich habe mit einigen geredet - und bei den meisten ist es eine Kombination aus Erschöpfung, so lange an der derselben Stelle tätig gewesen zu sein, und dem Wunsch, sich weiter zu entwickeln. Der Kauf durch Babiš war für sie nur der Anlass, diesen schon länger geplanten Schritt zu machen.“
Bei Radio Impuls hat es bisher noch keine personellen Konsequenzen gegeben. Zum Beispiel arbeitet der Moderator Václav Moravec für den Radiosender, er ist auch aus dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen bekannt. Bisher hat er sich noch nicht zur Übernahme durch den Agrar-Milliardär geäußert.